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Ich kann ihn nur ungläubig anstarren. Was ist denn jetzt los? Warum ist er plötzlich so unhöflich? Eben noch war er ein zitterndes, stotterndes Bündel Nervosität. Jetzt führt er sich so auf, als hätte er nicht zig Jahre bei den verschiedensten Menschen verbracht, die ihn wie Dreck behandelt haben. Jemand der so etwas erlebt hat, sollte nicht so eine große Klappe haben. Er müsste eigentlich bedeutend weniger Mut an den Tag legen.
Seine vorherigen Besitzer hätten ihn für diese Worte vielleicht eine Woche hungern lassen oder zusammengeschlagen. Aber nur, dass wir nett zu ihm sind, muss das nicht heißen, dass er sich benehmen kann, wie er will, oder?

Vielleicht ist er aber auch nur so aggressiv, weil...
Ja, warum eigentlich? Ich habe ihm keinen Grund dazu gegeben, ebensowenig meine Eltern. Wir nehmen ihn auf, da kann man doch ein wenig Dankbarkeit und vor allem Respekt erwarten?

„Was ist denn los?", frage ich. Er verdreht die Augen und ignoriert meine Frage einfach. Mir fällt die Kinnlade herunter. Warum ist er plötzlich so fies? Was ist geschehen?
Ich kann ihn nur weiterhin anstarren, während er sich aufmerksam in unserer Wohnstube umschaut.
Plötzlich fällt sein Blick auf mich.
„Was?", blafft er, „Hab ich was im Gesicht? Was starrst du mich so an?"
Ich runzle die Stirn. „Na hör mal", sage ich, „Wenn du aufhörst, in diesem Ton mit mir zu reden, höre ich auch auf, dich anzustarren." Er hebt belustigt eine Braue. „Oh, Verzeihung", betont er mit näselnder Stimme und spöttischem Grinsen. Dann lässt er mich wieder links liegen.

Ich gehe nochmal den Tag durch, seit ich ihm begegnet bin. Was könnte ich getan haben, dass er mich so verachtet?
Ich habe den Typen, der ihn gequält hat, der Polizei mitgegeben. Dann hab ich den Raum, in dem er eingesperrt war, entdeckt und ihn zusammen mit einem sehr netten Polizisten befreit. So weit, so gut. Wir sind zusammen nach draußen gegangen und ich habe ihn vor die Wahl gestellt, auf eigene Faust weiterzumachen oder mich zu begleiten. Er ist mit mir mitgekommen und hat nun ein neues Zuhause, ein bisschen meinetwegen.
Hab ich irgendwie den Punkt verpasst, an dem ich die Böse war? Oder gab es gar keinen?

Ich beiße mir auf die Lippe. Okay, ein bisschen was fällt mir doch ein.
Vielleicht war es die Sache mit der Kapuze. Als er sich schämte, sich vor den anderen Polizisten zu zeigen, habe ich ihm einfach so die Kapuze heruntergerissen. Ich wollte damit zwar die Erkenntnis bei ihm erreichen, dass er sich nicht zu verstecken braucht, aber vielleicht ist das auch schief gelaufen. Allerdings glaube ich nicht, dass es das war. Ich habe echte Dankbarkeit in seinen Augen gesehen, nachdem ich es ihm erklären konnte. Er fand es gut, dass ich ihm Dinge gesagt habe, die sein kleines Selbstbewusstsein wieder ein wenig aufgepäppelt haben. Das weiß ich. Es muss also an etwas Anderem liegen...
Vielleicht war es ja auch der Moment im Auto mit dem Sicherheitsgurt. Vielleicht hat er ja ab da angefangen, mich weniger zu mögen. Immerhin wollte ihn ihn dazu überreden, einen Gurt anzulegen, der seine Freiheit deutlich einschränkt. Und ich habe den bösen Satz gesagt, der bei ihm eine Art Trauma verursacht hat. Ich glaube allmählich, dass es dieser Moment war, der ausschlaggebend für sein Verhalten gerade ist.

„Hör zu", sage ich leise, „Das im Auto tut mir leid, das war nicht meine Absicht. Ich weiß, es war total blöd, die Sache mit dem Gurt und was ich gesagt habe..."
Der Neko reißt die Augen auf und blickt mich warnend an. „Im Auto", sagt er beherrscht, „ist nichts von Bedeutung passiert. Verstanden?" Ich blinzle verwirrt. Er wäre mir da fast zusammengeklappt. Er hatte eine waschechte Panikattacke. Und denkt, es wäre nichts passiert?
„Und ja", sagt er, „das war verdammt blöd."
Ich kneife die Lippen aufeinander. Er weiß ganz genau, dass das, was da geschehen ist, nicht der Normalität entspricht. Er weiß sehr wohl, dass er eine Panikattacke hatte. Er will nur nichts davon hören, weil es ihm peinlich ist. Er hat Schwäche gezeigt, dann auch noch vor einem Menschen und das wurmt ihn fürchterlich. Aber wenn er es leugnet, dann kann man ihm nicht helfen. Am Besten wäre es, er würde zu einer Therapie gehen. Aber Gott allein weiß, wie wir ihn da hin kriegen sollen. Das macht er niemals freiwillig.

Meow! [Yoonmin/Sope]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt