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Nach dem gemeinsamen Abendessen haben sich meine Eltern ins Wohnzimmer verzogen, um fern zu sehen und sich zu unterhalten. Normalerweise bin ich oft dabei, aber heute nicht.
Nein, heute muss ich erst einmal ein bisschen für mich sein. Nachdenken. Rekapitulieren. Mir Gedanken machen, wie es weitergehen soll.
Yoongi ist in seinem Zimmer verschwunden. Man hört und sieht rein gar nichts von ihm. Wahrscheinlich schläft er schon längst.

Ich denke über diesen seltsamen jungen Mann nach.
Ja, er hat Katzenohren und ja, er hat einen flauschigen Katzenschweif, aber das ist nicht das Seltsame an ihm.
Zumindest nicht in meinen Augen.
Nein, das ist es wirklich nicht. Er ist ja trotzdem ein Lebewesen wie du und ich. Erstens kann er nichts dafür, dass er so aussieht; es war nicht seine Entscheidung, dass man ihn gezüchtet hat. Und zweitens ist es auch gar nicht schlimm, dass er so aussieht. Es ändert sich dadurch ja nicht wirklich etwas. Was soll schon sein?
Das Einzige, was mich noch ein wenig unbeholfen macht, ist sein seltsames Verhalten.

Ich weiß ja, dass er in seinem kurzen Leben bereits einiges durchgemacht hat. Aber dass jemand so zerstört sein kann?
Können furchtbare Erlebnisse dazu beitragen, mehrere Persönlichkeiten zu entwickeln? Oder ist das nur einer seiner Schutzmechanismen, um sich vor der Welt zu verbergen?
Ich werde einfach nicht schlau aus dem Hybriden.
Zuerst war er so klitzeklein, unsicher, verängstigt in der Halle mit den ganzen Polizisten.
Ihn danach an der frischen Luft so glücklich und zufrieden zu sehen, hat mein Herz aufgehen lassen.
Aber kurz darauf war da diese Anspannung und sein vorwurfsvoller Blick im Auto, also es um den Sicherheitsgurt ging.
Hier zuhause angekommen, wurde er so neugierig und ängstlich und irgendwie war das süß.
Aber dann hat er sich getraut, vor meinen Eltern zu sprechen - und vor mir. Und allein der Unterschied, wie er sich in der Gegenwart meiner Eltern und in der Gegenwart von mir verhält, ist bedenklich.
Wie zaghaft und verunsichert er ist, wenn meine Eltern da sind... Vielleicht ist das alles nur Show, aber sicher bin ich mir da auch selten. Was, wenn doch ein Großteil davon echt ist?
Und dann noch dieses Aufmüpfige, dieses Selbstbewusste, wenn wir alleine sind...
Wenn man den Neko sonst sieht, würde man es nicht für möglich halten, dass dieses arme, unschuldige Geschöpf so zynisch und kalt sein kann.
Aber er kann.
Das weiß bisher nur ich, weil er mich unter Kontrolle haben will. Er ist sicher der Meinung, dass ich ihn sonst nerven würde. Was ich auch definitiv tun würde; hilflose Wesen werden von Frauen und im Besonderen von mir gern bemuttert. Darauf hat er keinen Bock, also zeigte er mir sein wahres Ich. So habe ich mir das zusammengereimt. Ob davon irgendetwas stimmt, weiß ich leider nicht.
Er ist so undurchschaubar... Das macht mir zu schaffen. Ich weiß nie, ob er gerade echte Gefühle zeigt oder nur schon wieder etwas vorspielt. Was er ziemlich gut kann. Glaube ich. Weil ich wiederum nicht weiß, wann er vorgibt, etwas zu sein und wann er wirklich so ist, wie er ist.

GOTT, ist das alles verwirrend.

Diese Person raubt mir den letzten Nerv. Ich merke jetzt schon, wie sich die Gedanken, die in meinem Kopf herumschwirren, sich verheddern und verknoten, nur um sich dann voneinander loszureißen und noch mehr Chaos hinterlassen zu haben, weil jetzt viel mehr Gedanken in noch schnellerem Tempo in meinem Kopf umherdüsen.

Ich muss mich setzen. Vor lauter Nachdenken ist mir schwindelig.

Ich lasse mich also auf mein großes, breites Bett fallen und atme tief durch.
Ich liebe mein Bett. Es ist so schön weich. Und man kann sich super in den Kissen und Decken, die ich darauf zu liegen habe, vergraben. Es ist so bequem... Wann immer ich darin liege, habe ich Schwierigkeiten, es wieder zu verlassen.
Wer kann es mir verübeln...? Ein Gefühl, von dem ich behaupten würde, dass wir es alle schon einmal gespürt haben. Oder? Nicht nur ich habe hier eine sehr innige Beziehung mit meinem Bett, richtig?
Mein Bett steht in der Ecke meines Zimmers. Am Fußende befinden sich mein Schreibtisch und mein Bürostuhl. Direkt dahinter ist meine Tür. Sie geht nach außen auf, sonst sähe mein Schreibtisch sicher nicht mehr so heil aus.
Links neben meinem Kopfende steht mein Nachttisch. Darauf stehen gerahmte Bilder, von meinem Freundeskreis,  meinem festen Freund, meiner kleinen Cousine... Generell ist mein Zimmer gespickt mit Fotos. Erinnerungen an verstorbene oder aktuelle Haustiere (ich hatte zwar nie eine Katze, dafür aber mal Kaninchen und Hamster!), an meine Freunde, meine Eltern, meine bessere Hälfte, Urlaubsreisen, Familienmitglieder... Ich bin so ein Mensch. Fotos erhalten Erinnerungen.
Neben meinem Nachttisch steht eine kleine Couch. Auch hier liegen Decken und Kissen, um sie noch bequemer zu machen, als sie sowieso schon ist. Ich liebe es, dass ich ein gemütliches Bett UND eine gemütliche Couch in meinem Zimmer habe. Aber manchmal ist es schwer, sich zu entscheiden.
Vor der Couch, auf dem Teppich, der sich in meinem ganzen Zimmer ausbreitet, steht ein kleiner Tisch. Meistens steht er einfach nur unnütz herum, aber wenn ich mal in meinem Zimmer esse und dabei auf der Couch sitze, ist er ganz praktisch.
Gegenüber von der Couch, direkt neben der Tür, erstreckt sich mein Kleiderschrank. Er bedeckt die ganze Wandbreite. Es ist eine Schrank-Kommoden-Kombination. In der Mitte ist eine flache Kommode, die außen von zwei hohen Schränken gesäumt wird. Die Schranktüren bestehen aus Spiegeln. Auf der Kommode befindet sich mein Fernseher und meine Stereoanlage mit den Musikboxen. Musik ist mein Leben, Fernsehen hingegen schaue ich nur noch ab und zu.
Am meisten an meinem Zimmer mag ich die Fenster. Sie sind hoch und bogenförmig, es erinnert mich immer an hochherrschaftliche Fenster in altertümlichen Renaissance-Häusern. Ich habe gleich zwei. Eines direkt neben dem Schrank, weshalb es nicht so gut zur Geltung kommt, weil es halb verdeckt ist. Aber das andere Fenster befindet sich in der anderen Ecke des Raumes, direkt gegenüber von meinem Bett, einen Meter links neben der Couch. Das Fensterbrett ist so ausgerichtet, dass man sich perfekt daraufsetzen und aus dem Fenster blicken kann. Da der zweite Stock unseres Hauses ziemlich hoch ist, kann man über die Hecke hinüber zu unserem Nachbaranwesen schauen. Das ist aber nicht schlimm, mit dem Nachbarsjungen verstehe ich mich blendend, er ist in meinem Alter und wir gehen sogar auf dieselbe Uni. Manchmal kann ich ihm von hier dabei zusehen, wie er mit seinem Hund im Garten spielt. Ein Andermal allerdings nehme ich mir einfach eines meiner unzähligen Bücher aus dem Regal, das zwischen den beiden Fenstern steht, setze mich auf die Fensterbank und schmökere darin herum. Ich liebe das. Oder man setzt sich einfach dort hin, starrt hinaus und hängt seinen Gedanken nach. Das ist auch mal ganz toll.

Meow! [Yoonmin/Sope]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt