Chapter 25

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Lieber Taehyung ~...
Ich hielt mich jetzt schon mehr als dreißig Sekunden dort bei der Zeile mit meinem Namen auf, ich wollte nichts lesen, was meinen Appa so aus der Fassung brachte, schließlich konnte ich erkennen, dass er immer noch neben mir zitterte wie Espenlaub.
Ich umfasste das Papier fester und überwand mich daraufhin, es weiter zu lesen.

Hallo Taehyung,
Ich will mein liebstes Objekt zurück!
Du weißt schon.
DEN SPIEGEL!
Der kleine Vogel  war der Auftakt,
ich werde dir großzügiger Weise
Zeit geben, meinen Spiegel zu beschaffen
und ihn mir zurück zu bringen,
wenn dies nicht passiert,
ist nicht nur das Vögelchen herzlos mein Schatz!

Soona

Ich stand Still, mein Herzschlag war still, in meinen Kopf war es still.
Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, sie schwebten an mir vorbei und ich bekam sie einfach nicht zum greifen. Ich fühlte mich wie in einen Raum, wo es weder Schall noch Echo gab.
Ich fühlte weder Panik noch Angst, auch wenn es beunruhigend sein sollte, das mir jemand mein Herz rausschneiden und mich dann ausbluten lassen wollte.
Ich fühlte einfach nur Ruhe, mein Körper fühlte sich fremd an,
ICH fühlte mich fremd an!
Ich bekam nur leise mit , wie jemand auf mich einredete, aber ich ignorierte es einfach.
Ich stand an einer Reling und schaute auf den stillen Ozean, wo nur vereinzelt Möwen auf mich zu kamen, als Zeichen eines nahenden Unwetters.
Stille, schwerwiegende Stille umhüllte mich, wie ein Mantel aus Samt.
Ich spürte ganz sanft ein ruckeln an meinen Schultern, danach umfassten zwei Hände mein Gesicht, die versuchten meinen Kopf aufzurichten, der immer noch auf das Papier  fokussiert war. Das Papier wurde von meinen verkrampften Händen umfasst, das einzige Anzeichen dafür, dass immerhin, mein Unterbewusstsein verstand, dass ich in Gefahr war und Panik schob.
Eine weitere Hand, Jimins Hand, holte mich aus meinem Raum zurück in die Realität.
"Tae? Alles in Ordnung?", ich nickte nur, nicht fähig eine Antwort zu formen, setzte  ich mich mit wackligen Beinen in Bewegung. Kurz darauf spürte ich, durch den Stoff meines Pullovers, die kalte Wand an der ich runter rutschte.
Jimin trat zu mir und tätschelte meine Schulter.
Mein Blick war starr gerade aus gerichtet.
Der Eingangsbereich wurde durch das einfallende Sonnenlicht erhellt, was mich an die Galeriebilder des  Museum erinnerte, die immer so warm und geborgen aussahen.
Wie durch einen ironischen Zufall strahlte genau ein Bündel aus Licht die Box mit dem toten Leib an, welches sie erhaben aussehen ließ und den Raum noch mehr einen mystischen Hauch gab, wie in einer Kirche, wo das vermeintliche Grab eines Heiligen beleuchtet wurde.
Der Unterschied zu unserer Situation aber war, dass es bei uns ein toter Vogel war, der meinen 'Mord' oder was auch immer bildlich darstellen sollte.
Ich würde mich nicht als den lebensfreudigsten Menschen vorstellen, eher als Pessimist, deswegen fühlte sich der ganze Raum vermutlich recht schnell nicht mehr kirchlich an, sondern wie eine Grabhalle, kalt, nass und genau diese Kälte kroch nun in meine Knochen.  Ich stellte mir vor, wie etwas anderes dort lag, in einem größeren Grab.
Herzlos, zum ausbluten zurückgelassen, wie eine zum Ritual geopferte Ziege, die Augen milchig auf einen Punkt in der Ferne gerichtet.
Es begann mit einem schmunzeln.
Dann folgte ein Grinsen und schnell verwandelte es sich zu einen Lächeln.
Jimin wich zurück und schaute mich panisch an, "Tae? Alles in Ordnung?", fragte er erneut, was  ich dieses Mal mit einen schütteln quittierte und dann fing ich an zu lachen, mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.
Mein Kopf fiel in den Nacken und mein ganzer Körper erbebte. Ich lachte, wie seit Tagen nicht mehr, alles kam hoch, das Mobbing, die Prügel, die Drohungen und jetzt auch noch der tote Vogel.
Ich kicherte hysterisch und griff mir dabei in die Haare, die ich nebenbei raufte.
Es war zum verrückt werden!
Jimin und Appa schauten mich beide, blass wie Gespenster an, was mir einen weiteren Schub gab. Ich fiel lachend zur Seite, mein ganzer Körper zitterte, aber ich konnte nicht aufhören zu lachen.
Sie mussten mich für Wahnsinnig halten.
Vielleicht war ich es auch.
Stimmen und Ketten, verzauberte Eltern!
Meine Rippe schmerzte und genau dieser Schmerz holte mich wohl zurück. Schwer atmend, aber immer noch leicht kichernd, rollte ich mich auf den Rücken und schaute die Decke an.
Dann schnippte mein Kopf zur Seite und fokussierte Jimin, der wegen meinem Blick zurückwich, denn dieser spiegelte vermutlich den Blick eines Verrückten. Ich richtete mich auf und saß im Schneidersitz.
Hinter mir raschelte es und eine Tür wurde aufgeschlagen.
Es erschien eine recht athletische Frau, mit langen dunkelbraunen gewellten Haaren, die zu einer halben Hochsteckfrisur aufgerichtet waren.
Sie sah aus, wie eine griechische Göttin, so eine Eleganz versprühte sie.
Hinter ihr stand Eomma, die wohl irgendwann zwischendurch den Raum verlassen hatte.
Sie räusperte sich, "Darf ich vorstellen, Jeon Pallas Athena...Polizeichefin" und das gab mir den Rest und ich brachte einen erstickten belustigten Laut heraus bevor ich mich aufrichtete und kopfschüttelnd ging.
Jimin folgte mir und wollte mich vermutlich aufhalten, aber das ließ ich nicht zu.
Ich lief einfach weiter durch die langen Flure.
Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Das alles war ein riesengroßer Witz!

Wörter:859

Stolen Mirror TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt