Luna

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Luna

Snape legte, bevor er die Krankenstation endgültig verließ, noch einen Überwachungzauber über den Jungen. Zwar wusste er, dass Poppy das gleiche getan hatte, aber trotzdem wollte er sichergehen, dass er informiert wurde, falls etwas passierte.
Es war schon eigenartig, vor noch nicht mal zwei Tagen hätte er den Jungen am liebsten als Tränkezutat verwendet und jetzt wollte er ihn am liebsten gar nicht mehr aus den Augen lassen. Er mochte es zwar eigentlich nicht zugeben, aber Harry hatte seinen Beschützerinstinkt geweckt und das in einem Ausmaß, von dem er gar nicht gewusst hatte, das es möglich war.
Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendjemanden anders ging, wenn er den Kleinen sah. Zumindest nicht, wenn man noch alle seine Sinne beisammen hatte.
Aber nicht nur sein Beschützerinstinkt lief auf Hochtouren. Schon gestern hatte er gemerkt, dass er den Jungen für seine Stärke bewunderte, denn er wusste, er hätte sie nicht gehabt. Und sein Respekt steigerte sich noch weiter, als Harry ihm von seiner Vergangenheit erzählte. Irgendwie erfüllte es den Tränkemeister mit Stolz, dass der Kleine gerade ihm so sehr vertraute, um ihm diese ganzen schrecklichen Dinge zu erzählen. Und Snape hatte auch nicht vor, dieses Vertrauen zu enttäuschen.
Zwar hatte der Lehrer noch so viele Fragen an seinen, wie es schien, hochbegabten Schüler, aber er wusste, er musste behutsam vorgehen. Aber er war wirklich neugierig: Wie hatte Harry es geschafft, unbemerkt die benötigten Tränke für seine Verletzungen zu brauen? Denn bei seinen konnte er sie mit Sicherheit nicht hergestellt haben. Auch fragte er sich, wo der Junge alle benötigten Zutaten her hatte. Aus seinem eigenen Vorratsschrank waren sie nicht, so viel wusste er. Severus war sich außerdem sicher, dass Harry sehr wohl wusste, zu welchen Gelegenheiten er welche Verletzung bekommen hatte, so was vergaß man nicht. Aber er verstand auch, dass der Jugendliche nicht gerne darüber sprechen wollte. Sie mussten ihm alle einfach Zeit lassen.
Als Snape in seinen Räumen ankam, suchte er erst mal die Schreibutensilien zusammen, um die ihn der Junge gebeten hatte. Danach ging er in seine Bibliothek, um das gewünschte Buch rauszusuchen. „Engel und ihre Nachkommen“. In diesem Buch wurden alle drei Wesen (Engen, Racheengel und Weißer Vampir) beschrieben. Er hatte dieses Buch mal durch Zufall in einem Antiquariat gefunden. Zwar hatte Snape selbst nur Auszüge daraus gelesen, fand es aber sehr gut geschrieben. Sicher würde Harry alle gewünschten Informationen daraus erfahren.
Nachdem er auch das Buch zu den anderen Dingen für seinen Schüler gelegt hatte, kam jetzt die unangenehmste Aufgabe. Er musste in den Grimmauld Place. Wie er diesen düsteren Schuppen hasste! Der Besitzer des Kastens und die derzeitigen Bewohner machten die Sache nur noch schlimmer. Aber er hatte es versprochen und er würde nicht einer jener Erwachsenen sein, der seine Versprechen dem Jungen gegenüber brach.
Er zog sich einen seiner imposantesten Umhänge an und floote ohne weitere Vorankündigung in das Hauptquartier.

‚Na großartig! Ich bin in der Hölle in Gryffindor-Rot‘. Das war das erste, was Snape dachte, als er aus dem Kamin im Wohnzimmer stieg. Überall im Raum waren Ordensmittglieder damit beschäftigt sich gegenseitig ins Wort zu fallen. Anderswo sah er Arthur Weasley und Remus, über einen ganzen Stapel Bücher und Pergamente gebeugt. Erstaunlicherweise sah es ganz so aus, als würden die Jugendlichen ihnen bei dieser Arbeit helfen. In einer anderen Ecke sah er Black, der wie verrückt auf McGonagall einredete. Und dann war da noch Dumbledore, der, wie es schien, gerade von einer wütenden Poppy und einen nicht minder gereizten Kobold zusammengefaltet wurde. Gut so, da konnte der alte Zausel sich gleich daran gewöhnen, denn Snape hatte nicht vor seinen Chef so ohne weiteres davon kommen zu lassen. Verfluchter Beschützerinstinkt, er benahm sich ja schon wie Fawkes! Der Tränkemeister überlegte noch, wie er sich am besten bemerkbar machen sollte, als er neben sich eine leicht verträumt klingende Stimme hörte.
„Guten Tag, Professor. Wie geht es Harry?“
„Guten Tag, Ms. Lovegood. Er ermüdet zwar noch schnell, aber ansonsten hat er keine Schmerzen. Er wird von Fawkes und seiner Eule bewacht und nicht aus den Augen gelassen.“
Luna gluckste bei dem Bild, das sich in ihrem Kopf bei der Vorstellung bildete.
„Harry hat Sie vermutlich darum gebeten nachzusehen, wie es uns geht.“ Dabei machte sie eine weit ausholende Geste, die den ganzen Raum einschloss.
„Ja, der Junge denkt einfach zu wenig an sich selbst. Er hat über Ihre Nachricht und das Paket allerdings sehr gefreut.“ Aus irgendeinem Grund widerstrebte es Snape, zuzugeben, dass der Junge sich nicht für die Lichtkugel bedankt hatte.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Professor, ich weiß, dass Harry dankbar für mein Paket ist. Er hat nur nichts gesagt, weil außer mir, Poppy und jetzt Ihnen, niemand weiß, dass er angst im Dunkeln hat.“
Überrascht hob der Tränkemeister die Augenbraue. „Nicht mal seine besten Freunde, oder der Flohteppich?“
„Ganz besonders nicht die drei. Hermine würde sofort versuchen, ihn zu irgendwelchen Therapien zu überreden und alle möglichen Bücher wälzen. Ron ist zwar nett, aber auch sehr unsensibel und vermutlich würde er es ohne böse Absicht weitererzählen. Was Sirius angeht, Harry liebt seinen Paten, aber er ist in vielen Dingen einfach noch zu kindisch, woran sicher auch Askaban mit schuld ist, aber sicher nicht nur.“ Luna sah ihren Lehrer dabei die ganze Zeit aus klaren Augen an. Nichts war mehr von der Verträumtheit zu sehen, für die sie normalerweise bekannt war. Snape beschloss, Harry bei Gelegenheit über sie zu befragen.
„Ich frage mich, wie er es geschafft hat, dass niemand aus seinem Schlafsaal etwas von seiner Angst mitgekommen hat?“
„Das ist ganz einfach. Harry hat die Vorhänge seines Bettes immer so verhext, dass weder Licht noch Geräusche nach außen dringt. Das waren übrigens die ersten beiden Zauber, die er gelernt hat. Sie sollten mal seinen Lumos sehen, damit könnte man diesen ganzen Raum hier beleuchten.“
„Wenn der Junge solche Angst im Dunkeln hat, verstehe ich aber immer noch nicht, warum er ständig in der Nacht durch das Schloss wandert.“ Diese Frage beschäftigte Snape schon, seit er heute Morgen die Lichtkugel das erste Mal gesehen hat.
„Durch den Lumos ist es ja nicht dunkel. Und herumstreunen tut er nur, um seine Zimmergenossen durch seine Schlaflosigkeit nicht zu stören.“ Luna lächelte ihn versonnen an, während sie diese Antwort gab.
Dieses Mädchen schien den jungen Potter, oder Evans wie er jetzt genannt werden wollte, wirklich besser zu kennen, als jeder andere. Snape konnte nichts dagegen tun, aber irgendwie störte in diese Tatsache. Er kam im Moment nur nicht darauf, warum. Er beschloss erst mal, noch eine Frage zu stellen, die ihn seit heute Morgen interessierte. „Sie und Harry sind ein Paar?“
Auf diese Frage hin fing Luna leise an zu kichern. Ihr Lehrer hob darauf hin wieder seine Augenbraue. Was bitte war an dieser Frage so lustig?
„Entschuldigung, Professor, aber die Vorstellung von Harry und mir als Paar ist einfach zu komisch. Für mich ist Harry wie ein Bruder, wobei ich jetzt wohl eher kleiner Bruder sagen sollte, immerhin soll er ja wieder geschrumpft sein. Harry nennt mich auch oft seine kleine Schwester. Wir bedeuten einander sehr viel, aber über ein familiäres Verhältnis geht das nicht hinaus und das ist auch gut so."
Dass Luna noch aus einem ganz anderen Grund gelacht hatte, wollte sie ihrem Lehrer allerdings nicht sagen.
„Ich glaube, Sie sollten sich langsam bemerkbar machen, Professor, bevor die Zirper hier noch mehr Unruhe veranstalten", meinte sie nun wieder mit ihrer verträumten Stimme und sah dabei wieder, auf die übrigen Anwesenden.

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