Briefe - Verzweiflung - Neuer Hass

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Briefe – Verzweiflung – Neuer Hass

Harry stolperte sehr unelegant aus dem Kamin und hätte wohl nähere Bekanntschaft mit dem Boden des Direktorenzimmers gemacht, wenn Snape ihn nicht am Arm gepackt hätte.
Wie er diese Art der Fortbewegung doch hasste, nun gut, mit Ausnahme vom Fliegen, egal womit, konnte er keiner magischen Reisemöglichkeit etwas abgewinnen. Aber vor allem das Flohen bereitete ihm Schwierigkeiten, besonders bei seinem jetzigen körperlichen Zustand war es alles andere als ratsam durch zig Kamine geschleudert zu werden. Aus diesem Grund musste er sich auch sehr beherrschen, um bei Snapes festem Griff, den dieser zwar sofort wieder löste, nachdem Harry sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte, nicht aufzuschreien, ein leichtes Keuchen konnte sich der Junge aber leider doch nicht verkneifen. Was ihm den snapeschen Blick schlecht hin einbrachte, soll heißen eine bis zum Haaransatz hochgezogene Augenbraue, wobei sich das restliche Gesicht nicht einen Millimeter bewegte, so als hätte die Braue ein Eigenleben und versuche aus ihrem Gesichtsgefängnis zu fliehen. Wie machte der Kerl das bloß?
„Hallo Harry, mein Junge, schön dich zu sehen, wie geht es dir?“
Aus seinen Überlegungen gerissen, sah Harry sich nach der vertrauten Stimme des Direktors um und fand diesen, freundlich lächelnd, hinter seinem Schreibtisch sitzen. Der Junge fragte sich, wie schon so oft, ob sein Direktor nicht doch farbenblind war, anders konnte er sich die Farbkombination von dessen Kleidung, bei der jedes Chamäleon kapituliert hätte, nicht erklären.
„Guten Morgen, Professor, mir geht es sehr gut (was gelogen war). Ich hoffe doch, Ihnen allen auch?“ Mit diesen Worten sah sich Harry nun im Raum um. Rechts neben Dumbledore saß, ihn freundlich anlächelnd, seine Hauslehrerin und Löwenmutter, auf der linken Seite des Direktors thronte der Gringotts-Angestellte Griphock, ebenfalls lächelnd, was man aber nicht merkte, wenn man die Kobolde nicht wirklich gut kannte, denn das durchaus freundliche Lächeln sah durch die spitzen und langen Zähne und den breiten Mund eher wie ein wölfisches Grinsen aus.
Das erste Mal, als Harry von einen Kobold auf diese Weise angelächelt wurde, kam er sich vor wie ein Kaninchen, das als nächste Hauptmahlzeit auserkoren wurde.
Mittlerweile war er allerdings an diese Geste gewöhnt, da er, was keiner wusste, in den Sommerferien zu seinem dritten Hogwarts Jahr nicht nur in der Winkelgasse herumgestreunt war, sondern auch sehr oft die Bank aufgesucht hatte, um mehr über seine Konten und generell über die Gesetzte der Zauberwelt zu erfahren.
Bei diesen Gesprächen stellte sich heraus, dass sich die Kobolde nicht nur mit Geld auskannten, sondern dass sie auch sehr viel über Geschichte wussten und zudem außerordentlich gut und unterhaltsam erklären konnten. Alles Fähigkeiten, die Professor Binns mehr als nur fehlten, ganz im Gegenteil sie schienen regelrecht vor dem Geist zu fliehen, wie Katzen vor einem Schaumbad.
Auf jeden Fall hatte Harry, während der Gespräche mit Griphock und den anderen Kobolden, sehr viel über deren Kultur und Leben herausgefunden, er merkte dabei, was für liebe, intelligente und witzige Wesen es doch waren.
Harry konnte also mit Recht behaupten, sich mit den Kobolden und da allen voran mit Griphock angefreundet zu haben, eine Tatsache auf die er sehr stolz war, vor allem, da Gorgok der Direktor von Gringotts ihm erzählt hatte, dass nur sehr wenige Zauberer sich die Mühe machen, andere Wesen kennen zu lernen. Noch etwas, dass der Jugendliche an dieser Welt nicht verstand.

„Harry, mein lieber Junge, setz dich doch.“
Völlig neben sich starrte Harry in die ihn auffordernd ansehenden Gesichter der Erwachsenen.
Bei Morganas Damenbart war das peinlich, in letzter Zeit schien er ja nur noch in seinem Kopf zu leben.
Mit bis zum Haaransatz rotem Gesicht und glühenden Ohren setzte der Junge sich auf den ihm angebotenen Stuhl, links von ihm saß bereits Professor ich-starr-dich-in-die-Vergessenheit Snape. Oh Freude!
Zu Harrys Erleichterung kam, sobald er es sich bequem gemacht hatte, auch schon Fawkes angeflogen, der bis jetzt auf seiner Stange sitzend alles beobachtet hatte, und ließ sich wie immer auf Harrys Schoß nieder, sodass er sich hinter dem weichen Gefieder des Vogels verstecken konnte und so vor den bohrenden Blicken verschont blieb. Fawkes sang einige Noten und schloss genießend die großen Augen.
„So, da jetzt alle da sind möchte jemand Tee“, kam es da auch schon von Dumbledore. Nachdem alle eine Tasse und Kekse, die Harry versuchte zu ignorieren, vor sich stehen hatten, sah der Jugendliche fragend zwischen den vier Erwachsenen umher, bevor sein Blick an Griphock hängen blieb.
„Sir Griphock, warum haben Sie in Ihrem Brief geschrieben, dass Sie mich im Schloss sehen wollen? Ich meine, obwohl Vol…" Er hörte das erschrockene Aufkeuchen von McGonagall und links neben sich ein Knurren, als er den von so vielen gefürchteten Namen aussprechen wollte.  Also brach er ab und versuchte es noch mal. "…Riddle, wieder auferstanden ist, bedeutet das doch sicher nicht, dass es schon so gefährlich geworden ist, dass man nicht mehr auf die Straße gehen kann. Ich wäre gerne zu Ihnen in die Bank gekommen.“
„Meine Bitte um Ihr Erscheinen im Schloss hat nichts mit dem Unnennbaren zu tun. Es handelt sich um eine sehr private und vor allem heikle Angelegenheit die Sie, Mr. Potter, betrifft. Deswegen habe ich auch Ihre Professoren gebeten, bei dem Gespräch dabei zu sein, um uns bei der Lösung zu helfen.“
Harry sah den Kobold, der mit einem Mal so aussah, als würden ihm gleich die Tränen kommen (was anscheinend niemand außer ihm und Fawkes, der in der Zwischenzeit wieder die Augen geöffnet hatte und dem Gespräch interessiert zu folgen schien, bemerkte), nun doch sehr beunruhigt an.
„Sir Griphock, bitte, sagen Sie mir was passiert ist.“ Harry merkte, wie jeweils eine Augenbraue der drei Lehrer synchron nach oben Richtung Haaransatz wanderte. Er fragte sich, ob diese Fähigkeit ein Muss war, um an dieser Schule als Lehrer aufgenommen zu werden. Denn nicht nur gingen die Augenbrauen gleichzeitig und in derselben Geschwindigkeit in die Höhe, nein, alle drei bewegten die gleiche, also die rechte, Augenbraue.
„Mr. Potter, das ist jetzt schon das zweite Mal, dass Sie Mr. Griphock mit dem Rittertitel ansprechen, ist Ihnen das klar?“ 
Harry blickte zu Hogwarts eigener Fledermaus, von der der Kommentar kam, lächelte und sagte mit Unschuldsmiene: „Natürlich bin ich mir dessen bewusst, Professor. Ich spreche Sir Griphock mit dem Rittertitel an, weil er einer ist. Jeder Kobold ist adelig.“ Harry musste bei den erstaunten Gesichtern der anderen an sich halten, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.
Ja es war durchaus lehrreich gewesen, sich so viel mit diesen Wesen zu beschäftigen. Dadurch wusste er auch, dass die Kobolde deswegen alle adelig waren, da die Zauberer bei den Koboldaufständen fast deren ganzes Volk, oder auch Untertanen ausgelöscht hatten. Als Dank für ihren Einsatz und um das noch verbliebene Volk zu schützen, beschloss der König der Naturwesen (zu welchem die Kobolde gehören) die verbliebenen Kobolde alle in den Adelsstand zu erheben. Eine Tatsache die unter Zauberern anscheinend nicht bekannt war. Irritierend, wenn man bedachte, dass es doch die Handlungen der Menschen waren, die diesen Schritt erst notwendig gemacht haben.
Harry, der zu Griphock hinübersah, bemerkte dessen verschmitztes Lachen, sah aber dass dieser sofort wieder ernst wurde.
„Mr. Potter, bereits vor Ihrer Geburt kam Ihr Vater zu uns, um einen Vertrag betreffend Ihrer, nennen wir es Zukunft, aufzusetzen, er bat Lugo, meinen Vorgänger, dabei um Stillschweigen. Nach Ihrer Geburt besuchte Ihr Vater Gringots nochmals, um einige Änderungen in dem Vertrag vor zu nehmen, da sich in der Zwischenzeit in einigen Punkten die Gesetzeslage geändert hatten.
Dieser Vertrag wird einen Tag nach Ihrem 15 Geburtstag in Kraft treten.“
„Wenn Mr. Potter Gringotts um Geheimhaltung gebeten hat, warum erzählen Sie uns jetzt davon? Wenn ich richtig verstanden habe, sollte die Bekanntgabe doch erst in einer Woche sein.“ Es war das erste Mal, dass Harry Professor McGonagall an diesem Morgen überhaupt das Wort ergreifen hörte. Aber was sie sagte, ergab durchaus Sinn, denn die Kobolde waren bekannt dafür, die Wünsche ihrer Kunden, sofern sie nicht illegal waren, aufs peinlichste zu beachten und auszuführen. Wenn er sich die Gesichter der anderen beiden ansah, las er darauf ebenfalls nicht verstehen. Wobei bei Snape noch Abscheu hinzukam, wie immer, wenn James Potter erwähnt wurde.
„Da haben Sie natürlich Recht, Madam, und normalerweise würden wir auch nichts tun, was dem Namen unseres Hauses schaden könnte. Allerdings kam nach Mr. Potter Seniors zweitem Besuch Mrs. Potter zu uns und hat unsere Mitarbeiter ausdrücklich darum ersucht, ihrem Sohn, falls sie selbst nicht mehr in der Lage dazu sein sollte, von den Plänen ihres Ehegatten zu berichten und ihm eine Kopie des Vertrages, sowie einen Brief, der am 1. August, nach seinem 15. Geburtstag, vom Tagesprophet gedruckt werden sollte, zu überreichen. Sie bat uns auch, ihrem Mann nichts von ihrem Besuch bei uns zu erzählen.
Dazu gab sie uns noch einen Brief, der an Sie, Mr. Potter, adressiert ist. Sie sollten den Brief Ihrer Mutter als erstes lesen, damit Sie den Rest besser verstehen.“
Mit diesen Worten überreichte er dem Jüngsten in der Runde die drei Dokumente. Harry nahm diese etwas verstört an. Warum sollte seine Mutter hinter dem Rücken seines Vaters eine Übereinkunft mit den Kobolden treffen? Neugierig geworden, öffnete er den Brief seiner Mutter.

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