Ich habe Angst (1)

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Ich habe Angst, Teil 1

Sobald Snape wieder in seinen Räumen war, schnappte er sich Buch und Schreibzubehör und ging gleich weiter in die Krankenstation.
Gut, zwar musste Harry den Brief an Gripock nicht mehr schreiben, aber vielleicht brauchte er sie ja später noch.
Oh Merlin, er war immer noch wütend, wenn er an Blacks dämliche Aussagen dachte. Er hoffte für diesen Köter wirklich, dass der sich bei der nächsten Begegnung mit Harry benahm. Ansonsten würde Snape ihn in die nächste Woche hexen. An den Direktor wollte der Tränkemeister gar nicht erst denken. Schon gar nicht, wenn er mit seiner Laune dann vielleicht noch den Jungen erschreckte.
So riss er sich zusammen und konzentrierte sich auf die Fragen, die er Harry bezüglich Luna stellen wollte.

Als Snape wenig später den Krankenflügel betrat, sah er, wie der Kleine gerade versuchte, die Tränke die ihm Poppy hinhielt, mit Blicken zu erdolchen. Bei Harrys jetzigem Aussehen hatte das aber so ziemlich gar keinen Effekt. Ganz im Gegenteil, es erinnerte den Professor eher an einen Katzenwelpen, der einen Baum anfauchte.
Nachdem der Junge die Medizin runtergewürgt hatte, stellte die Krankenschwester ihm gleich einen Teller mit leichter Suppe hin. Im Hinausgehen lächelte Poppy Snape noch zu, dann war sich auch schon wieder in ihrem Büro verschwunden.

Snape setzte sich auf den Besucherstuhl, der neben dem Krankenbett stand. Kaum dass er saß, begrüßte ihn schon leises Vogelgeschnatter, was Harry dazu brachte, den Kopf zu heben.
„Hallo, Harry, lassen Sie sich von mir nicht stören, essen Sie ruhig weiter.“ Er hatte seinen Satz kaum beendet, als ein leises Plopp ertönte. Direkt neben ihm war Dobby erschienen und hielt ein Tablett mit Essen in den Händen.
„Guten Tag, Mr. Snape, Sir. Madame Pomphrey hat gesagt, Sie sollen das hier essen. Wenn nicht, lässt sie Sie nicht mehr zu Mr. Harry Potter, Verzeihung (er warf einen Entschuldigenden Blick auf den Harry) Mr. Evans Sir.“
Snape quittierte das nur mit einer hochgezogenen Augenbraue. Nickte dann aber doch geschlagen. Er wusste, dass Poppy ihre Drohung wahr machen würde. Diese Frau war schlimmer als jede Drachenmutter.
Zufrieden stellte der kleine Hauself das Tablett auf den Nachttisch, lächelte Harry noch mal zu und verschwand wieder.
Harry versuchte vergeblich, sich ein Lachen zu verkneifen. Es war aber auch zu komisch, den gefürchtetsten Lehrer von ganz Hogwarts so abgekanzelt zu erleben. Auch Fawkes und Hedwig plusterten belustigt ihr Gefieder. Als Snape die beiden Vögel daraufhin mit einem strengen Blick bedachte, fingen die beiden an laut loszugackern. So eine Frechheit, jetzt musste er sich schon von Vögeln auslachen lassen! Wenn das einer seiner Schüler erfuhr, Harry ausgenommen, konnte er seinen Ruf in der Pfeife rauchen. Ein Blick auf den Jungen zeigte, dass wenigstens dieser den Anstand hatte, sich wieder seinem Essen zu widmen.

So konzentrierten sich beide erst mal auf ihr Essen. Wobei diese gefiederten Nervensägen sich immer wieder Essen von Snapes Teller klauten, Harrys hingegen ließen sie wohlweislich in Ruhe. Eines musste der Lehrer schon zugeben, diese beiden Tiere waren unglaublich auf die Gesundheit des Jungen bedacht. Und sie waren auf jeden Fall aufmerksamer, als die meisten Menschen, die Snape kannte.

Nachdem beide ihre Mahlzeit beendet hatten und das Geschirr mit einen Plopp wieder verschwunden war, wandte sich Harry an seinen Lehrer.
„Poppy hat mir erzählt, was beim Orden passiert ist. Es tut mir Leid, ich habe ganz vergessen, wie kindisch Sirius sich benehmen kann.“
„Sie müssen sich überhaupt nicht entschuldigen. Ich kenne Ihren Paten gut genug um zu wissen, das ein vernünftiges Gespräch mit ihm so gut wie unmöglich ist.“
„Ich denke, Askaban hat seine geistige Entwicklung um Jahre zurückgeworfen. Er ist manchmal einfach immer noch Kind. Und dass er nicht darüber sprechen will, macht es auch nicht besser.“ Harry lachte bitter auf, als ihm klar wurde, was er da gerade gesagt hatte. Gerade er musste reden, wo er doch selbst jahrelang geschwiegen hatte.
Snape schien zu merken, was dem Jungen gerade durch den Kopf ging. Sagte aber nichts. Für ihn gab es zwischen Harry und Black ein paar gewaltige Unterschiede. Was schon mal damit anfing, dass dem Köter damals, als er geflohen war, wirklich jeder helfen wollte. Den Jungen hingegen hatten alle schön sich selbst überlassen.
„Wissen Sie, Remus versucht ständig an Siri ranzukommen, bisher ohne Erfolg. Ich hoffe nur, dass es ihm irgendwann gelingt, denn ich habe nicht die Kraft dazu.“
Allein die Vorstellung, die dämliche Töle könnte versuchen, den kleinen auch noch mit seinen Problemen zu belasten, verursachte bei Snape Mordphantasien. Bevor er das zuließ, würde er Black in seiner Hundeform jedes einzelne Haar ausreisen, daraus einen Zaubertrank machen und ihn dann dazu zwingen, diesen zu trinken. Sollte sich doch der Wolf um den Köter kümmern, gehörten beide ohnehin fast zur gleichen Gattung.
Um sich aus seiner düsteren Stimmung zu befreien, wandte er sich wieder seinem Gesprächspartner zu.
„Ihren Freunden geht es allen soweit gut. Ms. Granger geht es sogar zu gut, sie wollte mir doch tatsächlich Ihre Hausaufgaben mitgeben.“
Auf diese Aussage hin erntete der Professor schallendes Gelächter von Harry. Der konnte sich nur zu gut vorstellen, wie seine übereifrige Freundin mit seiner Schultasche vor ihrem Lehrer stand. Vermutlich hat sie nicht mal gemerkt, was sie da gerade tat, das war einfach so typisch Hermine.
Zwar fand Snape das Verhalten von Granger alles andere als amüsant, aber er freute sich doch, seinen Schüler so ausgelassen lachen zu sehen. Der Junge hatte den Kopf in den Nacken geworfen, seine Augen blitzten in einem wunderschönen Grün, das nicht mal seine Brille verstecken konnte. Wo er gerade darüber nachdachte, der Junge brauchte ganz dringend eine neue Brille. Das Gestell, das er im Moment auf der Nase hatte, war schon mehrfach geklebt worden. Hatte er etwa vergessen, dass er ein Zauberer war?
„Harry, warum haben Sie Ihre Brille nicht mit Zaubern repariert?“
Harrys Lachen stoppte abrupt und er sah seinen Lehrer verlegen an.
„Doch, habe ich, aber dieses Ding ist schon so oft kaputt gegangen, ich glaube nicht, dass es noch einem weiteren Zauber stand halten wird.“
Da Snape genau sah, wie peinlich dem Jungen das war, beschloss er, wieder auf das eigentliche Thema zurückzukommen.
„Ich habe im Grimauld Place Gripock gesprochen und ihm Ihr Anliegen gleich mitgeteilt. Er meinte, er wird sich darum kümmern.“ Harry nickte seinem Lehrer dankbar zu.
„Ach ja, Ms. Lovegood hat mir eine Tasche mit Ihren Sachen mitgegeben, von denen sie meinte, Sie würden Sie brauchen.“ Damit reichte er dem Jungen besagte Tasche weiter. Wieder lächelte Harry, Luna dachte einfach an alles. Als er hineinsah, um festzustellen, was ihm seine Schwester, wie er sie nun schon seit einem Jahr nannte, eingepackt hatte, fand er darin nicht nur Kleidung und Hygieneartikel, sondern auch einige Bücher. Neugierig geworden, holte er sie heraus. Insgesamt waren es vier Stück. Zwei Romane, einen aus der Muggle- der andere aus der Zauberwelt, dann noch eines über magische Tiere. Als er das vierte Buch sah, das Luna eingepackt hatte, musste er wieder lächeln. Er wusste, was seine Freundin damit bezwecken wollte, schlaues Mädchen. Er stellte alles, bis auf das vierte Buch, zur Seite.
Als er wieder zu seinem Professor blickte, sah er, dass Luna wieder mal richtig gelegen hatte.
Snape konnte es nicht fassen. Dieses Tränkebuch, ‚Tränke der Antike‘, suchte er nun schon seit Jahren und hier war es, direkt in den Händen eines vergnügt grinsenden Jugendlichen.
„Wo um Merlins Willen haben Sie dieses Buch bloß gefunden?“
„Ich habe es vor zwei Jahren in einem Geschäft für Pflanzenzubehör gefunden. Fragen Sie mich nicht, was es dort zu suchen hatte. Zwar wusste ich, dass es sich dabei um ein seltenes Exemplar handelt, aber wie selten, fand ich erst ein halbes Jahr später, in Ihrem Unterricht heraus.“ Dass Harry sich damals sehr zusammennehmen musste, um Snape nichts von seinem kleinen Schatz zu sagen, behielt er dabei schön für sich.
Harry reichte seinem Lehrer das Buch, welcher es ehrfürchtig in die Hand nahm.
Während der Tränkemeister also beschäftigt war, schnappte Harry sich das Buch, welches sein Lehrer ihm mitgebracht hatte, und begann nun ebenfalls zu lesen.

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