Lehrstunde für den Lehrer

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Lehrstunde für den Lehrer

Am nächsten Morgen war Harry der erste, der aufwachte, er war es von seinen Verwandten gewohnt, früh aufstehen zu müssen.
Als erstes bemerkte er natürlich seine kuschlige Unterlage. Als nächstes, wie sollte es anders sein, seinen Schweif. Schlief dieses Ding eigentlich nie? Ohne groß darüber nachzudenken, versuchte der Junge seine ‚Zündschnur’ willentlich zu bewegen, was ihm auch überraschend gut gelang. So fing er nach einiger Zeit an, mit der Schweifspitze auf den Bauch seines Gatten zu tippen, langsam fing das richtig an, Spaß zu machen. Harry versuchte sogar, sein Anhängsel wie einen Greifschwanz zu verwenden, er ringelte die Spitze ein und zupfte dabei an der Decke. Das war zwar anstrengend, aber, wenn er länger übte, sicher irgendwann machbar. Während seiner ‚Morgengymnastik’ zeichnete der Grünäugige gedankenverloren Muster auf Severus’ Brustkorb. Dieser wurde von den ungewohnten Berührungen geweckt. Der ach-so-böse Tränkelehrer richtete seinen Blick nach unten, um zu erfahren, was ihn geweckt hatte. Er musste ein Lachen unterdrücken, mit diesem Bild hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Eine Weile sah Severus dem Treiben seines Mannes noch zu, ehe er sich bemerkbar machte.
„Guten Morgen, wie lange werde ich denn schon als Fitnessgerät verwendet?“
Harry wäre bei der Frage beinahe aus dem, im Moment nicht vorhandenen, Fell gefahren. Erschrocken sah er auf.
„Entschuldigung, das war keine Absicht, das Ding (anklagender Fingerzeig auf den Schweif) hat sich schon wieder selbstständig gemacht. Ich wollte nur ein wenig üben.“
„Harry, das war ein Scherz. Es stört mich nicht, eigentlich ist es sogar recht angenehm, so geweckt zu werden.“
Der Junge sah ihn mit großen Augen an. Zwar hatte Harry in den letzten Tagen immer wieder bemerkt, dass der eigentliche Severus Snape ganz anders war als der Spion, den er bisher gekannt hatte. Es war allerdings immer noch ungewohnt, den sonst so unnahbaren Mann so ausgeglichen und zufrieden zu sehen. Der Gryffindor war sich sicher, dass das auch mit der Tatsache zusammenhing, dass sein Partner nun nicht mehr spionieren musste.
Severus konnte die Gedankengänge, die Harry beschäftigten, richtiggehend an seinem Gesicht ablesen, und auch seine Ohren verrieten dem Tränkelehrer einiges.
„Du weißt hoffentlich, dass es dir durch deine Ohren und den Schweif noch unmöglicher ist, deine Gefühle zu verstecken.“
„Die konnte ich vor dir ohnehin noch nie verbergen, zumindest die meisten nicht.“
Zum Ende des Satzes war Harry immer leiser geworden. Er sah, dass sich Severus’ Blick verdüstert hatte, dieser dachte dabei sicher an die Dursleys, zum Glück für Harry.
Plötzlich hörten die beiden lautes, wütendes Eulengekreische aus dem Nebenzimmer.
„Was in Merlins Namen ist denn jetzt schon wieder passiert?“
Severus war, wie von Teufeln gejagt, aus dem Bett gesprungen und griff bereits nach seinem Zauberstab. Harry hingegen kletterte ihm gemächlich hinterher, nichts in seiner Haltung deutete auf Panik hin.
„Kein Grund zu den Waffen zu greifen. So reagiert Hedwig meistens, wenn sich ihr unbekannte, oder unwillkommene, Eulen nähern. Sie ist da etwas eigen, sogar die Schul- und Ministeriumseulen versucht sie immer zu verscheuchen, ganz besonders wenn sie mir zu nahe kommen.“
Mit dieser neuen Information kam sich Severus nun ziemlich bescheuert vor. Immerhin stand er hier im Schlafanzug und mit gezücktem Zauberstab, als würde er Voldemort vor der Tür erwarten. Er beschloss, das was von seiner Würde noch übrig war, zusammenzukratzen und seinem kichernden Ehemann zu folgen. Dennoch dachte der Ex-Spion gar nicht daran, seinen Zauberstab abzulegen, hatte er doch schon Bekanntschaft mit den scharfen Schnäbeln von Harrys Beschützern gemacht.
Noch immer in Gedanken merkte Severus nicht, dass sein Kater vor ihm stehen geblieben war und rannte ziemlich unelegant in diesen hinein. Und natürlich warf er den schmächtigen Jungen dabei fast um – Merlin, ging es noch peinlicher?
Seine Selbstzerfleischung unterbrach er aber sofort, als er sah, warum Harry so plötzlich stehen geblieben war.
In ihrem Wohnzimmer war nicht nur eine fremde Eule, sondern gleich dutzende.
„Was bei Morganas Damenbart...?“
„Gute Frage.“
Harry ging weiter in den Raum hinein, und nachdem er seine aufgebrachte Hedwig beruhigt hatte, richtete er sich an den gefiederten Überfall. Kurzentschlossen ging er auf die einzige Eule zu, die er kannte.
„Na, Pig, was bringst du mir denn schönes?“
Der kleine Elfenkauz flatterte aufgeregt vor Harry auf und ab, wie immer, wenn er etwas auszuliefern hatte. Was dem Kleinen an Größe fehlte, machte er durch Temperament wieder wett. Hm, irgendwie wie bei Harry selbst.
Nachdem der Katzenjunge die Eule gefangen hatte, nahm er ihr die, zugegebenermaßen, große Last ab. Severus hatte in der Zwischenzeit, durch einen Zauber, den übrigen Tieren ihre Last abgenommen. Diese stapelte sich nun auf dem Wohnzimmertisch. Neben einer Unmenge von Briefen lagen da noch einige Pakete und zwei Tagespropheten.
Kurz wurden die Eulen mit Keksen und Wasser versorgt und nachdem sie sich wieder auf die Heimreise gemacht hatten, wandte sich Harry nun als erstes an das Päckchen von Pig.
In einer beigelegten Karte stand:
„Als kleines Hochzeitsgeschenk von Hermine und Ron.“
Erfreut öffnete Harry das Päckchen, er hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass die beiden ihnen etwas zur Hochzeit schenken würden. Vor allem wenn man die ablehnenden Reaktionen bedachte.
Die gute Laune des Gryffs verflog allerdings schlagartig als er sah, WAS das für ein Geschenk war.
„WAS ZUR HÖLLE HABEN DIE SICH DABEI GEDACHT? Verdammt, ich schneid sie in Würfel und verarbeite sie zu einem Zaubertrank! Die spinnen wohl.“
Severus war bei dem heftigen Ausbruch zusammengezuckt. So kannte er seinen Kleinen gar nicht, alarmiert drehte er sich zu seinem Mann um.
Der hatte ein mittelgroßes Buch in der Hand, das er gerade mit Blicken in Brand zu setzen versuchte, zumindest hatte der Tränkemeister diesen Eindruck. Er ging auf Harry zu und las über dessen Schulter den Titel auf dem Umschlag. Und jetzt konnte er die Reaktion seines Mannes nachvollziehen. Auf dem Umschlag stand in großen Lettern:
„Sex unter Homosexuellen. Wie er funktioniert und warum er Spaß macht.“
Harry knurrte mittlerweile vor unterdrückter Wut, das würde er den beiden nicht so schnell verzeihen. Als er sich aber der Präsenz von Severus bewusst wurde, lief er knallrot an. Oh Gott, er hatte den Titel auch gelesen und was noch schlimmer war, das Geschenk war ja für sie beide. Also musste zumindest Hermine davon ausgehen, dass ihr Lehrer es auch lesen würde. Harry stand wie erstarrt da, er traute sich nicht sich zu bewegen, geschweige denn sich umzudrehen.
Severus sah in welchem Dilemma sein Partner war und nahm ihm kurzerhand das Buch aus der Hand. Er richtete seinen Zauberstab darauf und verwandelte das Ding kurzerhand in eine Pflanze, so war der Baum wenigstens nicht umsonst gestorben. Dann drehte er sich wieder zu dem immer noch verstörten Katzenjungen.
„Ich habe es in der Vergangenheit schon einige Male gesagt und ich wiederhole es gerne noch einmal. Deine beiden Freunde sind ein Ärgernis.“
Damit überbrückte er die letzte Distanz und nahm seinen Kleinen in die Arme. Severus wusste ganz genau, dass es nicht um das Buch an sich ging, was seinem Mann so zusetzte. Es war das rücksichtslose Verhalten seiner beiden Freunde, das so an seinen Nerven zerrte.
Harry ließ sich nach kurzer Zeit in die Umarmung fallen, es freute ihn, das Severus nicht weiter auf die Sache einging. Obwohl er sich sicher war, dass Hermine und Ron sich noch einiges würden anhören können. Warum fiel es ihm nur so schwer, Mitleid mit den beiden zu haben?
Nach kurzer Zeit trennten sich die beiden wieder, auch weil Fawkes und Hedwig sich lautstark bemerkbar machten. Kurz darauf landete Hedwig auch schon auf Severus’ Schulter und zwickte ihm sanft ins Ohr, dann schmiegte sie noch ihr Köpfchen an den Tränkemeister und gurrte.
„Seit wann bist du denn so zutraulich mir gegenüber?“
Severus war etwas verwirrt über die plötzliche Anhänglichkeit der Eule.
„Das ist Hedwigs Art, dich in ihren Schwarm zu integrieren. Du weißt ja wie gluckenhaft sie ist, das macht sie nur bei Leuten, denen sie meinen Schutz anvertraut.“
„Na, in dem Fall freue ich mich natürlich, dass du mir so vertraust. Aber sag mal, wer gehört denn alles zu eurem Schwarm.“
Harry grinste etwas wölfisch, während er Severus dabei beobachtete, wie er seine Eule streichelte.
„Außer mir befindest du dich in der erlauchten Gesellschaft von Luna, den Zwillingen, Hagrid, Neville und Remus.“
Der Kerkermeister stoppte abrupt in seinen Bewegungen. Mit Luna und Hagrid hatte er ja gerechnet, seinetwegen auch noch der Wolf, aber die anderen und vor allem:
„Longbottom, du machst Witze, der Junge schafft es doch nicht mal, gerade auf der Schulbank zu sitzen, ohne beinahe einen Nervenzusammenbruch zu bekommen!“
„Neville ist nur bei dir so ängstlich, in den übrigen Fächern ist er zwar auch schüchtern, aber nicht so sehr. Außerdem, wenn es um seine Freunde geht, dann kann Neville auch ganz anders.“
Zwar blickte Severus noch ein wenig zweifelnd, beließ es aber dann dabei.

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