Hochzeit

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Hochzeit

„Daddy!!“
Ein blonder Wirbelwind sprang dem Neuankömmling begeistert in die Arme.
„Luna, mein Mädchen, schön dich zu sehen! Wie geht es meiner Kleinen?“
„Gut, Daddy, und Harry auch!“, plapperte das Mädchen fröhlich und zog ihren Vater auch gleich zu eben genanntem.
„Guten Tag, Mr. Lovegood. Schön, dass Sie wieder hier sind.“
„Hallo, Harry, ich freue mich auch. Aber ich muss schon sagen, ohne Lunas Briefe hätte ich dich gar nicht erkannt. Jetzt weiß ich auch, was sie mit ‚kleinem’ Bruder gemeint hat.“
Mr. Lovegood wuschelte Harry durch seine langen Haare.
Der Junge senkte leicht verlegen den Kopf. Nicht, wie die meisten dachten, weil ihn seine Größe störte. Nein, er war einfach solche Zuneigungsbekundungen nicht gewöhnt und obwohl er sich sehr darüber freute, hatte er immer Angst falsch zu reagieren.
Nun mischte sich auch Dumbledore ins Gespräch ein.
„Guten Morgen, Xenophilius, wie war dein Aufenthalt in Prag? Hast du deine Kontakte auffrischen können?“
„Ja, Professor, alles ist gut gelaufen, ich gebe Ihnen später einen genaueren Bericht. Aber im Moment interessiert mich die Hochzeit von Harry viel mehr. Ich habe zwar von Luna schon gehört, dass sie morgen sein soll, aber ich weiß nicht wo.“
Der Direktor blickte entsetzt zu Luna, er hatte doch gesagt, niemand dürfe etwas von der Sache wissen. Damit waren natürlich auch Briefe miteingeschlossen.
Luna, die diesen Blick genau richtig deutete, lächelte nur und meinte:
„Keine Angst, Direktor, Daddy und ich haben eine Geheimschrift. Selbst wenn ein Brief abgefangen worden wäre, könnte ihn außer Daddy mir und Harry niemand lesen. Und außerdem habe ich meine Briefe über Fawkes geschickt, und den Zauberer möchte ich sehen, der einen Phönix aufhält.“
Dumbledore atmete erleichtert auf. Für einen Augenblick hatte er wirklich schwarz gesehen.
Harry, der das Ganze amüsiert beobachtet hatte, richtete sich jetzt wieder an Lunas Vater:
„Die Hochzeit ist in Hogwarts, wir waren gerade dabei, unsere Sachen zu packen, weil wir heute schon hinreisen. Wenn Sie wollen, können Sie mit in Lunas und mein Zimmer kommen und wir erzählen ihnen alles.“

Xenophilius stimmte dem Vorschlag lächelnd zu. Er mochte den höflichen Jungen sehr gerne und dass er sich so gut mit seiner Tochter verstand, verstärkte seine Sympathie noch. Es machte ihm nicht das Geringste aus, dass die beiden ein Zimmer miteinander teilten, denn er kannte das innige geschwisterliche Verhältnis, das die Kinder zueinander hatten.
Es freute ihn zu sehen, wie Luna neben dem Jungen richtig aufblühte und wie der dunkelhaarige Wuschelkopf alle seine Masken fallen ließ, wenn er in der Gesellschaft seiner Kleinen war.
Diese Freundschaft war auch einer der Gründe, warum er sich dem Phönixorden angeschlossen hatte. Er wollte seine Tochter glücklich sehen und das ging eben nur, wenn sie wusste, dass es ihrem Bruder gut ging.

Während seinen Überlegungen waren die drei, oder sollte er besser sagen: fünf, mit den Vögeln in dem Zimmer der beiden angekommen. Und die fingen auch sofort an, ihre Taschen zu packen. Was in Harrys Fall leider nicht sehr viel war, wenn man von den ganzen Büchern absah.
„Nun, ihr beiden, dann klärt mich mal auf.“
„Alsooo, wenn sich zwei Menschen ganz, ganz, ganz, lieb haben, kann es vorkommen, dass sie...“
„Luna! Ich meinte nicht diese Art von Aufklärung. Ob du es glaubst oder nicht, du wurdest nicht vom Klapperstorch gebracht!“
Luna konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und setzte noch eins drauf:
„Egal was alle anderen sagen, ich glaube sehr wohl daran, dass mich der Storch gebracht hat, denn die Vorstellung, wie ich sonst zustande kam, beschert mir eine Gänsehaut.“
Als die beiden Teenager den Gesichtsausdruck des Mannes sahen, brachen beide in Gelächter aus, wovon sich der überrumpelte Erwachsene nach kurzer Zeit anstecken ließ.
Aber dann wurden alle drei wieder ernst. Und Harry und Luna fingen abwechselnd an zu erzählen, was während Mr. Lovegoods Abwesenheit passiert war.
Harry schloss mit der Erwähnung des Buches über Engel, Racheengel und Weiße Vampire.
„Ich war ziemlich überrascht, als ich gelesen habe, von wem das Buch stammt. Ihre Frau hatte wirklich viele Talente.“
Ein wehmütiges Lächeln schlich sich auf die Züge des blonden Mannes. Ja, seine Laura war schon etwas Besonderes. Luna riss ihn aus seinen Gedanken.
„Harry und ich haben uns überlegt, ob es in den Verliesen in Gringotts nicht vielleicht noch mehr Aufzeichnungen von Mama gibt. Wir würden sie gerne alle durchlesen.“
„Das ist eine wundervolle Idee, ihr beiden. Wenn ich das nächste Mal in die Winkelgasse komme, werde ich sie holen. Sie lagen wirklich schon viel zu lange unberührt in den Verließen. Und glaubt mir, da habt ihr was vor euch, denn meine geliebte Frau war eine fleißige Schreiberin.“
„Wenn auch nur die Hälfte von dem so ist wie das Buch, das ich bereits kenne, dann verspreche ich, ich werde meine erste Tochter nach deiner Mutter benennen.“
Kaum war sich Harry dessen bewusst, was er gerade gesagt hatte, verfärbte sich sein Gesicht auch schon wieder zu einem Rot, das mit Fawkes Federn in Konkurrenz treten konnte.
Wieder folgte herzhaftes Lachen.
Als das Packen beendet war und sie die beiden Schüler schon nach unten begeben wollten, hielt Mr. Lovegood sie noch mal zurück.
„Luna, ich habe dir was aus Prag mitgebracht. Ich glaube, du wirst sehr erfreut sein zu hören, dass ich einen gefunden habe.“
Luna fing an mit der Sonne um die Wette zu strahlen.
„Du hast wirklich einen Odradek gefunden!? Wo denn?“
„In Kafkas Geburtshaus. Da, wo ich ihn auch vermutet habe. Willst du ihn sehen?“
Eifriges Nicken antwortete ihm. Leise lächelnd holte Lunas Vater eine kleine Schachtel aus seiner Tasche und überreichte sie feierlich seiner Tochter.
Diese nahm das kostbare Päckchen vorsichtig entgegen und öffnete langsam den Deckel.
Aus dem Inneren hörte sie leise Geräusche, wie ein Faden, der sich auf eine Spule wickelt. Sie griff mit der Hand hinein und im nächsten Augenblick wickelte sich ein sternförmiges Wesen um ihre Finger.
Harry beobachtete die Erscheinung fasziniert. Er fragte sich, ob Kafka seine Geschichte geschrieben hatte, weil er dem kleinen Wesen begegnet war. Oder ob der Strohstern mit den Fäden entstanden war, weil Kafka seine Geschichte geschrieben hatte. Wenn der zweite Fall zutreffen würde, gab es dann vielleicht auch einen Fuchs mit langem Schweif, den man nie fangen konnte, oder ein Katzenlamm, das sich vertrauensvoll an einen schmiegte?
„Es sieht ganz so aus, als würde dem Kleinen seine neue Freundin gefallen. Wie willst du ihn denn nennen?“
Luna betrachtete den Odradek, der sich vorwitzig um ihre Haare schlang.
„Ich glaube, ich nenne ihn Zwirbel. Gefällt dir das?“
Der kleine Zwirbel tänzelte, wie zur Antwort, auf die Schulter des Mädchens und schlang einen Faden, wie eine Kette, mehrmals um ihren Hals.
„Ob er sich auch mit dem sprechenden Hut verstehen würde? Immerhin besteht der auch aus Fäden“, überlegte Harry laut.
„Ich weiß nicht, wir können sie ja mal zusammen bringen, wäre sicher lustig.“
„Schön, dass ihr beiden euch so gut versteht, aber ich glaube, wir sollten jetzt runter zu den anderen gehen.“
Harry und Luna nickten zustimmend. Sie nahmen ihre Taschen, Fawkes und Hedwig nahmen wieder ihre Plätze auf Harrys Schultern ein und schon machte sich die kleine Gesellschaft auf den Weg.

SchwarzweißWo Geschichten leben. Entdecke jetzt