Ankunft in der Winkelgasse

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Ankunft in der Winkelgasse

Harry hatte gerade seine Abendtoilette beendet und saß nun in seinen alten Schlafanzug auf dem Bett.
Fawkes und Hedwig hatten sich zu einem ‚Ausflug’ aufgemacht um zu jagen und sich die Flügel zu vertreten – oder sollte er besser sagen „verfliegen“? Egal, auf jeden Fall hatten die beiden sicher ihren Spaß, das freute den Katzenjungen. Immerhin sorgten sie sich ständig um ihn, da sollten sie auch mal Zeit für sich haben.
Harry richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Kästchen vor sich, es war die innen vergrößerte Schachtel mit seinen Heiltränken. Aber er hatte sie auch mit anderen Dingen gefüllt, die für ihn wichtig waren. Vor allem in den Sommerferien hatte ihm der Inhalt schon einige Male das Leben gerettet. Der Grünäugige war sich zwar sicher, dass seine Verwandten ihn nicht hatten umbringen wollen, dafür hatten sie einfach zu viel Angst vor den Zauberern. Allerdings hatte sowohl sein Onkel als auch Dudley ein sehr schlechtes Körperbewusstsein und so hatten die beiden Harry schon öfters an den Rand des Todes gequält.
Behutsam nahm der Junge nun einige der Phiolen heraus und legte sich vorsichtig auf die Bettdecke, danach griff er nach einem kleinen Buch, das er aufschlug.
„Was machst du da?“
Wie vom wilden Niffler gebissen, schrak Harry aus seinen Gedanken auf. Die Ohren legten sich eng an den Kopf und die Haare auf Kopf und Schweif sträubten sich.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken, aber du warst so vertieft in deine Betrachtungen.“
Severus setzte sich neben seinen Partner auf das gemeinsame Bett und strich ihm vorsichtig die Haare glatt. Der Kleine sah im Moment aus wie ein Seeigel auf dem Kriegspfad und der Schweif hatte was von einem Pfeifenreiniger. Es sah ziemlich witzig aus, aber der Tränkemeister vermied es wohlweislich, seinem Ehemann das zu sagen, immerhin wollte er morgen wieder aufwachen.
Nachdem Harry sich von seinem Schreck erholt hatte, zeigte er auf die aufgereihten Gegenstände.
„Ich habe nur nachgesehen, welche Tränke ich aufstocken muss, in diesen Sommerferien habe ich mehr verbraucht als sonst.“
Alarmiert blickte Severus auf die vielen leeren Fläschchen. Wenn er nur daran dachte, was diese Muggle mit seinem Kitten gemacht hatten, bekam er Mordfantasien.
„Was war in den ganzen Phiolen?“
„Es war eine Mischung aus all den Tränken, die mir Poppy am Anfang ihrer Behandlung gegeben hat. Schau nicht so entsetzt, die waren nicht alle für mich.“
Auf Severus’ fragenden Blick hin fuhr er mit seiner Erklärung fort.
„Dudley hat seit diesem Jahr ein neues Hobby, er quält Tiere, je hilfloser desto besser. Zum Glück tötet er sie nicht und verliert auch schnell das Interesse, wenn sich eine der armen Kreaturen nicht mehr zu wehren versucht.
Ich habe sie immer aufgesammelt und wieder gesundgepflegt. Wenn es Katzen waren, habe ich sie zur Nachbarin gebracht, sobald es ihnen besser ging. Die anderen habe ich irgendwo weg vom Haus freigelassen. Alle Tiere, die überlebt haben, waren klug genug, sich nicht mehr auch nur annähernd in Richtung Dudley zu bewegen. Leider habe ich nicht alle retten können, ich habe sie hinter dem Spielplatz begraben.“
Harry versuchte, nicht an die Bilder der zerschundenen kleinen Körper zu denken und schaffte es doch nicht. Haltlos fing er an zu weinen.
Severus nahm den aufgelösten Jungen in seine Arme. Es überraschte ihn gar nicht, dass Harry das Wohl eines anderen Lebewesens über sein eigenes stellte. Sein Kleiner würde sich immer erst um andere kümmern, bevor er an sich selbst dachte.
„Warum hat sich mein Cousin nicht einfach damit begnügen können, weiter auf mir herum zu trampeln? Keines dieser Tiere hat ihm etwas getan, ich verstehe einfach nicht, wie jemanden so etwas Spaß machen kann.“
Severus konnte kaum glauben, was er da hörte. Harry wäre es lieber gewesen, sein Cousin hätte ihn weitergequält. Andererseits hatte der Tränkemeister ja gerade eben festgestellt, wie typisch dieses Verhalten für seinen Gefährten war.
So hielt er seinen Kater einfach weiter, bis dieser sich wieder beruhigt hatte.
Als Harry sich nach einiger Zeit von der Umarmung seines Partners trennte, fiel dessen Blick auf das kleine Buch. Neugierig betrachtete er es, so ein Exemplar hatte er noch nie gesehen. Es war auf jeden Fall kein Schulbuch.
„Was ist das?“
Harry, der Severus Blick gefolgt war, schmunzelte.
„In dem Buch habe ich alle Tränke und Zauber aufgeschrieben, die ich weiterentwickelt oder umgeschrieben habe.“
Als Harry den verblüfften Gesichtsausdruck des Lehrers sah, wurde er rot und reichte das kleine Büchlein weiter.
Severus schlug die erste Seite auf und fand auch prompt das Rezept eines Schmerztrankes, allerdings mit einer veränderten Zusammensetzung als es in den herkömmlichen Zaubertrankbüchern zu finden war. Wenn der Ex-Spion nicht schon vor her von Harrys Talent überzeugt gewesen wäre, jetzt war er es auf jeden Fall! Nicht nur zeigte die Zusammensetzung der Zutaten von Verständnis für dieses Fach, sondern auch von großem Einfallsreichtum. Wie war der Junge nur auf die Idee gekommen, die Spinnenseide vor dem Hineinmischen zu gefrieren? Kurz darauf erhielt er aber schon die Antwort, sie stand als Randbemerkung daneben:

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