Aufbruch

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Aufbruch

Am Abend kam Poppy wieder aus ihrem Büro und gesellte sich zu Snape ans Bett.
„Severus, kannst du den Jungen bitte aufwecken?“
„Warum? Er hat gerade keine Albträume und er muss dringend Schlaf nachholen.“
„Das ist mir schon klar, aber du hast gesagt, er hätte sich schon wieder übergeben. Deswegen muss er heute noch was essen. Harry kann es sich einfach nicht leisten, weitere Kalorien zu verlieren. Deshalb, so leid es mir tut, weck ihn bitte auf.“
Seufzend richtete der Tränkemeister sich in seinem Sessel auf. Das war alles Dumbledores Schuld. Hätte der den Jungen nicht so aufgeregt, könnte er jetzt in Ruhe weiterschlafen.
Sanft legte er seine Hand auf Harrys Kopf. Aufmerksam wurde er dabei von den beiden Wächtervögeln beobachtet. Er streichelte ihm übers Haar.
„Harry, aufwachen...“
Der Junge murrte protestierend, öffnete dann aber doch die Augen. Verschlafen blinzelte er in zwei onyxfarbene Augen, die ihn aufmerksam ansahen.
Sofort war der Junge wach.
„Professor, ist etwas passiert?“
„Nein, Harry, es ist alles in Ordnung. Poppy meinte nur, Sie sollten noch eine Kleinigkeit essen.“
Nickend setze sich der Junge auf und rieb sich die Augen.
„Man könnte fast meinen, Kotzen ist meine neue Freizeitbeschäftigung. Zumindest kommt es mir vor, als würde ich gar nicht anderes mehr tun. Oh. tut mir leid wegen der Wortwahl. Professor!“ Entschuldigend sah der Junge zu seinem Lehrer auf.
„Das macht nichts, Sie haben allen Grund, sich aufzuregen. Was der Direktor Ihnen gesagt hat, war auch wirklich nicht leicht zu verdauen.“ Snape musste es wissen, denn ihm lag die Unterhaltung sozusagen auch noch im Magen.
Poppy hatte inzwischen das Abendessen, bestehend aus einem nahrhaften Brei und Tee, sowie die Tränke für Harry vorbereitet hatte. Sie stellte alles auf den Nachttisch.
Nach dem Essen, Fawkes und Hedwig hatten natürlich auch was bekommen, cremte die Medihexe wieder die Narben des Jungen ein. Was dieser wieder geduldig über sich ergehen ließ.
„Poppy, ich fühle mich klebrig, darf ich duschen?“
Die Krankenschwester sah ihren Patienten prüfend an, bevor sie antwortete.
„Heute nicht mehr, mein Lieber. Du darfst morgen baden, bevor ich deine Verbände erneuere. Dann können die Hauselfen auch das Bettzeug wechseln.“
Der Grünäugige nickte resigniert, er wusste, dass er die Medihexe nicht würde umstimmen können. Stattdessen fing er damit an, die beiden Tiere mit ausgiebigen Streicheleinheiten zu verwöhnen. Irgendwie hatten es beide geschafft, sich auf Harrys schmalen Schoß zu platzieren, sodass sie jetzt aussahen wie eine große Federkugel mit zwei Köpfen. Der Junge war überaus dankbar für die Zuneigung, die diese beiden ihm entgegenbrachten. Er hoffte nur, dass Professor Snape Recht hatte und der Direktor nicht wütend war, weil der Phönix die ganze Zeit über bei ihm blieb. Harry konnte es sich nicht leisten, Dumbledore gegen sich aufzubringen. Immerhin würde der Mann über sein künftiges Leben entscheiden. Bei diesem Gedanken wurde es dem Gryffindor wieder ganz flau im Magen. Er wollte gar nicht an Morgen denken, wenn wieder andere entschieden, was das Beste für ihn war.
Er blickte zu seinem Professor auf.
„Werde ich morgen nach der Besprechung wieder hierher gebracht?“
Snape, dem die Verzweiflung in Harrys Blick nicht entgangen war, schloss einmal kurz die Augen, ehe er antwortete.
„Nein wir werden, laut Direktor, wohl so lange im Grimmauld Place bleiben, bis wir zu einer Lösung gekommen sind.“
„Hm, Sie meinen bis der Orden entschieden hat, wen ich nächste Woche heiraten werde. Denn über mein Leben hatte ich ja noch nie ein Mittspracherecht.“
Dem Tränkemeister fiel es schwer, den Jungen bei dieser Aussage nicht einfach in den Arm zu nehmen. Denn immerhin hatte Harry mit dem, was er sagte, recht. Bisher hatten immer andere entschieden, was das Beste für den Grünäugigen war. Und das war ja wohl bis jetzt immer schiefgegangen.
Snape strich dem Kleinen einige verirrte Strähnen aus dem Gesicht. Doch noch ehe er etwas sagen konnte, mischte sich Poppy ein.
„Also wenn der Direktor dich wirklich in diesen Hühnerstall verfrachten will, werde ich euch begleiten. Du brauchst immer noch medizinische Betreuung und eine Menge Ruhe. Und ich bin mir sicher, dass du die mit Sicherheit nicht bekommst, wenn nicht jemand dafür Sorge trägt.“
Sowohl Harry als auch Snape blickten die Medihexe erstaunt an. Mit so einer Reaktion hätten beide nicht gerechnet. Harry hatte sich allerdings schnell wieder im Griff und lächelte die Krankenschwester an.
„Danke, Poppy, das ist sehr lieb von dir.“
„Keine Ursache. Aber jetzt legst du dich bitte wieder hin.“ Damit half die Krankenschwester dem Jungen dabei, sich richtig im Bett zu drapieren und deckte ihn dann zu. Nachdem sie ihm eine gute Nacht gewünscht hatte, ermahnte sie den Professor noch, sich ebenfalls auszuruhen und zog sich zurück.
Ehe der Tränkemeister ging, wurde er von seinem Schüler aufgehalten.
„Professor, möchten Sie sich das Tränkebuch vielleicht ausleihen?“ Und damit zeigte er auf „Tränke der Antike“, von dem sein Lehrer so begeistert war.
„Wollen Sie es denn gar nicht lesen?“
„Nicht nötig, ich kenne das meiste schon auswendig.“
Das überraschte Snape – allerdings nicht, dass der Junge ein Zaubertränkebuch auswendig konnte, denn was das Können anging, musste er den Schüler wohl ganz neu einschätzen.
„Aber warum hat es Ihnen Ms. Lovegood dann eingepackt, wenn Sie es gar nicht brauchen?“
Harry lächelte verlegen ehe er antwortete.
„Luna hat es nicht für mich eingepackt, sondern für Sie, Sir.“ Als sein Lehrer nur die Augenbrauen hochzog, redete er schnell weiter:
„Wissen Sie, ich denke, meine Schwester wusste, dass Sie öfter in der Krankenstation sein würden. Na ja ... und ... ähm und sie dachte wohl, dass ich Ihnen das Buch zeigen würde und ....“
Verlegen brach der Junge ab und fand wieder mal seine Hände sehr interessant. Oh Mann, wenn er Luna in die Finger bekam, würde er sich bis zu seinem Geburtstag durchkitzeln! Wieso musste sie ihn auch in so eine Situation bringen? Und wenn sie Harry jetzt sehen könnte, würde sie sich auch sicherlich noch köstlich über seine Verlegenheit amüsieren.
Snape derweil ging es da nicht anders. Auch er musste sich bemühen, bei dem Anblick des Jungen nicht loszulachen. Es war aber auch zu niedlich, wie der Kleine sich benahm.
Allerdings konnte er auch nicht umhin, Ms. Lovegoods Scharfsinn zu bewundern. Obwohl das Mädchen immer so abwesend wirkte, schien sie doch über eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe zu verfügen. Etwas, das dem Tränkemeister bis jetzt noch gar nicht so richtig aufgefallen war, und das, wo er die Ravenclaw nun schon drei Jahre unterrichtete. Snape nahm sich vor, sie in den nächsten Tagen ganz genau im Auge zu behalten.
Nun wandte er sich allerdings wieder dem Jungen zu, der mittlerweile damit angefangen hatte, die Federn seiner Eule auseinanderzuklauben. Diese schien die Prozedur allerdings überhaupt nicht zu stören, sondern machte es sich nur noch etwas bequemer auf dem Schoß ihres Zauberers.
„Ich würde mir das Buch sehr gerne ausleihen. Und wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich es auch ins Hauptquartier mitnehmen, um im Labor einige der Tränke zu brauen.“
Harry richtete seine Aufmerksamkeit von der Federninspektion wieder auf seinen Tränkelehrer und schenkte ihm ein scheues Lächeln.
„Gerne, Professor.“
„Gut, aber jetzt sollten Sie wirklich schlafen, bevor die Drachenmutter in Schwesterntracht mich noch rauswirft.“
Harrys Lächeln wurde breiter.
„Ich glaube zwar nicht, dass Poppy das wirklich tun würde, aber trotzdem beherzige ich Ihren Rat wohl besser. Gute Nacht.“ Und damit kuschelte sich der Junge tiefer in die Kissen und schloss die Augen.
„Gute Nacht, Harry.“ Snape strich seinem Schüler noch einmal kurz durchs Haar und ging dann in seine eigenen Räume.

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