Kriegsrat

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Kriegsrat

Eine ganze Weile hörte man gar nichts. Alle starrten entweder auf die Tür, aus der Harry eben gestürmt war, oder auf Luna. Die immer noch verträumt lächelnd dasaß und Hedwig kraulte, als ob alles in bester Ordnung wäre.
Remus war der erste, der sich erholte.
„Also ,ich hätte mir nie träumen lassen, einmal auf diese Weise geoutet zu werden. Hat noch jemand das Gefühl, vom Fahrenden Ritter überrollt worden zu sein? Hände hoch.“
Erstaunlicherweise gingen fast alle auf diese Forderung ein und schon bald erinnerte der Raum eher an ein Klassenzimmer mit übereifrigen Schülern. Snape beschränkte sich darauf nur die Augenbraue zu heben, was bei Luna allerding wieder zu einem Kicheranfall führte.
Ron sah fragend zu Hermine.
„Sag mal, weißt du, was ein Gaydar ist?“
„Ja, es ist eine Bezeichnung, die Muggel verwenden, um das Gespür für Homosexualität zu beschreiben.“
„Also bedeutet das, dass Harry schwul ist?“
„Davon gehe ich mal aus, er wird es ja wohl nicht nur so zum Spaß gesagt haben.“
Ginny, die, wie alle anderen auch, Hermines Erklärung aufmerksam gelauscht hatte, machte Gesten, die stark an einen Karpfen erinnerten. Harry war schwul! Sollte das etwa heißen, dass sie nie wirklich eine Chance bei ihrem Traumprinzen gehabt hatte? Merlin, und sie hatte sich in den letzten Jahren regelrecht an „den-Jungen-der-lebte“ rangeschmissen, wenn sie nur an ihr erstes Jahr in Hogwarts dachte, wie peinlich.
Snape, der sich mittlerweile von seinem Schreck erholt hatte, fing an nachzudenken. Es war nicht so sehr die Tatsache, dass Harry schwul war, die ihn überrascht hatte. Schließlich war Homosexualität nur bei den Muggeln ein Problem, in der Zauberwelt war sie so normal wie Atmen. Nein, es war etwas anderes, das ihn erschüttert hatte.
„Sagt mal, ist euch eigentlich aufgefallen, dass Harry während seiner Tirade nur einige von uns angesehen hat?“
Und schon richtete sich die ungeteilte Aufmerksamkeit auf den düsteren Kerkermeister. Tonks war die erste, die verstand.
„Severus hat Recht, Harry hat, als er davon sprach, dass wir einen miesen Gaydar hätten, lediglich fünf von uns angesehen.“
Nun konnte man richtig zusehen, wie es in den Köpfen ratterte. Diesmal war es Sirius, der das Schweigen brach.
„Also, wenn ich mich Recht erinnere, dann hat Harry zuerst mich und dann Remus angesehen, wen allerdings sonst noch, weiß ich nicht.“
Er blickte sich fragend im Raum um.
Luna, die das Ganze bis jetzt nur amüsiert beobachtet hatte, fand, dass es an der Zeit war, sich für ihren kleinen Bruder zu rächen. Außerdem würden die Erwachsenen dann vielleicht endlich zu einem vernünftigen Ergebnis in Sachen Heirat kommen.
„Nach euch beiden hat er zu Tonks gesehen, dann kurz zu Professor Snape und zum Schluss zum Direktor.“
Stille.
Diesmal dauerte sie sogar noch länger, während alle über das eben Gehörte nachdachten. Zum Schluss war es Snape, der sagte, was sie alle dachten.
„Scheint so als hätte der Junge, einen wirklich gut ausgeprägen ‚Gaydar’.“
Und damit war der Bann gebrochen, alle fingen an, wild durcheinander zu reden. Aus manchen Ecken wurden auch neue Heiratsvorschläge laut.
Der Tränkemeister saß immer noch wie erschlagen da. Wie schon gesagt, es störte ihn nicht, dass irgendwer wusste, dass er auf Männer stand, er konnte sich nur nicht erklären, wie der Junge das bemerkt haben konnte. Denn Snape war nun wirklich kein Mensch, der mit seiner Sexualität hausieren ging, genau so wie im Übrigen auch Dumbledore. Das Feingefühl des Kleinen war wirklich erstaunlich, genau so wie das seiner kleinen Freundin, die gerade ihren Blick auf ihn richtete.
„Ich glaube, ich sehe mal nach Harry, bevor er vor lauter Wut noch umkippt.“
„Denken Sie wirklich, dass das eine gute Idee ist? Er meinte doch, niemand soll ihm nachlaufen.“
Luna lächelte ihn nur an, bevor sie, als hätte sie ihren Professor nicht gehört, fortfuhr:
„Kommen Sie bitte in zwanzig Minuten in Seidenschnabels Zimmer. Sonst muss ich Toby schicken, um Sie zu holen.“
Damit stand sie auf, streichelte sich selbst über die Haare, und ließ einen ziemlich verdutzten Tränkemeister zurück.
Bevor Luna das Zimmer endgültig verließ, ging sie noch zu Harrys Tasche und holte dort seine Bürste heraus. Danach hüpfte sie, gefolgt von Fawkes und Hedwig, aus dem Zimmer.

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