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Ich kriegte es einfach nicht hin, anzufangen. Ich konnte nicht einfach wieder in die Vergangenheit blicken und alles zurückholen.
,,Fang einfach von vorne an. Erklär mir erst mal, was es mit Faith auf sich hat", entgegnete Ayden. Seine Stimme war noch fest.
Aber anscheinend hatte er gemerkt, dass es mir schwer fiel und zeigte ein wenig Verständnis.

Ich nickte leicht.
,, Ich... Ich heiße eigentlich nicht Chloe.", fing ich an.
Jetzt war es draußen. Jetzt hatte ich es auch meinerseits gesagt.
,,Ich heiße Faith."
Kurz blickte ich Ayden an.
,,Warum?", kam es leise von ihm.
Ich seufzte auf. ,,Also gut. Ich werde alles erzählen. Aber ich will, dass du mir nur zuhörst."
Ayden nickte. ,,Okay, ich höre."
,,Es fing eigentlich alles an, als ich 15 war."

Gott, tat ich wirklich gerade das Richtige?
Was war in mich gefahren, dass ich nach Jahren hier wieder saß und jemandem meine Lebensgeschichte erzählen wollte, dessen Nähe ich eigentlich vermeiden wollte?
Mein Inneres sagte mir jedoch, dass ich das Richtige tat. Und ich hoffte, dass ich mich damit nicht irrte.

,,Es war an meinem Geburtstag. Der 14. März. Ich hatte mich auf den Tag gefreut."
,,Warte", unterbrach mich Ayden. ,,Was genau hat das damit zu tun, dass du nicht Chloe heißt? Warum verbirgst du deinen echten Namen? Das will ich wissen!"
,,Hör mir doch einfach zu. Wenn du es verstehen willst brauchst du die Vorgeschichte."

Ich stoppte kurz. ,,Naja. Es sollte eine Geburtstagsparty stattfinden. Deswegen hatten wir uns dazu entschieden, die große Hütte zu benutzen, die auf einem großen Platz stand. Es waren sehr viele Leute dort eingeladen. Es lief alles gut, bis ich die Kerzen auf dem Kuchen auspusten wollte."

Ungewollt stockte ich. Mein Herz schlug unregelmäßig. Die Erinnerung brachte Tränen in meine Augen. Ich musste schlucken.
,,Es passierte etwas, das mein ganzes Leben veränderte.", hauchte ich.

Ich konnte nicht. Ich konnte die Worte nicht über meine Lippen bringen. Es war still zwischen Ayden und mir. Ich versuchte die aufkommenden Tränen wegzublinzeln. Ich versuchte, die aufkommenden Bilder auszublenden.

,,Was ist passiert?", hauchte Ayden.
Eine Träne verließ mein Auge und benässte meine Jeans. Eine Gänsehaut fuhr mein Rücken hinab.
,,Ich wollte die Kerzen auspusten, als ein Schuss ertönte."
Meine Stimme kam ganz leise raus.
,,Ein Schuss, mit dem ich... meine Mutter verlor", hauchte ich und eine weitere Träne verließ mein Auge.

Erinnerungen kamen hoch. Ich hörte den selben Schuss. So, als würde es jetzt gerade geschehen. Als würde ich es noch einmal erleben. Schmerzvoll schloss ich meine Augen. Ich versuchte die Geräusche aus meinem Hirn zu löschen.

,,Chloe, es tut mir leid", hörte ich Ayden. Ich merkte, wie er auf mich zukommen wollte. Mit der Hand deutete ich ihm, dass er es lassen sollte.
,,Bleib sitzen."
Meine Wangen wurden feuchter. Ich wischte mit flacher Hand über diese.
,,Der Schuss traf meine Mutter unterhalb der linken Brust. Es gab ein riesen Durcheinander. Jeder rannte um sein Leben. Ich jedoch hatte mich schreiend neben meine Mutter... gekniet. Sie ... hatte es schwer beim sprechen", schluchzte ich.
Es wurde immer schwerer für mich, die Worte rauszubekommen. Immer wieder tauchten die Bilder vor meinem Gesicht auf. Und nicht nur das. Alle schönen Momente mit ihr kamen mir in den Sinn. Es war schmerzhaft.

,,Sie versuchte am Leben zu bleiben. Aber sie hatte es nicht geschafft. In meinen Armen an meinem Geburtstag ist meine Mutter gestorben."
Meine Tränen rannen ohne Ende meine Wange runter. Ich hatte das Gefühl, dass meine Lunge zugeschnürt war.

,,Okay, Hör auf.", drang Aydens Stimme zu mir. Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte angefangen. Jetzt musste alles raus.
,,Es wird nur eine schwere Zeit für dich sein es ist aber kein schweres Leben. Das war ihre letzten Worte gewesen."
Ich erinnerte mich daran, wie sie mir bei diesen Worten ins Gesicht gelächelt hatte, obwohl sie Schmerzen hatte. Bis sich dann ihre schönen Augen verschlossen und sie nur noch in meinen Armen lag.

Gequält verzog ich das Gesicht. Es war wie ein Stich ins Herz. Niemand hätte gedacht, dass der Tag so enden würde. Ein Schluchzer verließ mein Mund und ich legte schnell meine Hand drauf.
,,Ich wusste nicht, wer und warum jemand auf meine Mutter abgesehen hatte. Ich weiß es bis heute immer noch nicht."

Eine kurze Stille legte sich in den Raum. Ich sah Ayden kein einziges mal an.
,,Ich hatte Schwierigkeiten damit, mit dem Tod meiner Mutter klarzukommen. 3 Tage später hatte mein Vater mir gesagt, dass ich das wichtigste für mich einpacken sollte. Ich wusste nicht was er vorhat. Ich hatte es einfach getan. Viele Sachen meine Mutter hatte ich auch eingepackt, die als Erinnerung dienen sollten. An dem Tag wollte er mich dann wegschicken. Und er hats getan. Ich hab mich an sein Bein geklammert, ich hab ihn angefleht, mich nicht zu verlassen, aber er hat nicht auf mich gehört. Ich musste einfach mit einem seiner Männer gehen. Weg von ihm und weg von meinem zu Hause. Seit dem hab ich mein Vater nie wieder gesehen. Ich weiß nicht, ob er lebt oder ob er doch tot ist."

Ich nahm tief Luft. Wieder kamen Tränen auf. Diesmal spielte aber auch die Wut eine Rolle.
,,Als würde es nicht reichen, dass ich meine Mutter verloren hab hatte mich mein Vater auch noch weggeschickt. Er meinte, dass wir in Gefahr seien. Ich weiß bis heute immer noch nicht, was er damit meinte. Er meinte, dass sie mich auch töten würden. Auf jeden Fall zog ich mit Charles, dem Bodyquard, nach Missouri."

,,Wo wart ihr denn davor?", kam es von Ayden. Seine Stimme hörte sich belegt an.
,,In Ohio", beantwortete ich die Frage. ,,Ich kam nicht klar damit, aber ich musste mich daran gewöhnen. Mein Name wurde sogar umgerändert und hieß Paris Hender. Der Name gefiel mir nicht, aber ich musste damit klarkommen. Charles stand in Verbindung mit meinem Vater, aber ich bekam nie die Erlaubnis, mit ihm zu sprechen. Von der ganzen Sache verstand ich absolut nichts.... Irgendwann hatten wir auch keine Ruhe in Missouri. Man hätte uns ausspioniert und wir mussten laut Charles wo anders hinziehen.
Wir kamen nach Las Vegas. Hier nahm ich den Namen Chloe Black an. Um Sicherheit zu haben. Charles bestand sogar darauf, meine Haare zu färben. Deswegen sind sie schwarz und nicht mehr blondbraun."

Tief nahm ich Luft.
,,Charles versuchte mir das beste Leben zu geben. Wir lebtem in einem schönen, großen Bungalow. Aber was bringen dir die ganzen Sachen, wenn du nicht einmal glücklich bist?"
Meine Sicht verschwamm, als mir die nächsten Sätze einfielen, die ich gleich sagen würde.
,,Knapp ein Jahr später starb auch Charles." Ich versuchte meine Tränen zu unterdrücken, doch sie flossen einfach runter. Ich fing an zu schluchzen. Mit beiden Händen bedeckte ich mein Gesicht.

,,Chloe hör auf. Erzähl nicht weiter", erwiderte Ayden. Ich schüttelte den Kopf. ,,Nein, nicht jetzt wo ich angefangen hab." Ich wischte mir die Tränen weg, auch wenn es nichts brachte.
,,Er starb an einem Herzinfarkt. Sein Tod hatte mich sehr mitgenommen. Auch wenn er nur anderthalb Jahre an meiner Seite war, war er schon wie ein Vater und eine Mutter für mich...
Er hatte mir Kampfsport beigebracht, damit, falls ich mal in die Hände von den Männern gelangen sollte, mich wehren konnte. Die Pistole, die du gesehen hast ist auch von ihm. Ein kleines Geschenk von ihm."

Ich stoppte wieder.
,,Welche Männer?", kam dann die Frage von Ayden.
Ich sah ihn an. ,,Die die meiner Mutter das Leben nahmen. Ich weiß nicht was sie wollen. Ich weiß nur, dass sie mir und meinem Vater auf der Spur sind."
Ich wischte über meine Nase, bevor ich fortfuhr. ,,Ich hatte niemanden mehr. Nur Ave, der ich auch als einzige vertrauen konnte. Ich hatte sie sehr schwer an mich rangelassen. Ich hatte es schon immer schwer, Menschen zu vertrauen. Naja, Ich wusste nicht, was ich in dem riesen Bungalow alleine machen sollte. Also hatte ich es verkauft und mit dem Geld ein billiges kleines Haus gekauft, das jetzt auch nicht mehr existiert. Ich hab mir eine Arbeit gesucht, um mich selber am Leben zu halten, das ich jetzt auch verloren habe."
Weitere Tränen benässten meine Hose und ließen dunkle Flecken da.

,,Ich hab erst meine Mutter verloren, mein zu Hause, mein Vater, Charles, das Haus, die Arbeit. Ich hab sogar mein persönliches ich verloren. Ich kann mich manchmal nicht wiedererkennen."
Ich fuhr mir durch die Haare. Es war still.

Strange life - until i met youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt