Ich wusste nicht, was ich machen sollte und stand einfach nur da. Langsam lief ich auf die Couch zu. Aprubt stand Ayden mit einem ,Ach" auf, als wäre ihm was eingefallen.
,,Du solltest dich hinsetzen.", murmelte ich.
,,Ich muss was holen.", sprach er zu mir.
,,Ich kann es auch holen, wenn es nicht zu privat ist."
Ich hatte irgendwie das Bedürfnis, die Situation von vorhin aufzulockern.Ayden lief an mir vorbei, ohne mir zu antworten. Seufzend ließ ich mich nieder. Ich zuckte kurz zusammen, als meine Hand wieder pochte.
Kurze Zeit später kam Ayden wieder zurück. Er hatte eine weißgraue Kiste in der Hand. Sie war klein.
,,Was ist das", wollte ich neugierig wissen.
Ayden setzte sich mit Abstand neben mich und drehte sich seitlich zu mir. Dann legte er die Box zwischen uns. ,,Du hattest mich doch nach meiner Mutter gefragt", äußerte er und sah dabei die Box an. Ich erwiederte nichts darauf, sondern wartete einfach auf Ayden.Er öffnete langsam die Kiste. Verdutzt blickte ich rein. Es waren Bilder drin zu sehen. Ayden griff rein und holte alle raus. Er legte die Box auf dem Tisch ab und die Bilder auf die Couch. Dann sah er mich an.
,,Was haben die Bilder mit deiner Mutter zu tun?", fragte ich.
,,Du hast mir doch auch deine ganze Vergangenheit erzählt, also werde ich es auch tun."
Merkwürdig blickte ich zu ihm.,,Du brauchst das nicht zu erzählen.", meinte ich, als mir einfiel wie er reagiert hatte, als ich ihn danach gefragt hatte. Klar, ich hatte gemeint, dass ich das Recht hatte es zu wissen. Aber jetzt verstand ich ihn schon.
,,Die Bilder sind nicht geordnet. Es sind alles Bilder aus der Vergangenheit. Von ganz früher. Ich bin höchstens 12 Jahre alt auf den Bildern. Es hat nicht unbedingt viel damit zu tun, was ich dir erzählen werde, aber du kannst sie dir trotzdem ansehen.", sagte Ayden, ohne auf meine vorherigen Worte einzugehen.
Ayden räusperte sich, während ich mir schon die ein oder anderen Bilder ansah.
,,Es kann sein, dass sich unsere Vergangenheit teils ähnelt. Mit dem Unterschied, dass du... viel schlimmeres erleben musstest. Vorn heraus musst du wissen, dass ich früher in Illinois gelebt hab. Mit meinen Eltern eben. Seit 4 Jahren lebe ich schon hier.",,Und was hat euch von dort bis hier her getrieben?", fragte ich leise.
,,Mein Vater meinte, er hätte hier eine Firma gegründet und müsste herziehen. Da ich einen Anteil von seiner Firma bekommen hatte kam ich mit."
Ich konnte Enttäuschung in seinen Augen ausmachen.Ich legte die Bilder beiseite.
,,Und dann?"
,,Meine Mom hatte dann auch ihre eigene Firma gegründet. Sie hatte zwar schon in Illinois eins gehabt, doch als wir hierher gezogen sind hatte sie die Firma jemand anderem übergeben.
Irgendwann haben sich meine Eltern angefangen tagtäglich zu streiten. Den genauen Grund weiß ich nicht aber es ging teils um Geld. Das war auch das einzige Problem von meinem Vater." Er sprach das Wort verächtigend aus. Er hasste ihn, das sah ich ihm an.,,Nach knapp einem Jahr hat mir dann meine Mutter ihre eigene Firma übergeben."
,,Die hier?", fragte ich.
Ayden nickte. Ich formte ein stummes Wow mit meinen Lippen.
,,Sie meinte, dass ich das Recht dazu hatte und das sie nicht mehr groß mit solchen Sachen zu tun haben wollte, weil es anstrengend für sie wäre. Aber das glaube ich ihr nicht. Es war wahrscheinlich eine Ausrede gewesen, denn meine Mom hatte ihre Firma und ihre Arbeit geliebt, das weiß ich. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste war der genaue Grund, warum sie mir die ganze Firma zugestellt hatte."Ich schaute abwechselnd in Aydens Augen und auf seine Lippen, die seine Vergangenheit erzählten.
,,Eines Tages, als ich aufgewacht bin hatte ich ein Brief neben mir gefunden. Von meiner Mutter... Ein Abschiedsbrief."Aydens Augen fingen an zu schimmern. Mitleidig sah ich ihn an. Was sollte ich jetzt tun?
Er griff in die Box und holte ein Zettel raus, den er mir rüberreichte. Langsam nahm ich ihn entgegen und faltete ihn aus. Dabei sah ich Ayden intensiv an.Eine ordentliche Schrift erschien. Wahrscheinlich war das der Brief seiner Mutter.
Ich fing an, die Zeilen leise zu überfliegen.,,Lieber Ayden. Es tut mir leid für all meine Fehler gegenüber dir, als deine Mutter. Du warst und bist mein einziges Kind. Ich hab dich sehr geschätzt und glaube mir, ich tu es immernoch. Ich weiß nicht, wie ich dir die nächsten Worte sagen soll. Es fällt schwer für mich. Ich bin mir sicher, dass es auch schwer für dich sein wird.
Ich will nicht lange drum reden. Ich ziehe weg. Nicht weg von dir, sondern weg von deinem Vater. Weg von den Sorgen, die er mir leiden lassen hat und weg von den Drohungen, mit denen er mir Angst einjagte.
Ich stockte. Wurde sie wirklich von ihrem eigenen Mann bedroht? Der Brief schnürt mir den Hals zu.
,,Ich muss gehen. Nimm mir das bitte nicht übel. Du kannst dir sicher sein, dass ich dich immer lieben werde, egal wie weit weg ich bin. Wohin ich gehe kann ich dir nicht sagen. Und es wäre gut, wenn wir kein Kontakt mehr haben.
Das erinnerte mich an meinen Vater. Er hatte sowas ähnliches gesagt, bei unserem Abschied.
Schnell fuhr ich fort.,,Ich weiß, dass ein Brief ungenügend für ein Abschied ist. Aber es ist immerhin besser als gar nichts. Ich weiß nicht, wann wir uns wieder sehen können. Die Firma gehört dir. Ich bin stolz auf dich.
Bitte verzeih mir, auch wenn es dir schwer fällt.
In Liebe, deine Mom.Ich musste hart schlucken, um nicht zu weinen.
Ich sah auf.
Ich hatte Ayden noch nie so emotional gesehen.
Seine Augen waren voll und es könnte jeden Moment eine Träne rausfließen.
Genau das passierte auch in der nächsten Sekunde.Man sagt ja immer, dass Jungs nicht weinen. Hier wurde genau deutlich, dass das eine Lüge war. Als ob Jungs keine Gefühle hätten.
Ich hielt es nicht mehr aus. Sofort stand ich auf und setzte mich auf die andere Seite von Ayden.
,,Ich kann es verstehen", murmelte ich.Unentschlossen saß ich da, bis ich schließlich Ayden an mich ranzog. Ich legte meine Hand auf sein Hinterkopf und drückte ihn an meine Brust.
Er könnte jetzt sooft sagen wie er wollte, dass das nicht nötig war. Ich wusste aber, dass er das im Moment brauchte.Ich versuchte meine Tränen runterzuschlucken, als ich hörte, wie Ayden schniefte.
Plötzlich löste sich Ayden von mir. Er sah mich intensiv an.
,,Danke, dass du mir zugehört hast.", hauchte er.
Ich lächelte. ,,Ist doch selbstverständlich."Er erwiederte nichts drauf, sondern legte langsam seine Hand auf meine Wange. Perplex sah ich ihn an. Seine blaugrauen Augen durchlöcherten mich beinahe.
Die Nähe machte mich verrückt. Ayden kam meinem Gesicht näher.Bitte nicht!
Ich konnte mich nicht von der Stelle rühren.
Ich wollte ihn nicht verletzen. Nicht jetzt, wo er so drauf war. Doch genauso wenig wollte ich, dass sich unsere Lippen vereinten. Mein Inneres wollte es, aber mein Verstand war dagegen.Meine Atmung ging unregelmäßig. Ayden blieb kurz vor meinen Lippen stehen. Dann jedoch beugte er sich nach links und drückte einen langsamen sanften Kuss auf meine Wange.
Langsam löste sich Ayden von mir.
Ich jedoch sah immernoch wie verhext auf die gleiche Stelle. Schließlich kam ich zu mir und räusperte mich.
Schnell stand ich auf.
Ayden durlöcherte mich beinahe mit seinen Blicken.
Ungewollt schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, doch ich versuchte es, vor Ayden zu verstecken.
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Strange life - until i met you
Teen FictionFaith. Von außen scheint sie eigentlich relativ normal. Doch von innen? Völlig zerstört, gebrochen und fertig mit dem Leben. Seit 5 Jahren versucht sie sich aufzurappeln und die Tatsache auszublenden, dass sie niemanden mehr hat. Und obwohl schon 5...