Kapitel 121

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Ellie

„Findest du nicht, dass du langsamer machen solltest?"
Jin hält meinen Arm und stellt sicher, dass ich nicht umkippe.
Seit dem Telefonat mit Jungkook, habe ich das Gefühl, dass ich frische Luft brauche und endlich wieder meine Beine benutzten muss.
Ich kann nicht noch länger in diesem Bett liegenbleiben und mich bedienen lassen.

Er hat ihn, den Mann der mein Vater sein soll.
Keine Ahnung wie er ihn gefunden hat aber das was zählt ist, dass er ihn gefunden hat.

Erst wenn das alles vorbei ist, werde ich ihn fragen wie er es geschafft hat. Ich glaube zwar nicht an Wunder aber in diesem Fall muss es ein Wunder gewesen sein. Allein die Vorstellung einen verschwunden Menschen an irgendeinem Ort auf dieser Welt zu finden, scheint absurd aber es scheint funktioniert zu haben.

Diese Erkenntnis schenkt mir Kraft. Auf irgendeine Art und Weise, verspüre ich weniger Schmerzen und das Atmen fällt mir leichter.
Es kann gut sein, dass ich es mir einbilde aber ich schaffe es mich vollständig von Bett zu erheben. Mein Finger drücken sich zwar in Jins Haut aber trotzdem funktionieren meine Beine besser als die Wochen und Tage zuvor.

„Mach langsam, bitte"
Ich blicke zu Jin auf und erkenne, wie besorgt und auch erschöpft sein Blick ist.

„Du solltest dich um dich selbst kümmern." antworte ich ihm leise aber wieder ruft es in ihm die gleiche Reaktion hervor. Seine Augen weiten sich.
Seitdem Moment, an dem ich mit ihm gesprochen habe, scheint er bei jedem meiner Worte überrascht zu sein.

„Ich bin wirklich ehrlich zu dir" sein Blick gleitet über mein Gesicht und findet dann wieder meine Augen.
„Du machst mir Angst."
Mit diesen Worten packt er meine Hand fester.

Dem Mädchen, der Ellie von früher mache ich auch Angst aber ich kann gerade nicht anderes.

„Du willst runter?" fragt er mich und bevor ich nicke oder sonst was, hebt er mich hoch. Er trägt mich wie ein Bräutigam, der seine Braut in das Haus trägt und ich seufzte auf.
Meine Rippen machen sich bemerkbar und dem Seufzen folgt ein leises schmerzhaftes Stöhnen.

„Jin." schaffe ich es warnend seinen Namen zu sagen aber es interessiert ihn nicht. Er trägt mich aus dem Zimmer, den Flur entlang und dann die Treppe herunter.

Sobald wir unten sind, überkommen mich Bilder der Einsamkeit.
Ich sehe den dunklen Flur, höre den ohrenbetäubenden Lärm der absoluten Stille und spüre, wie ich die Luft anhalte und meinen Hand um Jins Unterarm lege.

Ohne jede Vorwarnung spüre ich die Leere, die Jungkook gleich nach unserer Hochzeitsnacht in mir hinterlassen hat. Spüre seinen Hass, spüre die Hilflosigkeit von der Nacht als ich von Plays Männern überfallen und an einen Stuhl gefesselt wurde.

„Pssst..ich hab dich.." bevor ich weiß was los ist, spüre ich Jins Lippen auf meiner Stirn. Danach spüre ich wie mein Kopf an seinen Oberkörper gepresst ist. Seine Hand ist an meinem Hinterkopf und er hält mich so fest.
Er bewegt sich nicht mehr.

Ich warte auf die Tränen, die mein Gesicht nass machen sollten aber sie kommen nicht.

Wieso sind da die Tränen nicht mehr?

Jin löst nach einer gefühlten Ewigkeit seine Lippen von meiner Stirn und ich spüre wie sich sein Brustkorb stärker hebt und dann wieder senkt.

„Gib dir Zeit. Du musst nicht sofort bereit sein und gegen die kämpfen, die dir wehgetan haben."
Mit diesen Worten, läuft er weiter. Seine Arme schließen sich fester um mich und ich habe das Gefühl, schwerelos zu sein. Jin fällt es nicht schwer, mich zu tragen. Absolut nicht.
Ich hebe meinen Kopf von seiner Brust und schließe kurz meine Augen.
Eigentlich sollte ich was sagen aber ich weiß nicht, wie ich was sagen sollte.
Es fällt mir schwer, mich und meine Gedanken in Worte zu fassen.

Wir kommen in der Küche an und er setzt mich behutsam auf einem den Hocker an der Kochinsel ab.
Ich stütze mich mit den Ellenbogen auf der Arbeitsplatte  ab und versuche tief ein und aus zu atmen aber es funktioniert nicht so richtig.

Da ich meinen Kopf hängen lasse, fallen mir meine Haare über mein Gesicht und ich schließe die Augen.

Während ich mich auf meine Atmung konzentriere, höre ich wie Jin Schränke öffnet und dann wieder schließt. Höre, wie er Wasser aufkochen lässt, eine Packung aufreißt, das Wasser ergießt und danach ist es still.

Der Hocker neben mir bewegt sich und dann spüre ich ihn nah an mir.

Vorsichtig hebe ich meinen Kopf und streiche mir meine Haare aus dem Gesicht. Als ich zu Jin schaue, bemerke ich wie er mich anstarrt.

„Was wird passieren, wenn die Jungs hier sind?"
Die Frage überrascht mich, denn er war doch derjenige der mir vor wenigen Sekunden gesagt hat, dass ich nicht sofort kämpfen muss.
Er scheint zu bemerken, wie sehr mich das überrascht, denn er spricht schnell weiter.
„Ich frage nur, weil ich einfach sehe,dass du nicht warten wirst. Du wirst nicht darauf warten, dass dein Körper sich vollständig erholt." er schüttelt leicht seinen Kopf. „Du weißt was du tun wirst. Vielleicht ist dir das nicht so bewusst aber ich spüre das."

Er weiß es.

Die alte Ellie in mir weiß es auch.

Sie wissen beide, dass ich Dinge tun werde ohne dabei auf etwas zu achten.

„Deine Augen sind dunkler als damals...und immer wenn du mich schweigend ansiehst, habe ich das Gefühl, dass sie noch dunkler werden."

Jin greift nach meiner Hand und hält sie dann fest.

„Ich muss." flüstere ich und er drückt meine Hand fester.
„Hwang, Play,...."
Ich kann es nicht aussprechen aber trotzdem höre ich seinen Namen.

„Und Jungkook." spricht Jin für mich weiter.
„Du willst, dass sie für das was sie getan haben bezahlen."

Ich beiße mir auf die Unterlippe und nicke leicht.
In Jin scheint etwas zu brechen.
Sein Griff um meine Hand wird lockerer und ich spüre wie seine Finger leicht zittern.

„Das wird Jungkook zerstören..." flüstert er und ich senke meinen Blick.
„Er will dir Hwang bringen. Ihn Play ausliefern und dann Play spüren lassen, was er von ihm hält. Er denkt, dass danach alles gut wird. Ellie" er legt seine freie Hand an meine Wange,  hebt meinen Kopf wieder ganz hoch und ich richte meinen Blick auf ihn.
„er.." Jin schluckt schwer.
„Er wird zugrunde gehen..."

Wird er...gib ihm diese Chance... bitte...

Jin und auch die Stimme in meinem Kopf, sorgen dafür dass ich endlich die Tränen spüre, die bis vorhin nicht da waren. Ich spüre sie aber sie verlassen nicht meine Augen.

„Ich muss danach weg..." flüstere ich und Jin lässt seine Hand von meiner Wange gleiten.
„Ich muss."
Wiederhole ich und er sagt nichts mehr.
Diesmal ist er derjenige, der seinen Blick senkt.

Ich versuche nicht noch irgendetwas zu sagen oder zu machen. Jin löst seine Hand von meiner, steht schweigend auf und verlässt dann die Küche.

Die Stille wird für einen Moment durch die Haustür, die Jin zuzieht unterbrochen.

Danach sitze ich da.
Mit einer Leere in mir, die niemals wieder weggehen wird.
Niemals.

Als ich meine Hände von der Kochinsel nehme, sehe ich genau vor mir ein Box mit Ramennudeln. Sie dampft und auf ihr liegen Stäbchen.

Du bist nicht fair...Ellie..

The Trap // JKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt