Kapitel 4

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Ich saß allein im Bus am Fenster und schaute auf die Straßen. Die erste Station, die gekommen ist, das war auch immer meine. Damals konnte ich nichts machen, außer warten und auf die Straße schauen. Ich hätte mich mit anderen unterhalten können, was gerade für Kassetten gehört oder verkauft wurden. Damals waren Guns N' Roses, Michael Jackson oder Queen aktuell, aber dafür waren wir vermutlich noch zu jung. Ich hörte die Musik, aber erst 10 Jahre später konnte ich damit wohl etwas anfangen.

Ich schwieg, bis meine Station wieder kam. Ich konnte den Bus verlassen und nur wenige andere Kinder stiegen dort mit aus. Bis zu meinem Elternhaus war es nicht sonderlich weit. Zwei Straßen und dann stand ich schon vor der Tür und konnte klingeln. Meine Mutter öffnete mir die Tür, mein Vater war arbeiten.
H: Hey Christian."
Sie ließ mich rein, nahm mir meinen Ranzen ab und half mir bei meiner Jacke, da ich zu klein war diese aufzuhängen. Meine Schuhe stellte ich selbst noch zu den anderen im Flur und danach gingen wir beide in die Küche. Mama bereitete das Mittagessen vor. Wir wollten aber noch auf meine Geschwister warten, da beide noch eine Stunde Unterricht hatten und dann zu uns kamen. In der Zeit saß ich still auf meinen Platz. In der Familie war ich immer das schweigende Kind, Andreas und Sylvia waren extrovertierter als ich. Meine Mama machte sich deswegen immer schon Sorgen. Papa sah es entspannte. Meine Zeit würde schon noch kommen zur richtigen Zeit.

Meine Mama hatte mir ein Glas Wasser hingestellt, dass ich trank. Während sie sich ums Essen kümmerte, schaute sie immer wieder zu mir zurück.
H: Sag, wie war der erste Tag in der Schule?"
C: Ganz gut."
Aus meinen Aussagen wurde man nie wirklich schlau. Ich sprach eben nie viel und aus den wenigen Informationen, die ich brachte, musste man sich das erschließen, was wirklich war. Da ich aber „ganz gut" meinte, konnte es wirklich nicht so schlimm gewesen sein. Ich war zwar schüchtern, aber wenn mir etwas nicht gefiel, dann sagte ich das. Immerhin wollte ich am Morgen gar nicht los und am Ende war es wohl doch ganz gut.
H: Hats du jemanden kennengelernt? Mit denen du vielleicht auch die Pausen verbringen konntest?"

Sie schaut wieder zu mir, da sie sich schon denken konnte, dass ich nur eine Reaktion darauf geben werde, aber keine klare Antwort. Ich musste damals anfangen zu lächeln und nickte. Ich konnte ihr ansehen, dass sie damit nicht ganz gerechnet hatte, aber sie freute sich. Sie freute sich, dass ihr jüngster sich etwas getraut hatte. Auch wenn eher Julia sich was getraut hatte und mich einfach mitgenommen und aufgenommen hatte.
H: Wie heißt er denn?"
C: Julia."
Sie hatte damit gerechnet, dass ich vermutlich etwas mit meinen Sitznachbarn machen würde. Ich glaube, dass der Nils hieß. Ich saß nicht lange neben den, hatte nichts mit ihm zu tun und habe daher auch kaum Erinnerungen an ihn. An Julia konnte ich mich immer erinnern. An den ersten Tag, den ersten Moment, wo ich sie gesehen habe, wo sie mit mir gesprochen hatte. Sie konnte ich nie vergessen.

Auch wenn meine Mutter darüber verwundert war, sie lächelt mich an. Sie war wohl froh, dass ich überhaupt jemanden hatte, mit den ich die Pause verbracht hatte.
H: Kommt sie auch aus Bünde?"
C: Herford."
Damals wusste ich nur, dass das eine Nachbarstadt war. Ich hatte mich mit sowas nie beschäftigt, immerhin hatte ich zuvor keine Freunde, bei denen ich es mir hätte merken müssen oder wo ich hätte hingebracht werden können. Ich wusste es damals nur, weil sie einen anderen Bus hatte und länger zur Schule fahren musste.
H: Hat sie auch Geschwister? Oder lebt sie mit ihren Eltern allein?"
C: Sie hat keine Geschwister."
Viel wusste ich damals noch nicht über sie. Ich wusste, wie sie heißt, wo sie wohnt und dass sie keine Geschwister hat. Aber mehr auch nicht. Ich wollte aber mehr von ihr erfahren, da ich ihr immerhin nicht egal war. Sie war mir daher auch nicht egal.

Kurze Zeit später wurde die Tür aufgeschlossen. Andreas und Sylvia kamen gleichzeitig nach Hause und mein ältester Bruder hatte schon einen Haustürschlüssel. Ich saß still in der Küche, während unsere Mama zu ihnen ging. Es dauerte nicht lange, dann kamen auch sie in die Küche und setzen sich zu mir an den Tisch.
Sy: Du bist vorhin mit einer aus deiner Klasse zum Bus gegangen, oder Christian?"
Ich nicke still und lächle sie an. Sie konnte damals schon wissen, dass ich nicht komplett hoffnungslos bin. Auch ich könnte mir Freunde machen, auch wenn ich daran etwas weniger schuld bin.
H: Wie war der erste Tag bei dir Andreas?"
Mein Bruder nickte zuerst nur still, aber als er uns ansah, setze er ein gespieltes Lächeln auf. Heute weiß ich, dass es aufgesetzt war. Er wollte uns keine Angst vor der großen Schule machen und Mama und Papa wollte er auch nicht verunsichern.
A: War ganz gut. Wir hatten heute nur wenige Stunden und haben noch nicht so viel gemacht, was später wichtig ist. Aber im Großen und Ganzen kein Problem Mama."

Heute weiß ich, dass auch er Probleme mit den Anschluss zu Beginn hatte. Auch er war damals einer der kleinsten in der Klasse, dazu trug er schon eine Brille und kam halt vom Dorf. Der Anfang war für ihn schwer, am Ende hatte er ein paar wahre Freunde gefunden, aber die ersten Tage musste er überstehen. Das hatten wir aber erst Jahre später erfahren.

Wir aßen zusammen, Andreas und Sylvia mussten danach Hausaufgaben machen. Ich hatte nichts auf, aber da ich mir das Zimmer mit meiner Schwester teilen musste, bekam ich das immer mit. Ich spielte mit meinen Sachen, ich weiß nicht mehr genau womit, aber ich kann mich daran erinnern, dass ich sie damit oft genervt hatte. Wenn ich zu meinem Bruder gegangen bin, dann hatte er geübt. Zwei Jahre zuvor hatte er einen Zauberkasten geschenkt bekommen und seitdem hatte er sich selbst noch ein paar Sachen gekauft und übte fast jeden Tag. Ich musste nur assentieren, ein Interesse dafür hatte ich nicht wirklich. Das sollte seine Sache bleiben und als sein kleiner Bruder wollte ich nicht in die Rolle fallen, ich hätte es ihm nachgemacht. Papa kam immer gegen 17 Uhr von der Arbeit zurück, für uns drei immer ein schöner Moment, da wir dann etwas mit ihm im Garten machten, bevor wir als Familie zu Abend aßen. Danach blieb mir nicht mehr viel Zeit, ich musste immer um 20 Uhr schlafen gehen...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt