Kapitel 192

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Ich schwanke mein Glas hin und her, starre in Gedanken versunken in mein Getränk und warte darauf, dass Andreas und Manu es geklärt bekommen, dass wir zu dritt Darts spielen können. Immerhin etwas, was ich halbwegs kann und wo ich nicht pausenlos am Verlieren bin. Ich passe auf deren Getränke auf, daher sitze ich hier allein am Tisch und warte.

Als wir heute wieder gelandet waren, hat uns Steffi auch wieder vom Flughafen abgeholt. Sie sah etwas müde aus, was sie aber darauf geschoben hatte, dass ihre Eltern in der Nacht angerufen hatten, da mit ihnen etwas war. Ich wollte danach eigentlich gleich nach Hause, aber Steffi meinte, dass unsere Mutter sich zum Kaffee angemeldet hatte und dass Manu bereits gegen 19 Uhr kommen wollte, warf Andreas dann in den Raum. Gut, dann kam ich eben nicht mehr nach Hause, aber wen interessiert es auch schon? Ich saß beim Kaffee vor meinem leeren Teller, da ich einfach nichts runterbekommen habe. Den gesamten Tag schon nicht. Ich habe etwas getrunken und versucht aufzupassen, wenn sie über etwas gesprochen haben, wo ich drauf reagieren sollte. Mama ging auch erst eine Stunde, bevor Manu kommen wollte. Steffi meinte, es würde sich nicht lohnen, würde sie mich nach Hause bringen, ich solle einfach hier bleiben und ich kam nicht dagegen an. Ich war unten im Wohnzimmer, habe das Sodoku gelöst und war etwas neidisch auf die weihnachtliche Deko, die hier bereits zu sehen war. Das war nie mein Job in meiner Wohnung und auch dieses Jahr bin ich Weihnachten nicht mal zuhause, sodass ich auch keinen Grund dafür sehe, mich damit auseinander zu setzen. Manu kam pünktlich um 19 Uhr an, mein Bruder und ich zogen uns an und danach gingen wir los. In ein kleines Lokal mit einer Bar, wo wir uns den Abend über aufhalten wollten.

Und hier sitze ich nun an den Tisch, trinke zwischendurch etwas aus meinem Glas und versuche meine Gedanken zu unterdrücken. Julia hatte heute morgen gegen vier am Morgen geantwortet, dass sie das verstehen kann, dass ich mit den beiden weggehen würde. Dass alles gut ist und dass wir uns am Samstag sehen werden. Danach ist sie wohl auch schlafen gegangen und ich habe es nicht nochmal geschafft ihr zu schreiben. Sie wird es mir auch nicht verübeln, da ich ihr gesagt habe, wie es mir geht und was los ist. Morgen wird sie mich wiedersehen und etwas von mir hören. Dann muss sie auch nicht mehr arbeiten und hat den Tag für mich Zeit.

Andreas und Manu kommen endlich wieder zu mir an den Tisch und legen vor mir eine Kiste mit den Pfeilen und daneben eine Karte. Wie gesagt, ein Lokal, wo getrunken und gegessen werden kann und ich denke, dass Andreas die wegen zweiteres mitgebracht hat.
A: Wir dachten, dass wir alle drei etwas vertragen könnten, bevor wir etwas trinken würden."
Ich schaue wieder runter in meine Cola, da ich weiß, wie es letztes Mal geendet ist, als ich Alkohol auf leeren Magen getrunken habe. Daher hat er eigentlich auch recht.
C: Danke...ich denke, dass ich verzichte..."
M: Chris."
Ich konnte es schon nicht leide, wenn Andreas in strengeren Ton mit mir redet, aber Manu muss jetzt auch nicht noch damit anfangen. Ich weiß selbst, was das mit mir macht und dass ich das nicht tun sollte. Danke, aber sagt das einer auch meinem Kopf und meinem Empfinden? Das versuche ich nämlich seit geraumer Zeit bereits. Andreas setzt sich neben mich und schaut mich mit einem Blick an, den ich gerade überhaupt nicht gebrauchen kann. Daher schaue ich erst weg, bis er das aber nicht lässt. Mein Glas stelle ich ab und schaue ihn ernst an.
C: Ich kann es einfach nicht, okay? Das ist...einfach zu viel gerade...mal wieder..."
Und wie in den letzten Wochen leider auch wie immer.

Manu nimmt gegenüber von uns beiden Platz. Ich bin froh, dass wir in einen Raum etwas abseits sind, wo kein anderer mit hier ist. Man hört dumpf die Gespräche der anderen Gäste, aber man bekommt sie von hier kaum mit. Ich bin froh, dass der hier zufällig noch frei war, sodass wir nur zu dritt Zeit haben. Ändert aber nichts an den Umständen.
A: Manu."
Er nickt und steht auf, wonach er nur schnell meint, dass er für uns drei ein Gedeck besorgen wird und dass wir uns schon die Karte anschauen sollen. Danke...
A: Julia wird sich auch Sorgen machen Bruder und das weißt du. Ich weiß, dass du sie vermisst und dass die Zeit gerade nicht sehr gut ist..."
Ich bin still und nicke auch nur schweigend. Immerhin bekommt er das jetzt mit, wo er damals drüber hinweg gesehen hat. Während ich an mein Glas tippe, schiebt er mir mein Handy vor und greift selbst nach der Karte.
A: Willst du sie vielleicht kurz sprechen? Vielleicht hat sie ein paar nette Worte für ihren Ehemann übrig."
Ich lache etwas und stoße ihm leicht vor die Schulter, bevor er sich in die Karte vertieft und ich selbst greife nach meinem Handy, damit ich einen Anruf per Facetime starten kann.

Es dauert nur wenige Sekunden, bis Julia abnimmt, sodass ich ihr Lächeln sehen kann.
C: Hey Maus...ich wollte nur..."
Ich verstumme, als sie nichts sagt, weil sie es nicht muss. Ich sehe das Bücherregal, wo ich keinen Plan hatte, wie ihre Bücher einsortiert werden müssen, sodass es wie ein einzige Chaos aussieht. Ich sehe unter dem Fernseher das Siteboard, wo meine Filme stehen, die ich noch auf DVD oder ähnlichem habe. Daneben liegen zwei Ordner aus der Halle, die ich für die Arbeit mitgenommen hatte. Und auf dem Regal hinter ihr, wo unterlagen, Verträge oder Kleinkram in den Schubladen sind, steht mein Bilderrahmen mit der Collage meiner Familie. Sie ist zu Hause. Julia ist in Herford. Sie ist etwa 15 Kilometer von mir entfernt und nicht mehr 13.200 Kilometer.
C: Du bist..."
Julia nickt nur leicht, wendet ihren Blick nicht eine Sekunde von mir ab und ich verstehe überhaupt nichts mehr.
J: Alles wird gut Chrissy...ich habe dir gesagt, wie sehen uns morgen...genieße jetzt aber noch deinen Junggesselenabschied."

Julia lächelt noch ein letztes Mal, bevor das Bild schwarz wird und erst einen Moment später verstehe ich, was sie in ihrem letzten Satz gesagt habe und schaue sofort zu meinem Bruder hin, der sich sein Lachen wohl versucht zu unterdrücken.
C: Du wusstest das."
A: Natürlich wusste ich davon etwas."
C: Es ist aber nichts fertig! Überhaupt nichts, da ich den Ordner verloren habe."
A: Den...habe ich eventuell damals aus deiner Wohnung mitgehen lassen..."
Natürlich hat er den damals mitgenommen. Was hatte ich auch anderes erwartet!? Aber...das heißt...wie?
C: Wir haben keine Location."
A: Sie hat die niemals abgesagt, sondern Steffi und mir alles gesagt, was wir mit denen vor Ort absprechen mussten. Deswegen brauchte Steffi vorhin auch so lange."
Dass er seine Frau da auch noch mit reinbekommen hat!
C: Ich habe keinen Anzug."
A: Wir waren Anfang November beim Schneider und der hängt bei mir zu Hause im Gästezimmer und warte nur auf dich."
Und ich habe es nicht hinterfragt, warum ich das gleich zahlen sollte und warum es genau an den Tag sein musste.
A: Wir haben alles so gemacht, wie Julia es uns sagte und wie ihr es im Ordner geschrieben hattet. Es sind auch alle eingeladen, die ihr dabei haben wolltet und das auch mit der Karte, die ihr gestaltet habt...nur du wusstest eben nichts davon."

Einen kurzen Moment braucht es, bis ich den Abend realisiere, was Julia eben gesagt hat und was mein Bruder mir eben beibringe musste. Danach greife ich nach seinen Arm, ziehe ihn zu mir und gehe mit der Faust durch sein Haar.
C: Ich hasse dich manchmal wirklich! Dass du rein gar nichts gesagt hast!"
Er und ich müssen lachen und als Manu zurück kommt, stellt er das Tablett vor uns auf den Tisch und nimmt auch wieder Platz.
M: Dann ist die Neuigkeit auch endlich raus? Können wir dann jetzt endlich etwas essen?"
Das ist typisch Manu, der in die gesamte Situation verwickelt ist. Natürlich, da ich damals gesagt habe, was ich an den Abend mit wem machen wollte. Es ist alles fertig...ich sehe morgen Julia wieder...und wir haben morgen unsere freie Trauung. Ich stütze meinen Kopf in meine Hände, atme einen Moment durch, bevor ich meinem Bruder die Karte aus der Hand reiße, der sie danach nur wieder versucht zu entwenden.
C: Dringend...mir ist gerade dezent schlecht geworden und...ich brauche etwas für meine Nerven, die sich gerade verabschiedet haben."

Manu und Andreas lachen, besorgen sich selbst eine Karte, sodass wir uns alle etwas bestellen könne. In der Zwischenzeit, wo wir auf das Essen warten, spielen wir die erste Partie Darts. Vermutlich auch die einzige des Abends, wo wir alle nüchtern sein werden. Das Essen kam kurz darauf, dann begannen wir unsere Getränke zu mischen, und über den Abend verteilt tranken wir, spielten und redeten. Ich verbrachte mit den beiden genau den Abend, den ich mir vorgestellt hatte, wie er sein sollte.

Gegen eins an Morgen machten wir uns alle auf den Weg. Manu musste sich ein Taxi nach Haus rufen, während mein Bruder und ich zu seinem Haus liefen.
C: Ich habe nicht mal Sachen bei dir Andreas...ich muss mir eventuell mal wieder was leihen."
A: Achso...deine Tasche ist nie verloren gegangen, da ich sie nie aufgegeben habe. Steffi hatte sie wieder mit nach Bünde genommen...tut mir leid, aber anders kam ich nicht an deine Sachen."
Ich weiß nicht, ob ich meinen Bruder für diese Aktion hasse oder liebe. Gut, gerade kann ich das sowieso nicht mehr einsortieren, sodass ich es belasse. Bei seinem Haus angekommen, ging ich ins Gästezimmer. Auf dem Bett liegt meine gepackte Tasche und an dem Kleiderschrank hängt mein Anzug. Ich kann nicht glauben, was morgen ist...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt