Kapitel 143

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Zwei Tage vor der Hochzeit packe ich die letzten Sachen in unsere Tasche. Da wir nur das Wochenende unten in Bayern bei ihrer Familie bleiben wollen, reicht uns eine einzige Tasche. Unsere Klamotten für den Abend haben wir einzeln gepackt, sodass damit nichts passieren kann.

Als ich die Tasche schließe und in den Flur stelle, steht Julia dort auch schon. Sie hatte sich fertig angezogen und wartet im Flur auf mich. Ihre Eltern können nicht mit runterfahren, haben aber etwas für das Hochzeitspaar, was wir mitnehmen sollen. Und da geht es heute noch für uns hin, bevor es morgen runter nach Bayern geht. Bevor ich nach Jacke und Schlüssel greifen könnte, legt Julia ihre Hand an meinen Arm und hält mich davon ab.
J: Chris...was ist mit dir los?"
Hatte ich etwas anderes erwartet? Es war klar, dass sie sieht, dass mit mir etwas los ist. Dass in mir etwas los ist.
J: Liegt es an meiner Familie? Du weißt, dass sie nicht wie meine Mutter sind. Sie freuen sich wirklich, dass ich endlich mal wieder einen Freund mitbringe."
Ich lache, allerdings nur einen ganz kurzen Moment. Danach richte ich meinen Blick wieder zum Boden und schweige, gebe ihr keine Antwort auf ihre Frage.
J: Ich merke, dass dich etwas bedrückt und ich möchte, dass du mir sagst, was es ist Chris. Bitte, ich bin deine Freundin."
C: Ich weiß, es ist nur..."
Dass ich es einfach nicht ansprechen oder aussprechen möchte. Ich will nur los und das vergessen, aber natürlich ist Julia wieder anderer Meinung.
J: Wir gehen erst, wenn du mir sagst, was los ist. Es ist wegen meiner Familie, oder?"
C: Ja...aber auch nicht...es ist kompliziert..."

Ich weiß genau, warum ich nicht gerne dahin gehen will, aber das kann und will ich ihr nicht sagen. Ich bin das in den ganzen Tagen immer wieder durchgegangen und jedes Mal klang es in meinem Kopf schon so abwertend und seltsam, dass ich es jetzt erst recht nicht mehr ansprechen möchte. Ich freue mich wirklich ihre Familie wiederzusehen oder Teile von denen kennenzulernen. Immerhin ja, sie ist meine Freundin und das wohl auch noch etwas länger, so sollte ich auch ihre Familie kennenlernen...es ist einfach nur...kompliziert.

Julia legt danach beide ihrer Hände an meine Schultern und schaut zu mir rauf. Sie lächelt ganz leicht, sodass ich einmal durchatme und weiß, dass sie es wissen will.
C: Wenn ich bei Familienfeiern von Familie Reinelt bin, ist es immer derselbe Ablauf. Mein Bruder und ich gehen irgendwo hin, einer spricht uns an, fragt, was gerade auf Arbeit so los ist und danach kommen normale Gespräche. Wie geht es den Kindern, ist bei mir mal wieder jemand eingezogen, wie geht es Julia...das übliche eben..."
J: Du glaubst, dass sie dich auf...dich...ansprechen werden."
Ich nicke, da es für mich so klingt, als würde ich mich als etwas viel wichtigeres und bedeutenderes einschätzen, aber ich weiß, dass ich das nicht bin. Ich habe es in den letzten Jahren nur von anderen Seiten immer wieder mitbekommen.
C: Wenn sie mich nicht schon kennen seitdem ich 16 Jahre alt war oder so...ich fühle mich einfach unwohl..."
J: Manchmal erkennt man dich gar nicht Chrissy, wenn du privat unterwegs bist."
Ich lache leicht. Ja, da achte ich auch immer drauf. Wenn ich privat unterwegs bin, dann auch so, dass mich die wenigsten erkennen würden. Aber in zwei Tagen?
J: Ich werde dafür Sorgen, dass sie dich in Ruhe lassen Chrissy."
C: Und wenn sie nachfragen?"
J: Dann sag ihnen nicht die komplette Wahrheit oder lüg einfach. Sie werden es dir nicht verübeln, ich kenne meine Familie dafür schon gut genug Chrissy."
Damit hat sie mich auch wieder und ich muss deswegen wieder lachen.

Sie greift danach nach meiner Hand und will mit mir ihre Wohnung verlassen. Zum Haus ihrer Eltern ist es nicht weit, aber sie merkt bereits, dass ich keine Lust auf dieses Treffen habe. Wen wunderts aber auch? Sie findet es nicht verwunderlich, wenn ihre Mutter mir jedes einzelne Mal wieder etwas vorhält, was ich im Leben scheinbar falsch mache. Auf dem Weg dahin halte ich ihre Hand fest du schaue immer wieder zu ihr. Es ist kein lange Aufenthalt dort Christian...wir können schnell wieder von dort weg...hoffe ich...

Sicht Julia...

Wie jedes Mal öffnet mein Vater uns die Tür. Dieser lächelt uns an und nimmt uns einen Moment in Arm. Normal würde ich meiner Mutter helfen, aber mein Vater nimmt uns beide gleich mit raus in den Garten. Darüber bin ich im Grunde auch froh, da ich es nicht immer einsehe, mit meiner Mutter allein zusammen wo zu sein, weil sie nur dann mit mir reden mag. Sie hasste es, wenn Chris in der Nähe ist. Wann kann sie es endlich mal akzeptieren, dass das mein Freund ist und dass ich nicht vorhabe, mich von ihm zu trennen?
T: Danke, dass ihr euch darum kümmert, dass auch unsere Kleinigkeit mit runter kommt."
J: Dafür nicht Papa. Wir sind sowieso anwesend, da würde ein Paket es nur komplizierter machen."

Chris macht keine Anstalten und fällt hier eigentlich auch gar nicht auf. Auch wenn er meine Familie seit Ewigkeiten kennt, er ist und bleibt der schüchterne und zurückhaltende Junge von damals. Ich denke aber, dass es auch an meiner Mutter liegt. Immerhin hatte ich bei seiner Familie immer schon das Gefühl, dass ich mit dazugehöre...meine Mama allerdings, gibt ihm immer schon das Gefühl, dass er hier nicht sein darf und soll. Wie sollte es denn mit den beiden weitergehen, wenn es mit uns beiden weitergeht? Wenn wir jetzt schon zusammen leben und...was wäre, wenn wir wirklich heiraten? Meine Mama würde uns hassen...

Papa lächelt uns an, da Chris und ich beide still gewesen sind. Er war eben Chris und ich musste zu oft wieder an meine Mutter denken.
T: Bianka sollte auch gleich hier sein, dann können wir endlich unseren Kaffee trinken."
Auch wenn Chris nur unter dem Tisch nach meiner Hand greift, damit er merken würde, dass ich bei ihm bin, mein Vater bemerkt seine Reaktion, als er sie anspricht. Mein Vater wendet seinen Blick danach gezielt zu Chris, der das auch mitbekommt.
C: Ich wollte nicht..."
T: Ich weiß, dass sie dich nicht gut behandelt Christian und du musst dich nicht für deine Reaktionen entschuldigen, verstanden? Ich wünschte mir, sie würde das einfach mal hinnehmen, denn ich sehe, wie glücklich du meine Tochter machst."
Papa hat es mit den wenigen Worten dazu gebracht, dass Chris anfangen muss zu lächeln. Ich muss das deswegen auch und lege meinen Kopf kurz an seine Schulter, damit ich meinem Vater ein stummes „Danke" sagen kann. Danach lässt auch Chris meine Hand erstmal wieder los. Wie lange es so bleiben wird...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt