Kapitel 92

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Ich lasse mich zu Hause aufs Bett fallen und starre danach an die Decke. Als ich nach Hause gekommen bin, wollte ich mir Klamotten raussuchen, damit ich danach duschen gehen und mich komplett fertig machen könnte. Das war mein Plan, aber jetzt liege ich auf meinem Bett und starre an die Decke.

Mein verdammter Schrank besteht zu zwei Drittel aus weißen Klamotten für die Klinik. Weiße Hosen, weiße Tops, weiße Polohemden, weiße Hemden, weiße Shirts, weiße Pullover, weiße Jacken und weiße Kittel. Darunter liegen meine Sportsachen, die seit der Zeit, wo ich Chefärztin bin, da liegen und auf Nutzung warten. Und der mickrige Rest ist das, was ich im Alltag trage, wenn ich nicht von oder zur Klinik muss...aber das sind auch nur irgendwelche Shirts oder Pullover!
J: Man sieht, dass das wichtigste mir die Arbeit war...das kann doch nicht wahr sein..."
Ich war seit fast 10 Jahren mit keinem Mann mehr aus und alles, was ich hätte tragen können, hatte daher den Weg aus meinen Schrank gefunden. Ich brauchte es nicht mehr und dachte auch nicht wirklich, dass ich es jemals wieder gebrauchen könnte. Ich atme nochmal tief durch, bevor ich mich wieder aufsetze.
J: Okay Julia, du hast noch eineinhalb Stunden, bis Chris hier ist und du bist überhaupt nicht fertig. Jetzt muss irgendwas gefunden werden, was du tragen kannst."
Ich kann auch einfach nicht einschätzen, was Chris trägt. Chris ist in dieser Hinsicht jedes Mal eine Überraschung, da er normal immer ein Shirt und eine Sweatjacke trägt, aber ich weiß, dass er auch gerne abends mal ein Hemd trägt.

Ich hingegen krame meinen Schrank durch, bis mir einfällt, dass ich noch etwas in meinem Abstellraum hängen habe. Ich nehme meinen Schlüssel und laufe runter ins Erdgeschoss, wo jede Wohnung ein kleinen Raum hat. In meinem stehen ein paar Kisten mit Büchern, alte Bilder und auch ein alter Schrank, wo ich eigentlich nur Tischdecken liegen habe, Oma hatte sie mir gegeben, aber eben auch ein Kleidersack hängt dort noch. Bei der freien Trauung meiner Cousine vor drei Jahren war der Dresscode nicht streng, sondern etwas lockerer und entspannter und außerdem ist das jetzt meine einzige Lösung. Den nehme ich mit, laufe wieder hoch in meine Wohnung und lege den dort auf mein Bett, damit ich den öffnen kann.
J: Einzige Hoffnung Julia...was anderes bleibt dir nicht übrig..."
Ich trug damals einen weinroten Jumpsuit und in den Moment hoffe ich einfach nur, dass damit alles in Ordnung ist und dass der noch sitzt. Der Gürtel davon ist mir damals schon gerissen, aber im Schrank habe ich einen ähnlichen in schwarz und das reicht mir.
J: Etwa eine Stunde, dann kommt Chris...ich sollte mich beeilen..."

Ich lasse den da zwar liegen, gehe aber danach sofort ins Badezimmer. Duschen, dazu Haare waschen und die muss ich danach auch wieder trocknen. Ich hasse zu manchen Zeiten meine glatten Haare, aber ich habe keine Nerven dafür, dass ich mit denen irgendwas anfange. Nur die vorderen Strähnen stecke ich mir weg. Die alten Klamotten lasse ich im Badezimmer und lege sie in die Wäsche, damit ich dann wieder ins Schlafzimmer kann. Dort ziehe ich mir den Jumpsuit an und Gott sein Dank, er passt noch.

Als ich mir gerade den Gürtel umgebunden habe, klingelt es an der Tür. Ich laufe daher in den Flur und drücke den Knopf, damit die Tür unten aufgeht. Es ist kurz vor sechs. Einmal darf und soll dieser Mann zu spät kommen und dann erscheint der hier auch noch zu früh! Aus der Küche nehme ich noch meine zwei Sachen, kann die in die Tasche des Jumpsuits packen und gehe wieder zur Tür und öffne diese, als geklopft wird.
J: Einmal rechnet man mit deiner Unpünktlichkeit und dann kommst du zu früh..."
Chris und ich schauen uns beide an, schweigen und stehen still voreinander. Chris hat sich eine dunkle Hose und dunkle Schuhe angezogen und so, wie ich es gedacht habe, trägt er heute Abend ein weißes Hemd. Seine Haare trägt er dabei im Seitenscheitel.
C: Du siehst wunderschön aus Julia..."
Immerhin bricht er unser seltsames Schweigen, auch wenn ich jetzt nur verlegen nach meinen Schuhen suche, die ich damals hierzu getragen habe.
C: Du kannst auch ganz unkompliziert deine schwarzen Chucks dazu tragen Maus."
Ich schaue zu ihm auf, bevor ich mich wieder vor ihm hinstelle und Chris auch wieder direkt anschaue. Als er leicht lächelt, damit ich meine Unsicherheit vergessen würde, schmunzle ich leicht und nehme daher diese aus dem Schrank und ziehe mir die an. Als ich nach meinen Schlüsseln gegriffen habe, nimmt Chris meine Hand und bringt mich dazu, dass wir beide jetzt meine Wohnung verlassen.
J: Ich habe die Jacke drinnen liegengelassen Chris."
C: Ich gebe dir, wenn, meine, mach dir da keine Sorgen Maus."
Es ist wieder so typisch Chris, sodass ich leicht lache, während wir zu seinem Auto gehen.

Während der Fahrt schaue ich raus auf die Straße, höre im Hintergrund die Musik und versinke etwas in Gedanken. Chris legt irgendwann während der Fahrt eine Hand auf mein Bein. Zuerst schaue ich dahin, bevor ich meinen Blick zu Chris hinrichte. Chris bemerkt dabei auch meinen Blick und wird sichtlich nervöser und unsicherer.
C: Tut mir leid..."
Gerade, als er diese wieder wegziehen will, greife ich einen Moment nach seinem Arm, damit er die Hand an meinem Bein lässt. Danach lasse ich seinen Arm wieder los und sehe ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. Auch ich lächle danach zufrieden und schaue im Anschluss wieder raus auf die Straße.
C: Ich war noch nie sonderlich gut in sowas..."
J: In was genau Chrissy?"
Chris lacht ganz leicht und vermutlich auch, damit er seine eigene Unsicherheit verdecken kann. Wir beide sitzen hier aber gerade wie junge Teenager, die ihre erste Liebe daten...und irgendwo stimmt das auch bei uns beiden.
C: In Beziehungen...Liebe...Dates...in sowas eben. Da war ich noch nie sonderlich gut drin..."
Auf was das, dieser Abend, dieser „Neuanfang" hinläuft, kann ich hier nicht sagen. Ich weiß nicht, was aus uns wird...aber wenn er dabei ist, gehe ich das Risiko und die unbekannte Reise gerne entlang.

Chris hält wenige Minuten später auf dem Parkplatz eines Restaurants. Wir beide steigen aus dem Auto aus, wobei er noch seine Jacke vom Rücksitz mitnimmt. Zusammen haben wir einen Tisch draußen auf der Terrasse zugewiesen bekommen. Chris zieht mir dabei den Stuhl noch kurz vor, wo ich mich setze und hängt über meine Lehne auch seine Jacke.
C: Falls dir kalt werden sollte."
Ich lächle Chris an, als er sich mir gegenüber setzt. Der Kellner nimmt unsere Bestellung auf, sodass wir kurz darauf auch unsere Getränke bekommen...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt