Kapitel 65

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Heute

Ich sitze bereits auf dem Ast des Baumes, der heute noch immer am Kiesteich in Herford steht. Dabei schaue ich die ganze Zeit zu Julia nach unten, die gerade noch dabei ist, zu mir nach oben zu klettern.
C: Schaffen wir es Mäuschen?"
Ich lachte und sehe dann ihren gespielt patzigen Blick. Damals konnte ich das überhaupt nicht, da war sie mir immer überlegen. Da ich jetzt aber eher körperlich arbeite als Julia es tut, habe ich jetzt einen Vorteil.
J: Nicht frech werden Chrissy..."
Bevor sie bei mir sein würde, rutscht sie von einem Ast ab. Ich kann noch so schnell reagieren und greife nach ihrer Hand, sodass sie nicht fällt. Ich ziehe sie danach hoch, sie legte ihre Arme dabei um mich, da sie das erschrocken haben muss.
C: Können wir ja von Glück sprechen, dass ich nicht mehr der kleine und schwache Junge von damals bin."
Daraufhin kann auch sie wieder leicht lachen, schaut mich nochmal an und lässt mich dann auch wieder los, setzt sich ordentlich neben mich hin.
J: Danke für den Tag Chris..."
Sie legte nur noch ihren Kopf an meine Schulter, was mich leicht zum Lächeln bringt.

Ich bin gerade mitten im Stress der Tour, am Mittwochabend muss ich wieder los und habe zudem auch noch einiges zu erledigen in der Halle. An den Tag habe ich mir aber für Julia frei genommen. Sie hat Geburtstag, ist wie ich jetzt 39 Jahre alt und für meine beste Freundin mache ich so einiges. Montags hatte Julia immer schon frei, außer es gab einen Notfall. Heute verbrachten wir den gesamten Tag zusammen. Gleich wollen wir noch zu mir fahren und den Abend zusammen ausklingen lassen. Das machen wir montags immer. Wir fahren zu einen von uns beiden, trinken etwas und haben einen schönen Abend.

Ich schaue kurz darauf auch wieder zu Julia hin. Auch wenn sie immer die logische und rationale von uns beide war, bei solchen Momenten war sie immer schon sehr verträumt und ihren Blick fand ich dann immer schon süß und liebenswürdig. Das bemerkt sie aber irgendwann. Julia bemerkt, dass ich sie anschaue. Ihr war das nicht unangenehm, aber ich fühle mich ertappt und wende meinen Blick von ihr ab.
J: So interessant Chrissy?"
C: Ich war etwas in Gedanken, mehr nicht Maus."
J: Natürlich."
Sie dreht meinen Kopf wieder zu sich und sieht somit auch, dass ich rot geworden bin, da mir das wirklich peinlich ist.
J: Der verträumte Chris Ehrlich hatte sich etwas vergessen."
C: Das Gegenteil kannst du mir nicht beweisen Maus. Ich finde es aber schon irgendwie süß, wenn du so verträumt wegschaust und den Alltag wohl mal für einen Moment vergisst."
Sie lächelt dann wieder, lässt meinen Kopf los, setzt sich ein Stück näher an mich ran, sodass ich danach einen Arm noch um sie legen kann.

Seit sie Chefärztin ist und seit ich mit meinem Bruder so viel durch Deutschland toure, haben wir weniger Zeit füreinander. Jeden Moment, den wir haben, nutzen wir aber. Auch nachts, wenn ich allein im Bus sitze und sie Nachtschicht hat, telefonieren oder schreiben wir oft. Man könnte denken, wir wären ein altes Paar, was schon viele Jahre zusammen ist, aber wir sind nur beste Freunde und eben nicht mehr.

Nur kurz schaue ich zu Julia hin, bevor ich mir auch den Sonnenuntergang anschaue.
J: Danke für den Tag Chris. Ich weiß, dass du gerade auch noch andere Sachen zu tun hast und dass du dir extra wegen mir freigenommen hast."
C: Mein Bruder wird auch mal einen Tag ohne mich auskommen, da bin ich mir sicher."
Sie lacht und schaut zu mir rauf. Mit meiner Hand lege ich kurz ihr Haar hinter ihr Ohr. Dieses trägt sie heute noch immer so kurz, wie sie es sich damals geschnitten hatte. Bis heute habe ich dazu keine logische Erklärung bekommen. Es wäre am praktischsten für den Beruf, aber aus irgendeinen Grund glaube ich ihr das nicht. Sollte ich ihr aber unterstellen, dass sie mich angelogen hatte damals?
C: Außerdem kommst du doch noch mit zu mir Maus, oder?"
J: So war es doch geplant Chrissy."
Wir waren so oft bei den anderen über Nacht, sodass wir immer schon Sachen für ein paar Nächte bei den anderen liegen hatten.
C: An deine Geburtstag würde ich dich auch niemals allein lassen Maus."
Julia lächelt verlegen und schaut danach auch wieder weg.

33 Jahre sind eine lange Zeit, wo wir beide uns jetzt schon kennen. Ich könnte mir ein Leben ohne sie auch nicht mehr vorstellen. Zu wissen, dass ich sie jeden Montag sehen, dass gehört zu meinem Leben fest dazu. Das ist so eingeplant. Ich weiß, was sie in den ganzen Jahren für mich getan hat und dass ich bei ihr eben auch nur Christian Reinelt bin. Das, was ich in der Öffentlichkeit bin, das ist zwischen uns beiden kein Thema. Und für diesen Moment der Normalität bin ich ihr auch mehr als dankbar. Sie gibt mir immer noch wieder ein normales Leben, was mir sonst fehlt. Zudem...gibt sie mir ein wohles Gefühl, dass ich auch angekommen bin...obwohl ich das noch gar nicht bin...

Als ich wieder mit den Gedanken wo anders bin, schaut Julia wieder zu mir. Ich kann meine Verträumtheit noch überspielen, sodass wir nicht wieder zu der vorherigen Thematik kommen. Ich lächle, sie sieht das und lächelt selbst wieder.
J: Wollen wir gleich zu dir Chrissy?"
C: Wenn du es so möchtest Maus. Ist auch schon spät geworden."
Sie schaut mich noch an, bevor sie ihren Kopf wieder gegen meine Schulter legt und ihre Augen einen Moment schließt.
J: Ich würde gerne zu dir fahren...noch ein bisschen Zeit mit dir in Ruhe haben."
C: Das klingt sehr gut Mäuschen."

Ich bin der erste, der wieder vom Baum klettert. Während Julia mir nachkommt, passe ich auf sie auf und reiche ihr zum Schluss noch eine Hand, die sie auch annimmt.
J: Danke."
C: Ich würde niemals zulassen, dass dir etwas passiert Maus."
Sie lächelt verlegen, schaut danach weg und geht vor zu meinem Auto. Sie konnte zu Fuß herkommen, da sie noch immer in der Wohnung in Herford lebt. Meine ist noch immer in Enger. Ich hatte seit Franziska keine ferste Freundin mehr und sah es daher nie ein in eine andere Wohnung ziehen zu müssen. In einer anderen hätte ich mich auch nicht mehr zu Hause gefühlt, als in Enger...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt