Kapitel 116

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Ich werde am Morgen vor meinem Wecker wach. Ich habe gestern nicht die Rollladen runtergelassen, die das Zimmer abdunkeln und ich war dort immer schon empfindlich. Als ich mir jetzt über die Augen wische und langsam wieder ordentlich sehen kann, sehe ich auch Julia, die noch ruhig neben mir schläft. Ich muss anfangen zu lächeln.

Sie liegt noch so friedlich neben mir, während ich sie nochmals mustere. Ich kenne sie Ewigkeiten, aber ich habe sie noch nie so intensiv anschauen dürfen und können wir gestern Nacht und jetzt hier. Vorsichtig lege ich eine ihrer Haarsträhnen ihr aus dem Gesicht, was sie mit einen kurzen, aber durchaus niedlichen, Ton kommentiert. Ich muss mich wirklich zusammenreißen, dass ich nicht anfange zu lachen. Vor einen Monat hätte ich nie gedacht, dass wir morgens, nach einer solchen Nacht, mal nebeneinander aufwachen würden. Ich wollte sie immer vor mir schützen, ihr das Beste geben, was sie verdient hat...und aus irgendwelchen Gründen bin ich das scheinbar für sie. Ich bin dankbar für ihre Chance, die sie mir gibt...und dabei nicht mal nur das, was wir Miteinander jetzt haben. Julia zeigt mir gerade das Leben aus einer zu schönen Perspektive. Seit mein Vater verstorben ist, ist vieles bei mir nur noch schwarz-weiß gewesen. Sie war immer schon ein Lichtblick, aber dass sie mir zeigen kann, wie perfekt mein Leben sein kann...ich will für sie nur das Beste...

Bevor ich aufstehe, lege ich die Decke noch etwas weiter über sie, damit sie sich, wenn sie aufwachen sollte, nicht unwohl fühlen muss. Danach gehe ich zu meinen Sachen, schaue aber immer wieder zu ihr zurück. Wir beide müssen uns in vielen Dingen noch kennenlernen und wissen, wie wir sind. Ich schätze sie als Freundin sehr, aber lerne sie gefühlt nochmal neu kennen. Zwischen den Momenten, wo ich wieder zu ihr schaue, nehme ich mir neue Sachen aus meiner Tasche. Nachdem ich mir Shorts und Hose angezogen habe, stehe ich vor dem Fenster, schaue runter auf die Straßen und schließe gerade meinen Gürtel, als ich das Rascheln der Decke mitbekomme. Ich drehe mich wieder um und schaue Julia direkt in die Augen. Diese hatte sich aufs Bett gesetzt, die Decke noch halbwegs über sich gelegt und schaut zu mir. Ich bin lange nicht mehr am Morgen nach einer gemeinsamen Nacht neben einer Frau aufgewacht. Franziska und ich hatten eine spezielle Beziehung zueinander und die One-Night-Stands sind immer weg gewesen. Jetzt stehe ich aber vor ihr und weiß auch nicht, wie sie mit dem, was gestern zwischen uns war, auskommt. Ob alles gut war, wie ich es denke und dachte. Meine nervösen Blicke muss Julia auch mitbekommen haben, da sie anfängt zu lächeln und ihren Kopf danach leicht schräg legt.
J: Guten Morgen Chrissy..."
Zuerst lache ich ganz leicht, bevor ich sie auch anlächle.
C: Guten Morgen Mäuschen."

Ich gehe wieder zu ihr zum Bett und knie mich vor ihr auf die Matratze, damit ich danach meine beiden Hände an ihre Schultern legen kann. Julia hat die Decke so über sich gelegt, dass ich sie noch immer etwas mustern kann. Dieses Mal schaut sie nicht unsicher weg, sondern hält den Blickkontakt zu mir aufrecht.
C: Du bist eine wunderschöne Frau Julia."
Als ich meinen Blick wieder zu ihr richte, schaut sie auch nicht wieder peinlich berührt weg. Sie lächelt ganz zurückhaltend und bringt mich daher auch zu einem leichten lächeln.
C: Das sage ich jetzt nicht nur wegen der letzten Nacht und auch nicht einzig bezogen auf dein Aussehen, wobei ich das definitiv nicht runterreden will."
Darauf muss sie anfangen zu lachen. In derlei Unterhaltungen waren wir beide wohl noch nie sonderlich gut, aber sie funktionieren auf unsere Weise.
C: Du hast sehr viele liebenswürdige Seiten an dir...und...ich bin dir dankbar, dass du mir die Chance gibst, jede einzige davon kennenzulernen. Ich muss noch viele deiner Seiten kennenlernen, das weiß und merke ich...aber auf jeden dieser Momente freue ich mich."

Julia lehnt sich kurz darauf zu mir und legt ihre Lippen auf meine. Einen Moment später legt sie ihre Hände hinter meinen Kopf und bringt mich dazu, dass wir beide wieder ins Bett fallen und ich dabei auf sie drauf. Als wir beide uns wieder anschauen, streicht sie mir durchs Haar.
J: Danke, dass du mir die Liebe zeigst, Chris."
Über diese Aussage bin ich sichtlich verwirrt. Ich selbst habe immer schon gesagt, dass ich nicht gut in sowas bin. Auch, dass ich keine Ahnung von all dem habe und immer nur versuche, ihr das Beste zu geben. Ich mache nichts Besonderes, so sehe ich es immer an. Ich mache nur das, was sie verdient hat als meine Freundin.
C: Ich...verstehe das nicht Maus...was meinst du damit?"
J: Dass du mir zeigst, was wahre Liebe wirklich bedeutet. Zeit, warten, Verständnis. Ich hatte immer Angst, mich in dich zu verlieben...heute habe ich Angst, dich zu verlieren. Ich fühle mich endlich angekommen, aufgenommen und vollkommen wohl. Liebe wurde mir immer gezeigt, es wäre etwas zum Zweck. Um nicht allein zu sein. Man kann sich aber auch mit dem Partner einsam fühlen."
Ich wünschte mir so oft schon, ich hätte sie doch nicht mit Alex bekannt gemacht. Hätte ich gewusst, was sein Verständnis einer Beziehung ist, dann hätte ich sie vor dem Typen beschützt. Da habe ich versagt...ich lasse meinen Kopf hängen, wo sie aber gleich eine Hand ran legt, damit ich sie wieder anschaue.
J: Ich fühle mich hier wie zu Hause...du zeigst mir die Liebe...du bist alles, was ich jemals haben wollte."

Julia lächelt, ich lächle und danach drücke ich ihr wieder einen Kuss auf die Lippen. Dieses Mal legt Julia ihre Arme eng um mich und hält mich bei sich, damit sie mich weiterhin küssen kann. Ja, auch für mich ist das hier mein zu Hause...alles, was ich jemals haben wollte. Und auch wenn wir erst einen Monat zusammen sind, Alina wird Recht behalten. Sie wird irgendwann meine Zukünftige sein, denn ich wäre verdammt, wenn ich diese Frau nochmal wieder gehenlassen würde.
J: Chrissy..."
Zögernd löse ich mich von ihr und lege meine Hände an ihren Kopf. Dabei sehe ich ihr liebliches Lächeln.
C: Ich will hier gar nicht weg Maus..."
Julia fängt an zu lachen, als ich ihr das Wort nehme, da ich sie wieder küsse und mich danach wieder vorsichtig auf sie lege. Danach spricht keiner mehr von uns. Sie streicht nur vorsichtig mit ihrer Hand durch mein Haar und ich genieße diese kleine Geste meiner Freundin...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt