Kapitel 13

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Ich hatte eine Kindheit ohne viele Probleme, da ich vieles einfach nicht verstanden hatte. Ich wusste nicht, warum Mamas Familie nicht kommen konnte. Ich wusste nicht, warum mein Bruder oft so aufgelöst aus der Schule kam. Ich wusste es nicht und meine Familie versuchte mir eine heile und gute Welt zu spielen. Ich war eben der kleine Christian, den man keine Angst machen wollte. Ich war der kleine Christian, den man vor der richtigen Welt noch schützen wollte.

Julia schaute mich an, danach wieder nach draußen. In den kürzeren Ferien konnten wir uns auch immer treffen, aber Besuch bedeutete immer, dass wir bei der Familie bleiben mussten. Wir konnten nicht einfach zu den anderen gehen oder fahren. Es fuhren sowieso fast keine Busse damals und unsere Eltern hätten das niemals erlaubt.
J: Denkst du, wir können uns in den nächsten Tagen nochmal treffen?"
Ihren Blick richtete sie damals nicht wieder zu mir. Damals konnte ich mir noch nicht erdenken, warum sie immer so gerne von zu Hause raus wollte. Ihre Eltern waren speziell, niemals gewalttätig, aber sie hatten eben Vorstellungen, was Julia werden sollte und was sie tun und lassen kann. Ich kannte sowas von zu Hause aber nicht. Mama und Papa standen immer hinter uns, ließen uns machen und versuchten uns beizustehen, wenn unsere Ideen nicht zu abwegig oder träumerisch waren.

Für Julia hätte ich damals aber schon alles getan. Sie war damals schon für mich ein unfassbar wichtiger Mensch, auch wenn ich noch nicht wissen konnte, wohin das mal führen würde.
C: Natürlich Julia. Du kannst sehr gerne nochmal mit zum Spielen zu mir kommen."
Daraufhin lächelte sie sofort und schaute mich auch wieder an. Auch ich lächelte, ich freute mich über jeden Moment, den ich mit ihr haben konnte. Viele dieser Momente würde ich niemals vergessen können und daran erinnere ich mich heute noch gerne.
C: Wie wäre es mit Freitag nach der Schule? Ich kann Mama und Papa heute Abend fragen und dir morgen Bescheid geben."
J: Das klingt gut. Ich spreche heute mit meinen Eltern und kann es dir morgen auch sagen."

Wir beide lächelten zufrieden. Zu wissen, dass wir bald wieder mehr Zeit zusammen haben, dass sie wieder einen Nachmittag bei mir ist, das brachte mich immer zum Lächeln. In den Tagen wollte ich nicht daran denken, was wäre, wenn sie jemals gehen müsste. Das kam mir auch gar nicht in den Sinn. Sie war für mich sowas, wie es meine Geschwister waren. Auch die waren immer bei mir und hatten mich nie verlassen. Warum hätte es bei ihr anders sein müssen?

Kurz darauf klingelte es auch für die nächste Doppelstunde. Die Pause mit ihr in der Klasse war damals eine meiner liebsten Pausen. Im Winter konnten wir nicht auf die Bäume klettern, davon wären wir nur abgerutscht. Die Lehrer hatten es uns daher verboten, schon vor Jahren. Wir liefen dann immer nur rum, da keiner uns bei sich haben wollte. Die Pause brachten wir also einfach nur rum, sprachen, spielten und gingen den anderen aus den Weg.

Die ersten Schüler kamen wieder in der Raum und schauten uns auch an. Einige von ihnen froren, wärmten sich aber schnell wieder auf. Julia saß noch immer unter ihrer Decke, Vanessa und Hannes schauten uns damals mehr als wütend an. Hannes konnte mich nicht leiden und obwohl Julia und Vanessa nebeneinander saßen, so hasste sie Julia nun auch. Ich weiß nicht, ob es an mir lag. Dass jeder einfach ein Problem bekam, der in meiner Nähe war, oder ob die beiden sich wirklich nicht ausstehen konnten.
Hannes: War es schön drinnen?"
Man konnte sehen, dass die wieder Fußball gespielt hatten und dass er dabei hingefallen sein muss. Ihm passte es damals nicht, dass Julia hierbleiben musste und dass Frau Schlegel mich mit hier ließ.

Vanessa kam danach nach vorne und stelle sich vor unseren Tisch, schaute Julia genauer an. Ich traute ihr damals schon nicht, aber was hätte ich machen sollen? Vanessa achtete genau darauf, dass Julia nur auf sie achtete. Ich ließ mich auch von ihr ablenken, bemerkte aber Hannes kurz darauf, der hinter Julia stand, er hatte eine Schere in der Hand. Ihre Haare trug sie wie fast jeden Tag zu zwei Zöpfen. Hannes griff nach einen und schnitt den ab. Bevor er das mit dem anderen machen konnte, griff ich nach der Schere. Er schnitt mir dadurch in die Hand.
C: AHHH!"

Ich kann mich an das, was dann war, kaum erinnern. Ich weiß noch, dass meine ganze Hand geblutet hatte, dass das auch auf den Boden lief. Dass ich weinend auf den Boden lag, Julia neben mir saß und versuchte, dass ich nicht mehr blutete. Frau Schlegel kam in den Raum, sah mich, schrie Hannes einen Moment an, da jeder es ja gesehen hatte und kümmerte sich danach um mich.

Ich kam damals schon nicht mit Ärzten oder ähnlichem klar, wollte nicht ins Krankenzimmer oder ins Krankenhaus fahren. Einzige Bedingung, wie ich ins Krankenzimmer ging, war, dass Julia bei mir blieb. Wegen mir wurde damals ein Krankenwagen gerufen, da meine Verletzung nicht sehr gut aussah, der Schnitt war tief. Julia saß neben mir, mein Vater kam etwas später auch dazu. Immerhin konnte ich damals nicht ohne Einverständnis ins Krankenhaus fahren. Der Krankenwagen brachte mich dahin, mein Vater fuhr damals nach, immerhin war er mit dem Auto jetzt hergekommen. Auch Julia wurde von ihrer Mutter abgeholt, das aber anhand dessen, was Hannes mit ihr getan hatte.

Ich war zwei Stunden im Krankenhaus. Der Schnitt konnte damals geklebt werden mit Stripes, darum wurde ein Verband gewickelt. Zehn Tage musste das so bleiben, dann wieder zum Arzt gehen. Die Narbe davon habe ich heute noch und die kann man auch noch sehen. Natürlich bekam ich etwas gegen die Schmerzen. Das war der erste Tag, wo mir gezeigt wurde, wie grausam andere Menschen sein können. Wir hatten ihnen nichts getan, aber trotzdem hatten sie Julia und mir sowas angetan. Den Tag war ich zu Hause, lag unten im Wohnzimmer auf dem Sofa, da ich von den Schmerzmitteln unfassbar müde geworden bin. Ich aß am Abend fast nichts, meine Eltern telefonierten mit meiner Klassenlehrerin und danach mit den Eltern von Hannes. Der musste deswegen zum Schulleiter, es gab ein Gespräch mit den Eltern. Ich hätte den am liebsten niemals wiedergesehen, aber leider sollte er mir noch einige Jahre erhalten bleiben. Meine Eltern wollten, dass ich am nächsten Tag zu Hause bleibe. Ich wollte aber zur Schule. Ich hatte Angst, dass etwas mit Julia passieren könnte. Sie ließen mich gehen...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt