Kapitel 55

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Vier Uhr morgens. Ich lag in meinem Bett und schlief tief und fest, als sich mein Handy meldete. Es war das Handy der Klinik, das hörte ich am Ton. Ich musste den damals so einstellen, dass ich den auch im Schlaf hören würde. Ich dachte, es wäre eine einfache Frage, die ich schnell beantworten könnte. Ich dachte nicht daran, dass ich mein Bett verlassen müsste. Nur eine banale Frage würde es sein.

Ich blieb damals liegen und griff im Halbschlaf nach dem Handy und nahm den eingehenden Anruf auch an.
J: Doktor Julia Rose?"
Ich hörte zuerst nichts, wurde daher etwas wacher und wartete einen Moment. Hatte derjenige mich nicht gehört?
J: Doktor Julia Rose? Was kann ich für Sie tun?"
Eine Schwester am Empfang, die mich nicht kannte? Mir kam es seltsam rüber, da ich sowas noch nie hatte. Ich setzte mich etwas im Bett auf und wartete wieder einen kurzen Moment. Als ich nochmal etwas sagen wollte, hörte ich das Schluchzen auf der anderen Seite und wusste sofort, dass es nicht das Krankenhaus ist.
C: Mein Vater Julia...bitte..."
J: Was ist mit ihm Chris? Du musst es mir bitte beschreiben."
Ich stand damals sofort auf und ging zu meinem Schrank, damit ich eine Hose und ein Shirt greifen konnte. Ich stellte das Handy auf laut und legte es auf den Rand des Betts.
C: Ich kann es dir nicht sagen..."
Ich weiß, wie schrecklich es für ihn sein musste, dass ich ihn quasi dazu zwang, seinen Vater nochmal genauer anzuschauen, wo er das wohl nicht wollte.
J: Bitte Chris, was ist mit ihm los? Kurzatmig? Orientierungslos? Schwach? Was ist mit ihm?"
C: Ja, das was du sagtest...so benommen auch...bitte komm schnell..."
Ich konnte es nie hören, wenn Chris weinen musste. Er war in meinen Augen immer ein großer und starker Mann und ihn so sehen zu müssen, das schmerzte immer sehr.
J: Ich mache mich jetzt auf den Weg. Ich brauche einen Moment nach Bünde Chris, aber ich beeile mich. Jemand soll bitte bei ihm bleiben. Legt etwas kühles auf seine Stirn. Ich bin gleich da."
C: Danke..."

Ich legte damals auf und lief in den Flur. Ich zog mir dort wieder meine Schuhe von der Arbeit an und legte mir auch den Kittel um, damit ich ein paar Sachen dabei hatte. Meine Tasche nahm ich schnell aus meinem Arbeitszimmer mit und dann verließ ich mit dem Schlüssel meine Wohnung. Ich weiß nicht, ob ich damals einen meiner Nachbarn geweckt hatte, aber zu den Zeitpunkt war mir das auch egal. Ich musste nach Bünde. Ich musste zu der Familie, die mich wie ein eigenes Mitglied damals vor fast 30 Jahren aufgenommen hatte.

Von Herford nach Bünde war es kein zu langer Weg, aber ich brauchte meine Zeit. Zudem hatte ich auch keine Lust selbst einen Unfall zu bauen oder angehalten zu werden. Ich fuhr so schnell, wie ich konnte und durfte und kam nach einiger Zeit auch bei dem Elternhaus von Chris an. An der Tür stand damals Andreas. Er ließ mich rein und ich lief ihm nach. Im Wohnzimmer saßen auch Chris und Sylvia. Sie schauten mich einen Moment an, aber Andreas brachte mich ins Schlafzimmer, wo auch Hedi auf dem Bett saß.
H: Julia..."
Ich stellte meine Tasche auf den Boden und suchte nach ein paar Sachen.
W: Julia..."
Ich war froh, dass er zu mir sprach. Ich hatte schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Mit den Sachen, die ich brauchte, ging ich zu ihm ans Bett und setze mich vorsichtig neben ihn, untersuchte ihn schnell. Hedi schaute es sich einen Moment noch an, verließ danach aber das Zimmer und schloss hinter sich die Tür.

Ich saß um halb fünf am Morgen im Elternschlafzimmer meines besten Freundes und war bei seinem Vater, der vor einigen Monaten eine katastrophale Diagnose bekommen hatte. Ein Moment, wo ich mir wieder wünschte, keine Ärztin zu sein.
W: Hedi geht das alles immer sehr nah."
Werner sah auch in den düstersten Zeiten immer noch etwas Gutes und versuchte jeden um sich rum aufzumuntern. Auch jetzt. Er wollte immer nur das Beste für seine Familie.
W: Es ist wegen der Krankheit, oder?"
Ich nickte schweigend und schaute danach zu ihm hin. Er lächelte mich schwach an, aber ich sah ihm an, dass ihn das einiges abverlangte, dass er am Ende war.
J: Ja Werner, das ist wegen der Krankheit."
W: Ich wollte noch so gerne sehen, wie meine Söhne diese Show spielen."
J: Sag sowas bitte nicht."
Auch wenn ich wusste, was das alles bedeuten wird und was es bald mit sich bringen wird, ich wollte von ihm jetzt nicht hören, dass er diesen Tag im Leben seiner Söhne nicht mehr erleben wird. Das wollte ich nicht hören und ihm auch nicht sagen.
W: Ich bin so unfassbar stolz auf die beiden..."
Ich zwang mir ein Lächeln ab, wollte aber weinen.
J: Ich auch Werner."

Nach ein paar weiteren Minuten ging ich zu Hedi in den Flur. Ihre Kinder saßen alle im Wohnzimmer. Es war totenstill im Haus und das bedrückte mich nur noch mehr.
H: Und?"
Sie war damals auch aufgelöst und wartete auf das, was ich jetzt sagen musste.
J: Er muss dringend ins Krankenhaus Hedi. Er brauch eine bessere Behandlung als das, was ich ihm jetzt geben kann."
Sie schwieg und nickte danach nur. Ich versprach ihr, die ganze Zeit bei ihm zu bleiben und das tat ich auch. Während sie telefonierte und in der Zeit, wo wir warteten. Ich sprach damals auch mit den Sanitätern und fuhr mit ihnen ins Krankenhaus Herford. Ich hielt mein Versprechen und blieb bei ihm. Werner kam damals zuerst zu anderen Untersuchungen, zu einem Spezialisten, bevor er auf Station kam.

Sieben Uhr am Morgen und ich stand in seinem Zimmer, schloss die Infusion noch an.
W: Danke Julia...für so vieles."
J: ich wünschte, ich könnte mehr für dich tun..."
W: Was ist das mit dir und Christian?"
Ich schaute ihn damals verwirrt an. Noch nie hatte uns jemand darauf angesprochen, er war der erste.
J: Wir sind nur beste Freunde Werner, mehr nicht."
W: Franziska hatte ihn wegen dir betrogen. Mein Sohn ist nicht der, den du immer siehst. Er weiß, dass er Mist gebaut hat Julia..."
J: Kann sein, aber Chris ist nur mein bester Freund Werner."
Ich sah Chris als jemanden an, in den man sich nicht verlieben sollte. Der mit sowas einfach nichts anfangen kann und der eine Beziehung zu einer Frau nur nutzte für die Lust beider Personen. Etwas ernstes, das konnte nicht funktionieren...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt