Kapitel 68

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Auch heute bin ich wieder zu spät bei der Halle. Andreas wird sich deswegen nicht beschweren, meine übliche Verspätung eben, aber wegen gestern...ich kann ihn da jetzt schon hören und bin teils genervt. Mein Auto kann ich auf einen der Plätze stellen, danach steige ich aus, nehme die Sachen noch mit und gehe zur Halle und zu den Büros.

Mit der Kiste auf den Armen kriege ich gerade so die Tür zu den Büros auf. Als ich im Büro stehe, steht mir mein Bruder auch schon direkt gegenüber. Ich schaue ihn nervös an und kaue dabei leicht auf meiner Lippe, da ich auf ein Gespräch, eine Diskussion, eine Standpauke, gerade keine Lust und keine Nerven habe.
C: Hey Bruder..."
Seine Mimik ändert sich nicht. Auch wenn er ruhig aussieht, ich kann spüren, dass er wütend auf mich ist und das zeigt er mir hier auch mit seiner kalten Ausstrahlung.
C: Ich...die Unterlagen...ich habe die hier und..."
A: Sie sollten gestern schon hier sein. Genauso wie du Chris. Du solltest gestern hier sein."
C: Ich weiß, aber..."

Es gibt kein „aber" bei der Sache und das weiß er auch. Andreas schaut kurz zur Seite weg, geht sich durch sein Haar und schaut danach wieder zu mir.
A: Du solltest hier sein! Wir haben gewartet und du!? Du warst wieder nicht hier Chris! Du kannst nicht einfach so wegbleiben! Wir müssen dir doch vertrauen und auf dich zählen können!"
Meinen Kopf lasse ich leicht hängen, kann meinen Bruder aber noch weiterhin anschauen. Mein Schweigen nervt ihn dabei aber nur weiter.
A: Du hattest gesagt, du würdest etwas später kommen! Chris!"
Ich schaue wieder zu ihm rauf, immerhin hat er mich angesprochen.
A: Willst du rein gar nichts dazu sagen!"

Ich stehe schweigend und kleinlaut vor meinen wütenden Bruder, der auch berechtigt wütend ist. Allerdings war ich von uns beiden schon immer der sensible. Ich konnte es noch nie leiden, wenn er mich anschreit. Wenn wir uns beide streiten ist das etwas anderes. Aber wenn nur er mir gegenüber laut wird, stehe ich wie ein kleiner Junge wieder vor ihm. Wäre ich noch sechs Jahre oder so, dann hätte ich vermutlich geweint, da ich damit nicht umgehen konnte...kann es heute ja auch noch nicht.

Da ich ihn so nicht sehen kann, schaue ich wieder nach unten, wobei ich gleich merke, dass er noch etwas näher zu mir kommt.
A: Schau mich an, wenn ich mit dir rede! Chris bitte! Wir warten hier auf dich, auf die Unterlagen, auf den zweiten Chef und du kommst nicht! Wir wollten etwas wichtiges planen und..."
Ich hebe meinen Kopf wieder und schaue ihm direkt in die Augen. Andreas unterbricht seine Standpauke daher und schaut mich still an. Er atmet tief durch und geht etwas weiter von mir weg, geht etwas umher, damit er sich wieder beruhigen könnte. Einen kurzen Moment legt er seinen Kopf in den Nacken und schaut danach wieder zu mir.
A: Chris..."
Ich schweige noch immer, stehe still und starr vor der Tür und versuche Andreas weiterhin anzuschauen. Er wird ruhiger und senkt seinen Kopf, bevor er mich leicht bedrückt anschaut.
A: Es tut mir leid...ich wollte dich nicht anschreien...ich weiß, dass du das nicht leiden kannst..."

Er vergisst sowas immer wieder, da uns beide das ganze hier immer wieder sehr stresst. Aber genauso wie damals versucht er heute noch immer mich zu schützen. Ich war immer schon sein kleiner, schüchterner und sensibler Bruder und er weiß, wie ich auf sowas reagiere.

Andreas zeigt mir, dass ich ihm nachgehen soll, was ich zuerst schweigend auch mache.
C: Tut mir leid..."
Er seufzt, schaut einen Moment zu mir zurück, bevor wir die Treppe hochlaufen. Oben stelle ich die Kiste auf meinen Schreibtisch und bleibe davor auch erstmal stehen. Andreas kann ich gerade nicht ansehen.
A: Warum warst du nicht da?"
Er steht hinter mir, geht aber ein paar Schritte von mir weg, gibt mir Platz. Ich allerdings antworte nicht auf seine Frage und daher weiß er sie auch gleich.
A: Du warst bei Julia."
C: Weil gestern ihr Geburtstag war."
Ich drehe mich sofort zu ihm um und versuche panisch zu erklären, warum ich nicht kommen konnte, und zugleich wollte ich verhindern, dass er auf dumme Gedanken wieder kommt. Dass er wieder das gleiche Thema anspricht.
C: Du weißt, dass ich sie da nicht alleinlassen wollte, immerhin ist sie dann auch immer bei mir. Wir sehen uns immer am Montag Andreas. Ich konnte es dir aber nicht sagen, da ich wusste, dass du das nicht verstehen würdest. Ich weiß, dass ich es hätte tun müssen, dass das ein Fehler war und es tut mir auch leid."
Wieder seufzt er, lehnt sich gegen seinen Tisch und verschränkt seine Arme vor seiner Brust.
A: Wann willst du es ihr endlich sagen? Dir endlich eingestehen?"
C: Nichts muss ich mir eingestehen und nichts muss ich ihr sagen!"

Jetzt bin ich es, der laut wird. Andreas reagiert darauf aber nicht, da das bei mir nicht lange anhält. Wie er ruhig sein kann, obwohl er es eben nicht war, weiß ich auch nicht, aber ich meide nervös und mit einem unwohlen Gefühl seine Blicke.
A: Bruder..."
C: Lass es bitte. Sprich es nicht an. Lass mich bitte in Ruhe damit Andreas. Sie ist meine beste Freundin. Punkt."
Noch immer schaut er mich mit den Blick an, dass er weiß, dass ich mir das nur einrede. Dass ich uns beide hier belüge. Dass er sehr wohl die Wahrheit kennt. Als ich aber starr und stur bleibe, geht er zu der Kiste und kramt die Unterlagen raus.
A: Lass uns das eben schnell machen, damit wir danach zu der Crew können. Ein paar Dinge konnte ich gestern schon mit ihnen besprechen, aber von ein paar Dingen hast du mehr Ahnung als ich."
C: Guter Plan."
Das Thema Julia war vorbei, jetzt geht es nur noch um die Arbeit...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt