Kapitel 91

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Chris dreht sich um und schaut mich jetzt an. Er schaut mich ängstlich und nervös an und ich sitze auf seinem Sofa, während mir die letzten Tränen noch das Gesicht runterlaufen, aber in mir herrscht die Verwirrung. Verwirrung an etwas, was ich nicht gesehen oder bemerkt habe.

Keiner sagt etwas. Keiner macht etwas. Keiner bricht diese Stille, die nach seinen Worten entstand. Dann aber geht Chris weg. Er geht zur Haustür. Er kann mich hier nicht allein lassen! Wobei weglaufen bei uns beiden wohl immer die einzige Sache war, die wir konnten. Ich renne ihm nach und gerade, als er nach seinen Schlüssel auf der Anrichte greift, packe ich seinen Arm. Chris schaut mich flehend an und dieser Blick tut mir weh, da ich ihn dazu gedrängt habe. Zu der Wahrheit, die ich ihm noch schuldig bin.
C: Lass mich gehen..."
J: Geh bitte nicht..."
C: Es ist besser so...lass mich gehen..."
Er schaut wieder zur Tür und will sich von meinem Griff losreißen. Mir bleibt keine Zeit für große Erklärungen oder Taten. Ich habe nur einen Satz, einen Versuch.
J: Ich habe mich in dich verliebt..."
Seinen Blick richtet er sofort zu mir, aber er betrachtet mich skeptisch. Bitte...du musst es mir glauben...nur dieses eine Mal...
C: Du lügst..."
J: Chris, du kennst mich besser als irgendein anderer Mensch auf dieser verdammten Welt. Du weißt, wie schlecht ich in Lügen bin, dass ich das überhaupt nicht kann. Du wusstest immer, wann ich lüge..."
Ich schaue Chris tief in die Augen, atme nochmal durch.
J: Ich. Liebe. Dich."

Ich stehe wartend und erwartend vor ihm. Bitte, er soll nicht gehen. Dann wird das, was auch immer zwischen uns ist, nie wieder entstehen können. Wenn er jetzt geht, dann sind wir beide für immer verloren. Es wird niemals wieder so wie vorher werden, aber er soll und darf und kann jetzt nicht gehen, nachdem wir beide es gesagt haben. Die ganze Zeit schaue ich ihn auch flehend an. Bitte...du darfst nicht gehen, sonst sind wir verloren...

Chris schaut mich an, meine Hand umgreift noch immer seinen Arm aus Angst, er würde gehen. Langsam öffnet er dann allerdings seine Hand und lässt seinen Schlüssel wieder auf die Anrichte fallen. Auch ich löse jetzt zögernd meinen Griff von seinem Arm, den er danach auch wieder zu sich zieht. Wir beide schauen uns an, bis er an mir vorbei wieder ins Wohnzimmer geht. Ich laufe ihm nach und sehe, dass er durchs Zimmer läuft. Das macht er immer, wenn er nervös oder unruhig ist. Ich hingegen setze mich wieder aufs Sofa und schaue zu ihm hin. Eine lange Zeit sagt keiner etwas, da keiner sich traut den Anfang zu machen. Keiner will das erste Wort sagen oder die erste Frage stellen, aber in uns beiden liegen tausende Fragen, die Antworten brauchen. Und ich brauche sie jetzt.
J: Warum bist du so zu mir Chris..."
C: Weil ich dich liebe..."

Zögernd dreht er sich um und schaut mich wieder an. Ich sitze kleinlaut auf seinem Sofa und weiß mir nicht zu helfen.
J: Dann verstehe ich deine Art der Liebe aber nicht Chris..."
C: Ich liebe dich seit etlichen Jahren Julia, das ist mein Problem. Du warst nie die Person, die sich in Beziehungen flüchtet oder sich auf diese bedingungslos einlässt. Du liebst deine Karriere und ich bin da auch unfassbar stolz auf dich...aber...da war kein Platz für das, was ich fühle. Es zerriss mich aber jeden verdammten Tag, wenn ich mit dir zusammen in einer Wohnung lebte. Und ja! Ich würde meinen 25-jährigen ich gerne eine reinhauen, dass er das mit den Frauen getan hat, okay. Ich...kam nicht damit klar, dass ich die Frau, die ich liebe, niemals im Leben haben könnte..."
J: Warum hast du mir dann aber bitte Alex vorgestellt?"
C: Wie gesagt, ich wollte das Beste für dich...und das war nicht ich..."

Chris hat mich aufgegeben, da er gemerkt haben muss, wie ich dieser ganzen Thematik gegenüberstehe. Er muss meine kalte Seite ihm gegenüber gemerkt haben, auch wenn ich immer dachte, dass es ihm egal war. Aber das war es scheinbar nie. Gott...wie kann ich mich jetzt so schlecht fühlen?

Ich schaue unsicher im Raum umher, denke an das, was mir immer durch den Kopf ging.
J: Warum hast du mir das alles aber angetan?"
C: Sag mir bitte, was?"
J: Ich habe dich dafür gehasst, dass du diese ganzen Frauen hattest und wie du sie behandelst. Du hast mir immer gezeigt, dass du für keine Beziehung offen bist."
C: Weil ich dich vergessen wollte und ja, das war dumm. Ablenkung und das war dumm...das weiß ich heute mit fast 40 Jahren auch Julia...Wenn ich könnte, ich würde es alles rückgängig machen, weil ich mich an den Tag erinnere, wo Anja mir die Ohrfeige gegeben hatte und du noch meintest, ich hätte es verdient."
J: Meinetwegen hattest du damit aufgehört?"
Er nickt nur leicht und ich sehe, dass seine Anspannung langsam abfällt. Vielleicht sollte ich ihm auch nicht das vorhalten, was Jahre her ist und was ich selbst gemacht habe.
J: Deine Ausrede, dass deine Beziehungen scheiterten, weil es nicht funktionierte?"
C: Ich war nie mit den Gedanken bei der Frau, sondern bei dir. Ich konnte ihnen nie das geben, was sie verdient hatten: Meine Bedingungslose Liebe...denn die hattest du immer schon."

Ich schaue beschämt zum Boden, da ich hier die naive und dumme zu sein scheine. Weil ich das alles nicht gesehen habe, was er machte und was er für mich tat...
J: Du hattest über mein Aussehen gelacht..."
C: Was!? Niemals im Leben!"
Jetzt geht er von seinen Platz weg und kommt zu mir aufs Sofa, setzt sich neben mich mit etwas Abstand. Ich schaue nur kurz zu ihm, senke meinen Kopf dann wieder.
C: Wann soll das gewesen sein?"
J: Damals in der Halle, vor eurem letzten Stadion. Du hattest mich schon runtergeschickt, da du was mit Andreas besprechen wolltest. Ich habe die Treppe nicht gefunden und euch kurz gehört. Er fragte, was mit uns wäre. Du sagtest, es wäre nur eine Freundschaft. Als Andreas fragte, warum meintest du nur, man müsse mich nur anschauen und kurz darauf habt ihr beide gelacht."
C: Julia..."
Er legt eine Hand an meinen Kopf und richtet den nun zu sich, sodass ich ihn wieder anschauen muss.
C: Ja, wir haben über dich geredet, und ich habe auch auf Andreas' Frage, warum denn nicht, mit „schau sie dir doch an" geantwortet. Aber weil er vorher gefragt hatte, ob es an deinem Aussehen liegt, da die anderen immer so anders waren. Ich sagte ihm, er sollte dich nur einmal anschauen, denn du bist die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe."
In den Moment werde ich definitiv rot und wende meinen Blick leicht von ihm ab, auch wenn ich meinen Kopf nicht wegdrehen kann.
C: Er fragte, warum ich dir das nicht sagte und ich schwieg wieder nur. Andreas gab sich selbst die Antwort, weil der kleine Chrissy seine Gedanken nicht kontrollieren oder ordnen kann, wenn sie vor ihm steht."

Ich muss daraufhin leicht lachen und sehe kurz darauf auch wieder das typische Lächeln bei Chris, der dann auch wieder meinen Kopf loslässt.
C: Es tut mir alles leid Julia, denn alles, was du mir sagst, ist die Wahrheit. Ich...hätte ich gewusst, was ich dir mit dem, was ich in all den Jahren gesagt, getan oder gemacht habe, antue, ich hätte mich für dich verändert. Ich hätte alles dafür getan, dass du niemals an mir hättest zweifeln müssen."
J: Aber...wir beide sind jetzt hier..."
C: Und alles was du sagst, ist die Wahrheit. Eine für mich schmerzende Wahrheit, an der ich selbst schuld bin. Und ich hoffe, dass ich dir das Gegenteil noch beweisen darf Julia...gibst du mir dafür eine Chance?"
Ich schaue wieder einen Moment von ihm weg. Was soll ich denn bitte tun? Ich weiß selbst, dass ich hoffnungslos in diesen Mann verliebt bin und dass ich von ihm niemals loskommen würde...aber mache ich dann einen Fehler?
C: Gibst du mir eine Chance, damit ich dir das Gegenteil noch beweisen kann und darf..."
J: Chris..."
Ich zögere, kneife meine Augen wieder zusammen und versuche einen klaren und logischen Gedanken zu fassen, zumindest bis er nach meiner Hand greift. Er lenkt damit automatisch meinen Blick zu sich.
C: Julia...darf ich dich heute Abend zum Essen ausführen?"
Eine richtige Entscheidung, die mein Verstand hier wohl einmal nicht treffen kann. Dieser hat sich wohl bereits dann verabschiedet, als das erste „ich liebe dich" von Chris fiel. Aber er will eine Antwort und das ist auch die erste im Leben, die mir leicht fällt. Die erste Antwort, die ich mit einem verlegenen Lächeln geben kann.
J: Gerne...ich freue mich Chris..."

Ich habe zuvor noch nie ein solche zufriedenes, glückliches und zugleich verlegenes Lächeln bei Chris mitbekommen. Die eine Stunde, die ich noch blieb, waren wir beide etwas verhalten und zugleich wieder so normal. Ich wollte dann bereits um 16 Uhr wieder gehen...immerhin trage ich noch die Sachen aus der Klinik.
C: Soll ich dich um 18 Uhr abholen?"
Chris hilft mir wie jedes Mal noch mit der Jacke, bevor ich ihn anschaue und lächle.
J: Das klingt sehr gut Chrissy."
Auch Chris lächelt danach wieder und nickt, bevor er mir die Tür öffnet, damit ich gehen kann, bis er mich später abholen wird...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt