Kapitel 138

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Sicht Julia...

Ich weiß, dass Chris nicht sonderlich gerne zu meiner Familie geht. Eher gesagt geht er nicht gerne zu Besuch zu meiner Mutter und ich verüble es ihm nicht, ich gehe auch nicht gerne hier zu ihr hin. Seit ich ihr im Juli gesagt hatte, dass ich in einer Beziehung mit Chris bin, ist sie noch abweisender zu mir, obwohl ich dachte, dass das gar nicht mehr geht. Sie beweist mir mit jedem neuen Tag aber das genaue Gegenteil.

Wir gehen am Nachmittag zu Fuß zum Haus meiner Eltern. Die Schwester von Chris wohnt hier in der Nähe, ein paar Straßen weiter und es war von Anfang an klar, dass wir beide am Abend etwas trinken werden und dass wir daher besser gehen sollten. Beim Haus meiner Eltern öffnet mein Vater uns die Tür und lässt uns rein. Auf dem gesamten Weg hier her hatte ich die Hand von Chris gehalten, da er nicht gerne hier ist und sich schlichtweg fehl am Platz fühlt. Mein Vater merkt das und bindet ihn ins Gespräch ein, geht mit ihm ins Wohnzimmer, wo wir später einen Kaffee trinken und etwas Kuchen essen wollen. Ich hingegen gehe zu meiner Mutter in die Küche, da ich ihr da helfen muss. Würde ich das nicht machen, würde sie mir das wieder vorhalten.
J: Hallo Mama."
Ich lächle sie aufgesetzt an, aber das hatte sie noch nie in ihrem Leben mitbekommen. Dafür kennt sie mich zu wenig. Nur meinem Vater fällt das auf und selbstverständlich Chris, der mich ja auch schon fast mein gesamtes Leben kennt.
B: Hallo Julia, du kannst mir hier gleich helfen."
Dafür bin ich ja da, weil ich das wusste. Ich wusste, dass sie mir wieder Arbeit aufdrücken will. Sie wäscht ab und ich trockne die Sachen ab, stelle sie an die richtige Stelle.

Eine lange Zeit schweigen wir beide, so war es immer schon. Bei ihnen passiert nicht viel und für mein Leben interessiert sie sich nicht. Mein Vater fragt immer wieder nur, was in der Klinik los ist und was mit Christian wäre. Mama fragt sowas nicht.
B: Alles gut bei dir?"
J: Bei uns ist alles gut Mama."
Ich bekomme ihren Blick mit, als ich von „uns" spreche, aber das kommt mir angebracht vor. Ich wohne jetzt mit meinem Freund zusammen und uns geht es so weit gut. Ich frage auch immer, wie es den beiden geht und nicht nur meiner Mama. Sie hätte es aber lieber gesehen, wäre das mit Chris und mir schon vor Wochen gescheitert oder ich wäre damals nicht mit dem zurechtgekommen, was er in seinen 20er Jahren getan hatte.
B: Christian ist jetzt also wirklich in deine Wohnung gezogen."
Ich bin froh, dass sie mich gerade nicht anschaut, da sie ansonsten mitbekommen würde, dass ich die Augen verdrehe.
J: Ja Mama, wir leben jetzt gemeinsam in unserer Wohnung."
Es ist nicht mehr meine Wohnung, wo er sich einnistet. Er zahlt genauso wie ich Miete und beteiligt sich an allem, was im Haushalt anfällt. Chris ist nicht einfach ein störender Faktor, sondern der Mensch, mit dem ich zusammenlebe. Ich kenne ihre Sicht, aber die muss sie mir nicht in jeden ihrer Sätze unter die Nase reiben.
B: Hast du heute Abend schon etwas geplant?"
Nachdem sie das gesagt hatte, stelle ich das, was ich in der Hand hatte, wieder weg und drehe mich zu ihr hin. Sie kann ruhig mitbekommen, dass ich genervt bin.
J: Ja, WIR gehen später zu seiner Familie. So hatten WIR es vor einigen Wochen bereits abgesprochen."

Ich weiß, dass sie das „wir" bei Chris und mir nicht leiden kann, aber sie würde es uns allen einfacher machen, wenn sie es einfach akzeptieren und nicht ständig kritisieren würde.
B: Habe es ja verstanden Julia."
J: Scheinbar ja nicht. Immer wieder ignorierst du es konsequent und tust so, als wäre er nicht da oder würde nicht zu mir gehören. Er ist mein Freund Mama, komm damit bitte endlich klar. Ich liebe Christian und bin mit ihm in einer Beziehung."
Sie verkneift sich ihren Kommentar dazu, aber ich sehe, dass sie mit sich kämpft. Natürlich will sie dazu einen Kommentar abgeben, da sie das nicht ignorieren kann. Sie ist nicht dazu in der Lage, sich für mich zu freuen oder meine Entscheidungen hinzunehmen.
J: Könntest du jetzt auch mit ins Wohnzimmer kommen? Wir wollen später nicht zu spät bei seiner Familie sein."
B: Wirklich Julia, was findest du an diesen Jungen?"
Und jetzt habe ich den Punkt getroffen, an dem sie nicht mehr ruhig bleiben kann und will. Jetzt will sie diskutieren und ich weiß, dass ich gegen sie sowieso nicht ankommen werde, da sie ihre Sicht niemals ändern wird.
B: Schau ihn dir einmal an. Er hat nichts in seinem Leben, hatte nach der Schule sich auf sein Glück verlassen. Bitte Julia, denk darüber einmal nach. Wie er sich benimmt und kleidet, er ist so seltsam und nicht gut für dich. Warum muss er bitte seine Haare derartig tragen und sie dann auch noch färben oder blondieren. Mir egal, wie man das nennt. Und dann seine Piercings oder Ohrlöcher. Bitte Julia, schau einmal hin."
J: Dieser Mann hat mir mehr im Leben geholfen und gegeben, als du es jemals getan hast und da solltest du mal drüber nachdenken. Dass ist eben Christian, wie er ist und sein will und ich liebe ihn genauso, wie er ist. Hör endlich damit auf und akzeptiere uns. Christian ist für mich perfekt, wie er ist. Er ist alles, was ich jemals haben wollte."

Nein, auf einen weiteren Kommentar von ihr habe ich wirklich keine Lust und dazu fehlen mir auch schlichtweg die Nerven. Als ich ins Wohnzimmer komme, sehe ich auch, dass Chris in der Nähe der Tür stand und somit das gesamte Gespräche verfolgen konnte. Und ich weiß, dass er es hasst, wenn meine Mutter so über ihn in meiner Anwesenheit spricht. Aber dieses Mal schaut er mich nicht bedrückt an, sondern kommt mit einen verlegenen Lächeln zu mir und gibt mir einen sanften Kuss.
C: Ich fand es sehr süß, was du über mich gesagt hast."
Natürlich hatte er das auch noch mitbekommen. Ich werde rot, da ich mit derlei Dingen noch immer nicht umgehen kann und bringe ihn daher zum Lachen. Mein Vater reißt uns dann auch wieder aus unserer Zweisamkeit und setzt sich mit uns an den Tisch, wozu meine Mutter nach einiger Zeit auch kommt. Sie spricht kein Wort mehr mit mir und zeigt mir nur ihren starren und zugleich enttäuschten Blick, den ich aber schon zu oft von ihr bekommen habe. Mein Vater redet mit mir und Chris, plant das nächste Jahr gefühlt schon im Kopf komplett durch und unter dem Tisch hält Chris die ganze Zeit über meine Hand. Er weiß, dass auch ich hier nicht mehr sein will, dass auch ich mich hier nicht sonderlich wohl fühle, wenn meine Mutter mir derartig gegenüber sitzt. Damit wir pünktlich um 19 Uhr bei Sylvia sein können, verlassen wir auch rechtzeitig meine Eltern. Wir beide verabschieden uns von meinen Vater. Meine Mutter hingegen nimmt nur meine Verabschiedung an und lässt Chris einfach stehen und schweigend gehen. Sie wird sich nie ändern...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt