Kapitel 175

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Sicht Julia...

Wie jeden anderen Tag sitze ich zum Abend noch an meinem Schreibtisch in meinem Zimmer. In wenigen Minuten kann ich allerdings auch von hier weg, da meine Schicht vorbei ist. Heute ist Chris nach Hamburg gefahren und auch wenn sie morgen erst den eigentlichen Termin haben, er meinte, dass sie heute auch schon was zu erledigen haben, daher sprechen wir erst gegen 22 Uhr zusammen.

Die Uhr über meiner Tür zeigt an, dass es 18 Uhr ist, sodass ich nun auch meine Sachen zusammensuche und in meine Tasche packe. Den Computer fahre ich runter und mein iPad findet als letztes den Weg in die Tasche. Danach stehe ich vom Platz auf und hänge mir die Tasche um, als die Tür zu meinem Zimmer geöffnet wird.
Frederic: Ich hatte gehofft, dass ich dich hier noch antreffe."
J: Frederic..."
Ich gehe auf ihn zu und werde von ihn in Arm genommen. Seitdem sich die Beziehung zu Chris geändert hatte, habe ich auch eine andere Bindung zu Frederic aufgebaut. Ich weiß nicht wirklich, was wir sind, aber ich denke, dass man uns als Freunde bezeichnen kann, auch wenn wir manchmal noch ein seltsames Verhalten zueinander haben.
J: Ich dachte, dass du erst morgen kommen wirst."
Wir beide schauen uns wieder an, ich setze meine Tasche wieder richtig auf die Schulter.
Frederic: Ich habe einen früheren Flug nehmen müssen, da die Gesellschaft ab morgen streiken wird. Und da ich noch etwas Zeit hatte, dachte ich, dass ich mal vorbeikommen kann. Hast du heute Abend etwas vor? Ich würde sonst gerne noch mit dir zu Abend essen."
J: Das klingt nach einer sehr seltsamen Frage Herr Gadeken."
Frederic: Frau Doktor Reinelt sollte wissen, dass es unverbindlich ist und dass ich mich definitiv nicht mit ihrem Ehemann anlegen will."
Ich muss etwas anfangen zu lachen und stimme im Anschluss zu, dass ich mitgehen würde. Eine kleine Auszeit, bevor Chris heute Abend wieder für mich Zeit haben wird.

Wir beide gehen aus den Krankenhaus und zu meinem Mietwagen, da Frederic sich keinen angeschafft hat. Er bestellt sich jedes Mal ein Taxi, wenn er wohin muss. Da ich mittlerweile den Ort besser kenne als er, lässt er mir die Wahl, wo wir hinfahren. Ich fahre uns beiden zu einem kleinen und unscheinbaren Lokal in der Stadt. Mit Chris war ich nicht hier, mit ihm war ich in besseren Lokalen. Frederic und ich gehen beide rein und bekommen einen Platz zugewiesen, bestellen etwas und verfangen uns zuerst in Gespräche über die Arbeit. Was das Projekt macht, wie es in Herford läuft, ob ich die Zeit wohl schätzen kann, was für Änderungen die Klinik im neuen Jahr bekommt.

Als wir beide beim Essen sind, trinke ich gerade etwas aus meinem Glas, als Frederic seinen Blick zu mir richtet.
Frederic: Dein Ehemann konnte sich noch recht genau an mich erinnern, nachdem ich ihn meinen Namen gesagt habe."
J: Ja er...konnte dich nie so wirklich vergessen Frederic. So war Chris schon immer."
Frederic: Dass er mich hasst, habe ich auch gleich schon an dem Morgen damals gemerkt. Aber dass Christian eine so lange Zeit an mich denken konnte und dann auch auf diese Art. Dass er eine solche Abneigung gegen mich hat."
Ich kenne den Grund und ich kenne Chris auch schon lange genug. Liebe, Dates, Beziehungen und sowas war nie seine Stärke. Wenn er mir aber sagt, dass er mich schon eine lange Zeit liebt und dann setze ich ihn Frederic vor...er muss in gewisser Weise schon eifersüchtig gewesen sein, obwohl damals zwischen uns nichts war.
J: Und er...wenn es um mich geht, benimmt er sich oft wie ein großer Bruder, der auf mich aufpassen will, damit mir nichts passiert."
Frederic: Er wollte dich um jeden Preis haben."

Wenn Frederic derartig über Chris redet, werde ich gleich verlegen und unsicher. Ja, auch ich würde vieles und eigentlich alles für ihn machen, aber das aus dem Mund von Frederic zu hören, wo uns eine solche Nacht verbindet, fühlt sich eigenartig an.
J: Das habe ich erst sehr spät gemerkt und gesehen, obwohl es so offensichtlich all die Jahre war. Ich war wohl einfach zu blind, um zu sehen, dass ich meinen besten Freund liebe und er mich. Er wusste immer, was er wollte und..."
Und das war eben ich. Das spreche ich aber nicht mehr aus, das wäre mir gegenüber Frederic viel zu peinlich und ich glaube auch, dass Chris das nicht wollen würde.
Frederic: Wie war euer erster Kuss? Wenn ihr beide so Romantik Spezialisten seid."
J: Kommt drauf an, welchen du meinst. Wir sind Anfang Julia ausgegangen, an den Abend zusammen gekommen und er hatte mich da das erste Mal geküsst, aber...das erste Mal war, als wir 18 Jahre alt waren, auf einer Party bei einem Spiel. Es war seine Aufgabe und er hatte mir später gesagt, dass er sich deswegen später von seiner damaligen Freundin getrennt hatte und meine Beziehung ging auch in die Brüche."
Frederic: Ich habt euch mit 18 Jahren geküsst, wo ihr beide eigentlich auch wusstet „ja, ich empfinde was für den anderen" und habt am Ende noch über 20 Jahre gebraucht, bis es funktioniert hat!?"
J: Willst du, dass ich deine Frage beantworte, oder willst du mich weiterhin aufziehen?"

Frederic ist still, da er natürlich seine Antwort haben will. Ich schaue runter auf mein Essen und denke zurück an den Abend, wo Chris mit mir ausgegangen ist.
J: Wir saßen beide auf seinem Balkon, haben einen Wein getrunken. Er hatte mich gefragt, ob ich ihm die Chance geben würde, mir zu beweisen, dass er mir ein guter Freund sein würde. Gott...ich wusste, dass ich hoffnungslos in den Mann verliebt bin und wusste, was er in all den Jahren für mich getan hatte, daher sagte ich natürlich ja. Ich werde sein verlegenes Lächeln in den Moment nie vergessen. Deswegen wollte ich ihn damals einen Kuss auf die Wange geben, aber bevor ich das machen konnte, drehte er seinen Kopf in meine Richtung und daher küssten wir uns richtig. Ich war geschockt, das hatte auch er bemerkt und wollte sich dafür wohl entschuldigen, aber..."
Mir wird warm im Gesicht, ich muss rot sein und definitiv grinse ich auch schon eine zu lange Zeit. Deswegen kann ich Frederic nicht anschauen. Viel zu peinlich.
J: Es war alles, was ich immer wollte und daher küsste ich ihn einfach. Nicht das romantischste, aber..."
Frederic: Ich finde es schon süß. Ihr kanntet euch dort über 30 Jahre und saßt dort beide zusammen in der Wohnung von ihm und habt das gemacht, was ihr schon lange machen wolltet. Ich finde es süß."

Damals habe ich gedacht, dass das alles so surreal ist und ich wusste nicht, wo das hinführen soll. Heute weiß ich, dass das alles genau die richtige Entscheidung war...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt