Kapitel 88

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Sicht Julia...

Ich packe am Sonntag meine Sachen zusammen, will das Krankenhaus gleich verlassen, danach Chris abholen und dann zu meinen Eltern fahren...auf die könnte ich verzichten, zumindest auf meine Mutter. Danach wollen Chris und ich noch was trinken gehen.

Im Zimmer sitzt Kathy, die ihre Unterlagen sortiert und sich Notizen macht. In der Woche hat sie für sich einen wichtigen Fall, wichtig für das Kind, für die Familie und natürlich auch für sie. Ich packe still meine Sachen, schreibe Chris nebenbei, dass ich hier gleich losfahre und will danach auch gehen. Eine Sachen aber noch.
J: Was ist das?"
Ich halte ihr den Zettel vor, den sie vor zwei Tagen in mein iPad gelegt haben muss. Kathy schaut kurz darauf, richtet ihren Blick dann aber wieder auf ihre Unterlagen.
K: Es steht doch drauf, was das ist."
J: Ja, aber warum hast du mir das bitte gegeben?"
Jetzt seufzt sie einen Moment, aber nicht dieses genervte Seufzen, sondern das, was sie von sich gibt, wenn sie etwas erklären will. Wenn es eine Erklärung gibt.
K: Ich bekomme schon mit, was er für dich ist. Und ja, es hat mich vielleicht nicht zu interessieren, was ihr macht oder was ihr seid, aber ich sehe dich hier jeden Tag."

Kathy schaut wieder auf und schaut mich ruhig und gefasst an. Meinen Blick lasse ich wieder auf den Zettel fallen, lese mir die Punkte nochmal durch.
K: Ich habe mir das aufgeschrieben für mein Buch, aber...ich dachte, dass du es vielleicht auch mal wissen willst. Es interessiert mich nicht, was du mit ihm machst und was eben nicht. Aber das, was du mir hier zeigst, ist mehr. Du würdest dann auch nicht so gereizt reagieren...es tut mir leid, dich dahin gebracht zu haben...das wollte ich ehrlich nicht."
Ich nicke einfach nur, da ich nichts anderes mehr machen kann. Danach stecke ich den Zettel in meine Hosentasche, greife nach meiner Tasche und will gehen.
J: Schönen Sonntag Kathy..."

Ihre Worte begleiten mich auf den Weg nach Enger. Immerhin haben wir uns heute auch nicht angeschrien...vielleicht wird das noch etwas mit uns, wenn ich denn überhaupt mal mit mir klarkomme. Eventuell kann ich heute auf andere Gedanken kommen und das Thema mal abhaken. Wie soll ich aber von ihm loskommen, wenn er gleich wieder bei mir ist und wenn ich nicht mal von ihm loskommen will? Aussichtslos.

Als ich in die letzte Straße einbiege, sehe ich Chris auch bereits am Bürgersteig warten. Ich muss leicht lachen, da er es tatsächlich sogar pünktlich geschafft hat. Ich halte neben ihn, sodass er einsteigen kann, damit wir danach gleich nach Herford können.
C: Hallo Maus."
J: Hallo Chrissy."
Er checkt nochmal seine Mails. Chris erklärt mir, dass die von einigen Arbeitern sind und dass er nur ein paar Unterlagen mitschicken muss. Lange dauert das auch nicht. Als wir in Herford bei meiner Wohnung ankommen, hat er das bereits geschafft.
J: Ich hoffe, dass es bei meinen Eltern nicht lange dauern wird."
C: Julia..."
Wir beide steigen aus und ich vor allem, damit ich dem Gespräch entkommen kann. Meine Sachen lasse ich im Auto liegen, wir beide machen uns auf den Weg zu meinen Eltern. Ich gehe vor, aber er holt mich natürlich schnell ein.
C: Ich weiß, dass deine Mutter anstrengend ist, aber immerhin hast du sie noch."
Ich seufze, schauen einen Moment runter zum Weg und danach wieder rauf zu Chris. Ja, er weiß, wie es ist, wenn man einen geliebten Menschen verliert. Er würde vieles tun, damit er nochmal einen Tag mit ihm haben könnte und ich drücke mich um jeden Tag.
J: Ja...es ist nur...ihre Art..."
Daraufhin nimmt Chris meine Hand und lenkt meine komplette Aufmerksamkeit zu sich. Er lächelt leicht, sodass ich auch nicht mehr ernst oder genervt bleiben kann.
C: Wir schaffen das schon Mäuschen, mach dir keine Sorgen."

Zu meinen Eltern ist es schon noch ein kleiner Weg, allerdings verfangen wir uns in einigen Gesprächen und Themen, sodass wir nach einer gefühlt kurzen Zeit vor dem Haus meiner Eltern stehen. Mein Vater öffnet uns die Tür, lässt und lächelnd rein und schickt uns gleich in den Garten. Meine Mutter umarmt mich zur Begrüßung und Chris...ihm gegenüber war sie seit dem Abi schon kritisch. Sie ließ ihn immer spüren, dass sie ihn nicht leiden kann und daher nehme ich ihn immer seltener mit her. Ich weiß, dass er zwar darübersteht, aber mir tut es weh, dass sie sowas über meinen besten Freund sagt.

Wir tranken zwei Tassen Kaffee, ich sprach viel mit meinem Vater und Chris war eben Chris. Er hielt sich daraus, schwieg viel und war generell ruhig. So war er schon immer. Der schüchterne Junge aus der letzten Reihe...manche Dinge ändern sich eben nie.
B: Was macht die Arbeit Christian?"
Als Mama ihn auf die Arbeit anspricht, weiß ich, dass das nichts Gutes bedeutet. Sie hasst seine Arbeit, sein ganzes Leben hasst sie gefühlt.
C: Anstrengend gerade, da wir eine größere Produktion im August haben. Da stecken wir gerade sehr viel Zeit rein."
B: Immerhin konntes du es heute einrichten."
Ich merke, dass Chris diese Anspielung versteht und davon genervt ist. Das lässt er sich nur nicht anmerken, mir zuliebe.
C: Ja, ich habe meinen einzigen freien Tag in der Woche hierfür aufgeopfert. Die Nachtschichten hängen mir zwar etwas nach, aber einen Tag muss ich frei haben."
Mama merkt, dass er darauf nicht eingeht, dass sie ihren Punkt dort verliert. Chris lächelt zufrieden und freundlich, trinkt danach etwas aus seiner Tasse.
B: Wie sieht es mit den Frauen aus?"

Er verschluckt sich beinahe, schaut sie still an und stellt seine Tasse wieder ab. Meine Mutter und die Mama von Chris haben früher noch regen Kontakt gehabt. Der brach erst nach dem Tod von Werner langsam ab.
J: Mama, das ist hier wirklich nicht so wichtig oder von Bedeutung."
B: Ach...aber früher schien das für Christian schon sehr von Bedeutung zu sein. Hedi sprach immer mal wieder mit mir über seine Bekanntschaften."
C: Das ist über 10 Jahre fast schon her."
B: Sollte sich in den Jahren doch nicht verschlechtert haben, denke ich. Wenn man von Beziehungen nichts hält, dann reicht auch..."
T: Bianka!"

Ich bin froh, dass mein Vater sich einmischt, weiß aber zugleich, dass er gegen meine Mutter nicht ankommt. Auch wenn er sich für das einsetzt, was er denkt und vertritt, sie ist eben direkter und sturer als er.
B: Wenn einem eine Frau so wenig Wert ist, dass man sie für eine Nacht, für eine schneller Lust, zu eigenen Befriedigung mitnimmt, sollte man das wohl Jahre später noch halten."
J: Wir gehen."
Ich stehe sofort auf und dadurch richtet meine Mutter ihren Blick endlich zu mir, lässt Chris in Ruhe, der neben mir immer kleiner wurde.
J: Jetzt."

Mama will uns zuerst rausbringen, aber Papa zwingt sie dazu, dass sie im Garten bleibt, sodass er mit uns zur Tür geht.
T: Christian..."
Er winkt ab, da Papa sich nicht entschuldigen oder erklären soll. Papa nickt nur und schaut nochmal zu mir hin. Wir schweigen, aber ich höre trotzdem seine Entschuldigung. Danach öffnet er uns die Tür und lässt uns gehen. Chris geht schweigend neben mir her, ich schaue lange zum Boden, bis ich meinen Blick zu ihm richten kann.
J: Das tut mir leid...das mit meiner Mutter..."
Er gibt keine mimische Reaktion darauf, sondern nickt es nur ab...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt