Kapitel 154

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In den darauf folgenden Tagen haben wir viel telefoniert und sind zu Hause geblieben. In 12 Tagen fliegt Julia nach Südafrika und bis dahin alles zu organisieren ist doch weitaus komplizierter, als ich es mir gedacht hatte.

Gleich am Dienstagmorgen haben wir uns durch sämtliche Standesämter telefoniert, ob eines nächste Woche noch einen Termin hätte. Zuerst hatte ich in Herford angerufen, immerhin wohnen wir beide hier und sind auch hier gelmeldet. Wir waren nicht darüber verwundert, vor November würde das nichts bei denen werden. Parallel hatte Julia in Bünde angerufen, da meine gesamte Familie dort geheiratet hatte. Es ist gerade Sommer und natürlich heiraten dort die meisten Paare und daher wurden wir dort auch nur abgewiesen. Enger war für mich naheliegend, da ich dort einige Jahre gelebt hatte und auch Julia hatte dadurch eine Verbindung zur Stadt, aber nach einigen Minuten wurde uns dort auch gesagt, dass erst im nächsten Monat ein Termin wäre. Wir hatten unsere Hoffnung in Münster gelegt, da wir in unseren 20ern oft dort mit Freunden unterwegs waren, allerdings machte das alles andere viel komplizierter und einen sicheren Termin konnten sie uns auch nicht geben. Danach rief ich in Minden an, wo ich eine mehr als unfreundliche Dame am Telefon hatte, die mich erst nicht verstand und dann sagte, dass sie für UNS keinen Termin haben. Julia hatte zur selben Zeit aber mehr glück. Sonntag, einen Tag, bevor sie weg muss, ist am späten Nachmittag ein Termin in Detmold freigeworden vor wenigen Tagen. Warum war uns egal, das sollte es aber wohl werden.

Heute wollten wir unserer Familie das sagen und suchen eine Juwelier. Da Julia nur bei ihren Eltern anrufen musste, wo Gott sein dank ihr Vater abgenommen hatte, ruft sie gerade bei einem Juwelier in Bielefeld an und ich bin auch beinahe mit meiner Familie durch. Mein Bruder war der erste, dem ich auch die Situation erklärte und der meinte, wenn etwas sein sollte, ob jetzt, oder wenn sie weg ist, ich sollte mich nur melden, aber sie sind natürlich dabei. Außerdem hatte er auch angeboten, dass wir ihren Garten für die kleiner Feier danach nutzen dürfen. Danke Bruder. Meine Schwester musste mich zuerst aufziehen, dass wir uns doch etwas Zeit lassen könnten, aber als ich ihr erklärte, warum das alles, war sie für ihre Verhältnisse sehr still.

Jetzt geht Julia durch die Küche, redet mit einem Mann in Bielefeld und ich muss nur noch meine Mutter anrufen. Ich warte, dass ich durchkomme und schaue zu Julia. Sie lächelt mich an, da sie auch weiß, dass die Zeit mir auch viel abverlangt.
H: Christian? Unübliche Zeit für dich?"
C: Wieso das denn? Ich darf doch wohl meine Mama anrufe, oder?"
H: Natürlich, aber es ist Mittwoch und kurz vor 16 Uhr...bist du nicht arbeiten?"
C: Nein...ich war die letzten Tage schon zu Hause und werde das wohl auch erstmal. Keine Sorge, mir geht es gut. Ich...melde mich, weil ich dir etwas sagen wollte."
Ich gehe vor zum Fenster, schaue auf die Dachterrasse und atme nochmal tief durch.
C: Julia muss wegen ihrer Arbeit übernächsten Montag nach Afrika gehen. Voraussichtlich ein halbes Jahr wird sie dort bleiben."
H: Christian...das tut mir wirklich leid. Gerade war alles noch so perfekt und...du weißt, dass ich immer für dich da bin, falls etwas sein sollte."
C: Das weiß ich Mama. Aus diesen Umständen haben wir uns entschieden...Mama...Julia und ich werden Sonntag in einer Woche in Detmold heiraten."
Auf der anderen Seite der Leitung ist es still. Ich höre nichts mehr von ihr und ich hätte es ihr auch gerne anders gesagt. Ich hätte mir auch gerne mehr Zeit genommen und den Tag perfekt werden lassen, aber das geht nicht...es sollte wohl nicht sein.
C: Es tut mir leid Mama...ich weiß, dass du..."
H: Christian."

Ich werde mich nie daran gewöhnen, dass sie mich eben noch so nennt. Es ist meine Mama und sie hat mir damals den Namen gegeben und es sollte mich nicht stören, aber es nennt mich keiner so und ich denke immer dann, dass ich etwas falsch gemacht habe.
H: Es geht hierbei nicht um mich oder irgendjemand anderen. Es geht um euch beide, verstanden. Wenn ihr beide das so wollt, und ich verstehe definitiv den Hintergrund, dann musst du dich für nichts entschuldigen. Das ist dein Leben, eure Entscheidung und eure Zukunft. Ihr kennt euch schon so viele Jahre und ich weiß, dass das keine Fehlentscheidung sein wird. Der Tag wird perfekt sein, auch wenn es die Umstände definitiv nicht sind, mach dir nicht so viele Sorgen. Ich werde da sein Christian und ich bin stolz auf dich, freue mich auf den Tag und dass sie dann fester Teil der Familie sein wird, obwohl Julia das bereits immer schon war."
Die Worte meine Mama habe ich in den Moment wohl gebraucht. Das alles kommt so plötzlich und so schnell...vor einem Jahr hätte ich nicht mal gedacht, dass ich jemals heiraten würde und jetzt muss ich das alles mit ihr innerhalb von zwei Wochen stemmen.
C: Danke Mama...an den Sonntag solltest du um 17 Uhr in Detmold sein. Ich denke aber, dass dich Andreas mitnehmen wird. Wir fahren beide bei Sylvia mit."
H: Das klingt gut. Schau nach vorne Christian. Wenn etwas ist, dann sprich mit mir. DU bist mein Sohn und ich will nur das Beste für euch beide."
C: Danke Mama..."

Einen Moment später verabschiede ich mich von ihr, lege auf und das Telefon auch wieder auf den Tisch im Wohnzimmer. Kurz darauf kommt Julia auch wieder zu mir und lächelt zufrieden.
J: In einer Stunde können wir nach Bielefeld kommen. Er meinte, dass es zwar knapp ist, aber er schafft es bis nächste Woche Freitag."
C: Das klingt sehr passend. Hoffen wir, dass wir dort etwas finden, sonst bringt uns das auch nicht sehr viel weiter Maus."
J: Gold oder Silber Chris?"
Ich zeige ihr wieder nur einen überforderten Blick. Daran hatte ich bisher nicht gedacht und eigentlich wollte ich auch nicht daran denken, bis wir da sind.
C: Na ja...mein Bruder und meine Schwester tragen Gold...aber ich persönlich würde ja Silber besser finden. Außerdem muss ich ihnen das ja nicht nachmachen."
Julia muss über meine Aussage lachen, sodass ich auch wieder lächeln kann. Die letzten Augenblicke und Tage, wo ich sie derartig sehen kann und ich versuche jeden Moment davon festzuhalten und zu genießen.
J: Ich hätte das gleiche gesagt. Dann passt der auch zum Verlobungsring und zur Kette, die du mir damals geschenkt hast."
Ich lächle verhalten, gehe zu ihr hin und nehme ihre Hand mit dem Ring, damit ich ihr auf den Handrücken einen Kuss geben kann. Ich will nicht, dass sie geht. Ich will, dass sie niemals wieder gehen müsste, aber vor allem nicht für eine derart lange Zeit. Ein halbes Jahr soll ich ohne sie hier auskommen?

Julia bemerkt auch meine seltsame Art, die ich ihr gegenüber zeige. Ich versuche es so gut es geht zu verstecken, um ihr nicht noch mehr Sorgen zu machen, dass sie sich noch schlechter fühlt, wofür sie rein gar nichts kann. Als ich ihre Hand aber wieder loslasse und sich unsere Blicke wieder treffen, kommt sie mir näher, legt ihre Arme um mich und schmiegt sich an mich an, sodass ich meinen Kopf auch noch auf ihren ablegen kann. So, wie ich es damals zur Schulzeit, während unseres Abis, schon getan habe. Die letzten Momente, wo sie mir so nah noch sein kann, wo ich sie an mich drücken kann und wo sie einfach hier ist. Bei mir.
C: Ich will nicht, dass du gehst..."
Auch wenn ich ihr gesagt hatte am Montag, dass wir das schon alles irgendwie schaffen werden, ich habe mir selbst dort etwas eingeredet, damit ich mit all dem hier auskommen würde. Und auch wenn ich das endlich ausgesprochen habe...es wird nichts an ihrer Situation ändern, denn ich würde niemals wollen, dass sie es wegen mir nicht macht und dadurch ihr gesamtes Leben, was sie sich aufgebaut hat, ruiniert.
J: Ich würde auch lieber hierbleiben Chris..."
Julia legt ihre Hände gegen meine Brust, damit sie sich von mir lösen kann, sodass wir uns dann auch wieder anschauen müssen. Ich muss allgemein schon zu ihr runter schauen, aber als ich sie nicht mehr anschauen kann, lasse ich meinen Kopf einfach hängen.
C: Ich will es dir eigentlich nicht noch schwerer machen...es tut mir leid..."
Bevor ich mich versuchen kann zu erklären, nimmt sie meinen Kopf in ihre Hände und legt ihre Lippen auf meine. Ich schließe meine Augen, damit ich meine Gedanken und alles einen Moment vergessen und nur sie vor mir habe. Sie ist alles, was ich haben wollte und alles, was ich habe...wir beide werden für uns kämpfen, auch wenn die Zeit für uns beide schwer werden wird.

Als Julia sich langsam und zögern von mir löst, nimmt sie ihre Hände wieder von meinem Kopf weg und greift nach meinen Händen. Sie schaut einen Moment dahin, bevor sie sich scheinbar sammelt und zu mir schaut.
J: Wir schaffen das...ich liebe dich...und wenn ich dann wieder hier bin, dann heiraten wir auch ordentlich und nicht derartig spontan."
Wir beide müssen deswegen leicht lachen. Unser Termin in Bielefeld steht gleich an. Den sollen und dürfen wir nicht verpassen.
J: Haben wir geklärt, was wir an den Tag tragen werden? In weiß werde ich nicht gehen können Chris."
C: Ich hätte die beige Hose von der Hochzeit deiner Cousine getragen und ein weißes Hemd. Wir sind doch sowieso nur im engsten Kreis da."
Julia lächelt und nickt, bevor sie allmählich meine Hände wieder loslässt. Das macht sie, damit sie nach ihren Schlüssel greifen kann, da wir wirklich los sollten.
J: Dann werde ich mich daran anpassen Chrissy. Komm...wir haben noch ein paar Termine, die wir nicht verpassen sollten."

Sie will gerade gehen, als ich wieder nach ihrer Hand greife und sie zurückziehe.
C: Was ist mit dem Haus? Wir wollten am Samstag die letzten Verträge unterschreiben."
Jetzt wird sie still und unsicher, sodass ich dieses Mal versuche das zu retten, was zu retten ist.
J: Wir sollten..."
C: Alles so machen, wie es geplant war. Eine solche Möglichkeit haben wir nicht mehr. Und ehrlich...an den Kosten wird es nicht scheitern, wenn sich das Projekt verzögert."
Julia fängt an zu lachen, während ich ihre Hand loslasse und ihr die Tür öffne.
J: Jetzt nutzt du die Karte schon etwas aus Chrissy."
C: Nur ein ganz kleines bisschen Maus...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt