Kapitel 144

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Meine Mutter kommt zu uns in den Garten und stellt die Tassen mit auf den Tisch. Wie immer begrüße ich sie kurz mit einer Umarmung. Ich bekomme mit, dass Chris sie anlächelt, aber sie ignoriert das und lässt ihn kalt sitzen. Danke Mama. Danach nimmt sie aber auch still Platz.

Mein Vater redet über ihren Urlaub, auf den sei so lange gewartet haben. Auch fragt er mich, was gerade bei mir so ansteht und ob es etwas neues gibt. Etwas zögernd fragt er auch bei Chris nach, der ihm etwas sagen kann. Die Blicke meine Mutter versucht er zu ignorieren, aber ich merke, dass es ihm schwerfällt.
B: Morgen geht es für euch beide dann runter nach Erlangen?"
Das ist der Ort, in den meine Familie lebt. Ich war da schon so oft, vor allem als ich noch ein Kind oder Teenager war und Chris hat vermutlich keinen Plan, wo das genau liegt. Bayern und das reichte ihm auch immer.
J: Ja, wir fahren morgen früh gleich los. Ein paar Stunden fahren wir dann doch noch."
T: Ihr wolltet nicht fliegen? Deine Mutter und ich machten das immer so."
C: Ich habe Flugangst."
Es braucht keine weitere Erklärung dazu. Ich wusste immer schon, dass Chris fliegen mehr als hasst und ich zwinge ihn daher auch nicht dazu. Aber anhand des Blicks meiner Mutter kann ich sehen, dass ihr das nicht gefällt.
B: Fährst du mit deinem Auto Christian?"
Zuerst schüttelt er nur den Kopf, bevor er etwas aus seiner Tasse trinkt.
C: Mein Auto könnte diese Fahrt schon nicht mehr überstehen. Das neuste ist es nicht mehr und die etlichen Kilometer, die es bereits runter hat, kommen dann noch dazu."
B: Natürlich kann man da das fast neue Auto der Chefärztin nehmen."

Bitte Mama, lass es einen Nachmittag doch mal. Ja, ich fahre einen Neuwagen, den ich aber auch schon ein paar Jahre habe und das habe ich getan, damit ich ihn einige Jahre haben kann. Der Golf ist einfach ein Teil von Chris, aus verschiedenen Gründen und auch der Teil, dass er etwas mit seinem Vater zu tun hat. Ich weiß, dass Chris so nicht ist, dass es ihm nichts bedeutet und es tut mir wieder weh und leid, dass er sich das schon wieder von meiner Mutter anhören muss.

Unter dem Tisch will ich nach seine Hand greifen, einfach für ihn da sein, allerdings merke ich dort, dass er seine Hand zur Faust hält.
T: Bianka..."
Mein Vater sagt nichts genaues dazu, sondern merkt immer an, dass sie sich in eine Thematik begibt, die nicht richtig oder wichtig ist.
B: Es ist doch so. Er fährt seit Jahren die selbe alte Schrottkarre und hatte in Enger eine winzige Wohnung. Und jetzt? Lebt er in Herford in einer großen Wohnung und hat zudem ein besseres Auto auf dem Hof stehen. Wir beide haben unser Leben gearbeitet und haben eine kleine Rente jetzt. Er hat sie."
Mein Vater und ich wollen fast zeitgleich etwas gegen meine Mutter einwenden, aber in den Moment steht Chris bereits von seinen Platz auf und schaut meine Mutter wirklich wütend an. Ich habe ihn noch nie derartig wütend gesehen.
C: Ich habe verstanden, dass du mich nicht leiden kannst. Das konntest du scheinbar ja noch nie, aber ich muss mir sowas wirklich nicht gefallen lassen. Ich bin ein erwachsener Mann und habe alle Entscheidungen in meinem Leben selbst und komplett richtig getroffen. Ich habe mit meinen fast 40 Jahren vermutlich schon mehr gearbeitet als ihr, da ich keine 40-Stunden Woche habe, sondern auch gerne mal eine 100-Stunden Woche. Unter mir sind über 100 Arbeiter angestellt, ich bin Chef einer eigenen Firma und ich habe mir einen Namen in Deutschland gemacht. Ich habe kein neues Auto oder eine große Wohnung, da mir sowas nicht wichtig ist. Du kannst dir aber sicher sein, dass ich es immer könnte. Wenn mir danach wäre, könnte ich jetzt sofort alles liegenlassen, niemals wieder arbeiten und könnte trotzdem ein mehr als entspanntes Leben führen. Müsste mir niemals Sorgen um Geld oder ähnliches machen."

So schweigsam, wie jetzt in diesen Moment, habe ich meine Mutter noch nie erlebt und so ehrlich wie jetzt, habe ich Chris auch nie gesehen.
C: Ich kann dir sagen, dass ich nur das Beste für Julia will, aber das, was du als „das beste" ansiehst, sind nur sture, dumme und veraltete Richtlinien, die keinen mehr interessieren."
Chris schaut zu mir, lächelt wieder sanft und ich nicke, stehe danach ebenfalls auf, damit meine Mutter mich auch wieder anschaut. Wütend. Mein Vater versucht sich das Lachen zu unterdrücken, da er stolz auf Chris ist.
J: Wir gehen. Papa hatte uns die Sachen bereits gegeben. Wir werden Grüße ausrichten bei Lina und Kai. Bis dann."

Dieses Mal gehen wir beide still schweigend aus dem Haus, ohne, dass mein Vater uns verabschiedet. Ich bin nach diesem Gespräch recht still, da mir tausend Fragen durch den Kopf gehen, die ich Chris stellen will, wobei ich gleich weiß, dass ich es nicht sollte, da es unhöflich ihm gegenüber wäre. Das bekommt er aber mit, als wir wieder in unserer Wohnung sind. Ich sitze auf dem Sofa und er steht in der Tür zum Wohnzimmer gelehnt, schaut mich an. Als sich unsere Blicke treffen, lächelt er leicht.
C: Es hat eine neue Pizzeria hier aufgemacht. Eine teilen und am See essen gehen?"
Wegen solcher kleinen Taten habe ich mich wohl in diesen Mann verliebt. Ich muss verlegen anfangen zu lächelt, schaue zum Boden aber nicke vorher noch. Er ruft dort an, bevor wir uns auf den Weg machen. Auf dem Weg hält er meine Hand noch, denn als wir unsere Pizza abgeholt haben, trägt er diese noch zum See, wo wir uns setzen. Ich hätte ihn gerne dafür wieder geschlagen, da er wieder bezahlt hat, aber ich konnte ihm das mal wieder nicht ausreden. Ich kann mich irgendwann schon revangieren.

Wir beide sitzen still am Steg, essen und schauen auf dem See. Chris hatte meine Art schon gemerkt und wartet jetzt vermutlich nur darauf, dass ich den ersten Schritt mache.
J: Meintest du...war das vorhin die Wahrheit...dein Ernst?"
C: Was meinst du Maus?"
Gut, er ist nicht wütend darüber, dass ich es anspreche. Jetzt muss ich mich nur überwinden die dummen Fragen zu stellen, die in meinem Kopf kreisen.
J: Alles, was du vorhin zu meiner Mutter gesagt hast. Dass du einen Namen in Deutschland hast, das weiß ich auch so, aber..."
Chris wendet seinen Blick zu mir hin, legt seinen Kopf schräg und überlegt kurz. Was muss er denn da überlegen. Er wird wohl kaum nur die halbe Wahrheit gesagt haben oder sich etwas ausgedacht haben.
J: Entschuldige, dass ich dich das frage...ich hätte..."
C: Ich bin dein Freund Julia, daher...solltest und könntest du das schon wissen, aber...hast du daran nie selbst gedacht? Du weißt, was ich mache und kannst dir wohl auch denken, was ich verdiene, oder?"
Ich habe nie darüber nachgedacht, da es mich nicht interessierte. Ich habe immer gesehen, dass es Chris nicht verändert hatte, dass es ihm egal war, was wer macht, Hauptsache, man ist glücklich damit.
J: Hast du über eine Million auf dem Konto..."
Ich spreche den Satz so leise aus, da er mir so unfassbar unangenehm ist. Gott...so will ich nicht sein und will so nicht klingen. Aber Chris schaut nicht schockiert oder genervt, sondern ruhig.
C: Firmenkonto mehr als das...privates Konto weniger..."

Chris schaut auf den See, isst wieder etwas und ich sitze still daneben. Natürlich hätte ich mir das denken können. Ich kenne ihn lange genug, aber...
J: Warum ist dir das alles gar nicht so wichtig..."
Chris hält inne, schaut zu mir und danach auf den See.
C: Weil Geld nicht glücklich macht und es mir niemals das geben kann, was ich wirklich haben will. Ich könnte Hunderttausende auf den Tisch legen, aber meinen Vater werde ich niemals wiedersehen oder in den Arm nehmen können."
Dann schaut er zu mir und versucht sein Lachen zu unterdrücken.
C: Nichts könnte mir diesen Moment hier geben. Wo ich mit meiner Freundin am See sitze, eine sehr schlechte Pizza esse, die das Geld nun wirklich nicht wert war, und über uns rede. Ich liebe diese Momente, die mir Geld niemals geben könnte."
Ich muss lachen, wende meinen Blick von ihm ab und esse danach wieder etwas. Recht hat er, mit all seinen Punkten.
C: Warum bist du Ärztin geworden? Wegen des Geldes?"
J: Ich wollte immer schon Menschen helfen. Dass ich am Ende Chefärztin mit ordentlichen Gehalt geworden bin...war nicht derartig geplant..."
C: Und ich wollte meinen Traum verfolgen. Dass es am Ende zu dem geworden ist, was es jetzt ist, hätte ich Anfang der 2000er doch auch niemals gedacht. Keiner hätte das jemals gedacht, aber ich bin froh darüber, dass es so ist."

Als ich wieder etwas essen will, legt er eine Hand an meinen Kopf und richtet den zu sich, sodass wir uns wieder anschauen müssen.
C: Aber das Beste ist, dass ich dich an meiner Seite habe."
Danach legt er vorsichtig seine Lippen auf meine und einen Moment ist das auch wieder vergessen. Er hat meiner Mutter endlich mal seine Meinung gesagt. Ich denke, dass er es in all den Jahren nie getan hatte, weil er mir das nicht antun wollte. Er wollte mich dadurch nicht verletzten. Aber das, was sie immer wieder mit ihm macht, geht nicht und...er ist mir wichtiger als alles, was meine Mutter sagen oder machen könnte.
J: Wir sollten nicht zu lange hierblieben Chrissy...morgen wir schon ein anstrengender Tag für uns. Eine lange Fahrt steht uns bevor."
C: Kann sein, aber..."
Er schiebt den Karton etwas von uns weg, legt seine Arme um mich und holt mich daraufhin näher zu sich, bis ich beinahe auf seinen Beinen sitze. Dann legt Chris seine Hände hinter meinen Kopf und lächelt zufrieden, was mich rot werden lässt.
C: Ich möchte noch einen schönen und unbezahlbaren Moment mit meiner Freundin haben...

Meine beste FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt