Kapitel 63

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Kendall

Mein Leben bei der Bruderschaften verlief anders als ich erwartet hatte. Ich war nicht frei. Nicht einen verdammten Tag lang. Jeder Tag hier war durchgeplant. Magneto schickte mich auf eine Mission nach der andern, ohne mir je zu verraten, was eigentlich dahinter steckte. Immer wenn ich danach fragte, tätschelte er mir lediglich den Kopf und sagt „Ist das wirklich wichtig? Du dienst dem großen Ganzen Nyx. Du kämpfst für die Freiheit aller Mutanten. Du leistest einen wichtigen Beitrag. Belaste dich doch nicht mit den unnötigen Details dahinter. Deine Aufgabe ist es, den Anderen den Rücken freizuhalten. Mach das worin du so talentiert bist. Töte jeden, der sich unsere Sache in den Weg stellt. Zeig ihnen, warum man uns fürchten sollte. Warum sie dich fürchte sollten. Lass sie bluten"
Und das tat ich.
Jedes Mal.
Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen, wie viele Leben ich bereits genommen hatte. Es kümmerte mich nicht. Sie waren mir egal. Alles was mir egal, solange ich ihre Gefühle trinken konnte wie den süßesten Wein, war es mir egal, warum Magneto wollte, dass ich sie beseitigte. Er wird seine Gründe gehabt haben.

Doch noch schlimmer als die unzähligen Missionen engten mich die Tage ein, die ich im Anwesen der Bruderschaft verbringen musste. Das Gebäude war zwar wunderschön, doch für mich fühlte es sich immer mehr an wie ein Gefängnis. Man verwahrte mich hier, bis man mich brauchte.
Die Tage verschwommen hier zu einer einzige Masse. Irgendwann wusste ich nicht einmal mehr welcher Wochentag es war. Aber das war eigentlich auch völlig egal. Jeder Tag schien gleich zu sein. Ich stand früh morgens auf, aß eine Kleinigkeit und wurde dann von Phoenix zum Training abgeholt, dass meist bis weit in den Nachmittag hinein reichte. Magneto und sie wollten sicher gehen, dass ich das volle Potential meiner Fähigkeiten erreichte. Das Training war unfassbar hart. Phoenix kannte keine Gnade. Danach war ich in der Regel so ausgelaugt, dass ich bereist vor dem Abendessen wieder einschlief. Und dann begann es von vorne.
Mit jedem Tag verschwand ich ein wenig mehr. Kendall verschwand.
Alles was mir blieb war Nyx.

Seit Wochen hatte mich niemand mehr bei meinem echten Namen genannt. Nicht mehr seit dem Tag, als wir in diese Lagerhalle eingedrungen sind und Er plötzlich da gewesen war. Er hatte ihn geschrien voller Schmerz und Sehnsucht. Voller Liebe.
Doch seine Gefühl prallten gegen die dicke schwarzen Wand in meinem Inneren einfach ab. Sie perlten an ihr hinab wie Regentropfen an einer Scheibe. Sie drangen nicht zu mir durch.

Das stimmt nicht ganz oder?
Sie sind nicht einfach abgeperlt.
Sie haben Risse hinterlassen, nicht wahr?

Ich hasste es ihre Stimme in meinem Kopf zu hören. Was wollte sie denn noch von mir? Sie hatte doch schon alles von mir bekommen was ich zu geben hatte. Den größten Teil des Tages hatte sie die alleinige Kontrolle. Ich zog mich selbst in mir zurück und ließ sie machen. Sie hatte doch bekommen was sie wollte. Warum war sie nicht glücklich?

Weil du nicht glücklich bist.

Bullshit. Es war egal ob ich glücklich war oder nicht. Ich hätte es so oder so nicht sein können, weder das eine noch das andere, selbst wenn ich es gewollt hätte. Phoenix hatte mir jegliche Gefühle genommen. Sie waren weg. Verschwunden.
Ich empfand nichts.

Das stimmt nicht ganz, sie sind nicht weg.
Denk nach
Was denkst du wofür die schwarze Wand hier drinnen da ist?
Was denkst du was sie verbirgt?
Was ist hinter der Wand, Kenny?

Ich schnaubte. Selbst wenn diese Wand meine Gefühle hinter sich verbarg, nützte mir diese Erkenntnis nichts. Es war mir unmöglich sie zu durchbrechen.

Das stimmt leider, du kannst es nicht.
Du kannst die Mauer nicht zum Einsturz bringen.
Aber ER kann es.

Verwundert zog ich die Stirn kraus.
Von wem sprichst du?

Du weißt von wem ich spreche.
Der Soldat.
Unser Soldat.

Stimmte das? War er wirklich dazu in Lage?
Erinnerungen an den Abend nach dem Einsatz bei dem er meinen Namen gerufen hatten schoben sich vor mein geistiges Auge.
Ich war noch einmal nach unten gegangen an diesem Abend um mir einen Snack zu holen, als ich an Magnetos Zimmer vorbei kam. Die Tür stand einen Spalt offen, sodass ich jedes Wort, dass in Inneren gesprochen wurde, hören konnte. Eigentlich wollte ich nicht lauschen, doch als ich Darwins aufgebrachte Stimme hörte konnte ich nicht widerstehen.
„Er war plötzlich einfach da. Keine Ahnung woher er wusste das wir da waren. Plötzlich stand er einfach vor ihr. Diese verdammte Soldat. Er löst etwas in ihr aus, Eric. Ich konnte es sehen und Mystique auch. Dieser Mistkerl schafft es zu ihr durchzudringen. Zu ihrem wahren Kern."
„Das ist unmöglich. Phoenix war gründlich. Sie weiß was sie tut. Man kann es nicht einfach so rückgängig machen" Eric klang sicher und überhaupt nicht beunruhigt ganz im Gegenteil zu Darwin.
„Hast du mir nicht zugehört? Er musste nur ihren fucking Namen sagen. Nur ihren Namen! Für den Bruchteil einer Sekunden war sie wieder sie selbst. Ich habe es gesehen, ihre Augen wurden heller, ihr Blick klarer. Er hat irgendeine kranke Macht über sie, die sich einen Dreck um die Barriere in ihrem Kopf zu kümmern scheint. Phoenix muss nochmal ran. Das was sie getan hat mit Nyx...das reicht nicht aus. Sie muss mehr tun"
Als Eric antwortete klang er plötzlich doch beunruhigt „Sie kann das nicht nochmal mit ihr machen. Wenn Phoenix es wiederholt beziehungsweise es verstärkt, dann bleibt von Nyx nichts mehr übrig. Wir müssen das Problem anders lösen. Wenn es stimmt was du sagst, dann stellt dieser Soldat eine echte Gefahr für unsere Ziele da. Sie darf nicht noch einmal in seine Nähe kommen, hast du verstanden? Halt sie von ihm fern. Schaffst du das Darwin?"
Ich konnte nichts hören, also nahm ich an das Darwin lediglich genickt hat, denn Eric fuhr fort „Gut. Dann besteht meiner Ansicht nach keine Gefahr, dass dir jemand dein Spielzeug wegnimmt, Darwin"
Dein Spielzeug?
„Sie ist nicht mein Spielzeug" knurrte Darwin. „Nenn es wie du willst. Wir wissen beide das du einen Narren an der kleinen Stark gefressen hast. Lässt sie dich denn wenigsten ran? Oder darfst du sie nur aus der Ferne bewundern?" Ich konnte kaum glauben wie abfällig Eric über mich sprach. Auch seine folgende Worte waren nicht viel besser „Ich habe dich geschickt sie zurück zu holen, weil ich sie brauche um den Plan zu vollenden, nicht für dein persönliches Vergnügen. Wenn sie dich lässt, dann genieß es von mir aus. Vögele sie hier genauso wie du es in Xaviers Institut getan hast, als du noch ihr Professor warst. Es ist mir egal. Was mir nicht egal ist, wenn du mit deinem alberne Besitzanspruch meinen Plan gefährdest.
Nyx ist hier um der Bruderschaft zu dienen.
Um mir zu dienen.
Nicht dir, hast du das verstanden?"
Wieder war es ruhig, wahrscheinlich nickte Darwin nur stumm. Ich konnte seine Wut bis nach hier draußen spüren. Das Geräusch eines Stuhles der über den Boden geschoben wurde durchbrach die Stille. Offensichtlich wollte Darwin das Zimmer verlassen, doch Eric schien noch nicht fertig mit ihm zu sein „Bevor du gehst, Darwin. Eins noch. Diese kranke Macht die er über sie hat von der du sprachst... es ist Liebe"

The RebellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt