Kapitel 71

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Kendall

Endlich.
Endlich bekam ich meine verdiente Rache.
Endlich bekam mein Vater was er verdiente.

Mit einem breiten Lächeln blickte ich auf den Mann hinab, der mein Leben zerstört hatte. Er war schuld an allem was mir passiert war. Wegen ihm war ich das Monster das ich heute war. Seinetwegen musste ich meine Jugend in einem Internat verbringen, gut versteckt vor der Welt. Und als ich endlich frei war hat er die erste Gelegenheit, den ersten Fehler von mir, genutzt um einen Grund zu haben mich wieder einzusperren. Er wollte mich verwahren bis ich geheilt war. So als wäre es bloß eine Krankheit die mich plagte. Er verstand es nicht. Er verstand nicht, dass Sie jetzt ein Teil von mir war und es immer bleiben würde.
Es gab kein zurück.
Weder für mich, noch für ihn.
Es würde nie wieder so werden wie früher.
Nie wieder.
Er hatte mir mein Leben genommen und heute Nacht würde ich seins nehmen.

Er kniete vor mir, unfähig sich zu bewegen und flehte mich an, sein armseliges Leben zu verschonen. 
Er war so erbärmlich. Ohne seinen Hightech Anzug war er nichts. „Ich möchte nur, dass du weißt, dass, obwohl du mein Leben zerstörst hast, Rache und Vergeltung nicht das ist, was ich will. Es ist nicht mein Stil" Erleichterung machte sich auf seinem Gesicht breit „Oh, das ist gut, Kenny. Es tut mir so leid was passiert ist. Wir finden sicher einen Weg..." Ich hob die Hand und brachte ihn zum Schweigen „Du hast mich nicht ausreden lassen, Dad. Rache und Vergeltung sind nicht mein Stil. Doch bedauerlicherweise habe ich hier nicht mehr das sagen sondern Sie. Und Sie ist ganz versessen darauf, dich bluten zu sehen." Ich schmeckte seine Panik und genoss sie wie einen alten Wein. Ich begann ein Bild davon zu formen, was mein Vater gleich alles für Höllen Qualen erleiden sollte, als mich unsichtbare Fesseln zurückhielten.
Was geschah hier?

Und dann hörte ich eine Stimme, die mich sofort innehalten ließ. Sie war dunkel und rau, und so vertraut das es mich durchzuckte, genau so wie es mich vorhin durchzuckte hatte, als ich in seine eisblauen Augen gesehen hatte. Sie weckte etwas in mir, das ich tief vergraben hatte.
„Es reicht Kleines" Mein Kopf flog wie automatisch zu ihm und ich brauchte einen Moment die Situation zu verstehen. Offensichtlich hatte er es geschafft, sich davon loszureißen, seinen besten Freund zu Brei zu schlagen. Wie enttäuschend.
Er war so leicht zu manipulieren gewesen, sie beide waren es. Natürlich hatte ich in Steves Fall ein klein wenig nachgeholfen, damit er mich ausgerechnete hier und in dieser Situation küsst, aber es war nicht viel meiner Macht nötig. Der Wunsch mich zu Küssen war bereits da, ich habe ihm bloß die Hemmungen genommen. Er begehrte mich mindestens so sehr wie er mich hasste. Die Mixtur aus widersprüchlichen Gefühlen in ihm war berauschend gewesen, doch sie war nichts im Vergleich zu Buckys alles verzehrender Eifersucht. Diesen Geschmack hatte ich vermisst. Ich war regelrecht süchtig danach. Als sie mich eben durchströmte fühlte ich mich wie ein Junkie der endlich wieder seine Droge bekam. Der Rausch kam schnell und heftig. Ich hatte ernsthafte Problem mich von ihm loszureißen. Am liebsten wäre ich dort stehen geblieben und hätte mich an dem Bild wie er blind vor Eifersucht auf seinen besten Freund einschlägt berauscht. Er tat das nur meinetwegen.
Es war ein herrlicher Anblick, doch ich war hier um meinen Vater zu töten. Also hatte ich nur kurz zugesehen wie die beiden Supersoldaten in meine Falle getappt waren und ebenso außer Gefecht gesetzt waren wie die arme kleine Natascha, die immer noch vor Schmerzen schrie, ehe ich zu meinem Vater ging.
Ich hatte alles unter Kontrolle gehabt.
Der Plan war perfekt gewesen.
Warum war Bucky jetzt hier und hielt mich auf?
Wie schaffte er das?

Mein Blick löste sich von ihm und dann sah ich meinen Fehler. „Spiderboy" sagte ich kopfschüttelnd „Dich hatte ich hier nicht erwartet und noch weniger hatte ich erwartet das ausgerechnet ihr zwei euch verbündet. Ich dachte ihr hasst euch" Bucky grunzte bloß und zuckte mit den Schultern „Glaub mir, ich bin darüber eben so schockiert wie du. Aber erstaunlicherweise wollen Peter und ich ausnahmsweise mal dasselbe. Wir wollen dich retten Kleines."
Ich zupfte an den dünnen Fäden die mich umschlossen „Lasst mich raten, das sind die selben Fäden wie damals nicht wahr?" Peter nickt, schaffte es aber nicht mir in die pechschwarzen Augen zu blicken. Ganz im Gegensatz zu Bucky.
Er hielt meinem Blick stand.
Er hatte keine Angst vor mir, das hatte er noch nie.

Das Ganze hier hatte erschreckende Parallelen zum letzten Mal, als die Avengers mich festgenommen hatten. Und wieder stand Bucky auf ihrer Seite, nicht auf meiner.
Ich fühlte wie die schwarze Mauer in  mir einen Riss bekam und im nächsten Augenblick durchflossen mich ein unfassbarer Schmerz.
Verrat.
„Ich kann nicht fassen das du mir das erneut antust." flüsterte ich und zu meiner eigenen Verwunderung rann mir eine Träne die Wange hinab. „Ich weiß wie das hier aussieht, aber ich bin auf deiner Seite, Kleines" Er kam näher und ich stemmte mich mit allem was ich hatte gegen die Fesseln, sowohl körperlich als auch mental.
„Shit, Bucky...beeil dich...sie ist viel stärker als beim letzten Mal....ich kann...ich kann sie nicht mehr lange kontrollieren..." schnaufte Peter und ich lächelte. Dann schickte ich eine erneute Welle meiner Macht los und die ersten Fäden zersprangen. Ich kämpfte um mein Leben, nicht mehr und nicht weniger. Und ich würde nicht aufgeben. Niemals.

Das kalte Metall von Buckys Arm berührte mich fast zaghaft an meinem Handgelenk und in dem Moment brach etwas in mir. Hektisch schnappte ich nach Luft. Was war das?
Mein Blick war wild, mein Körper bäumte sich in den Fesseln auf. Ich war wie ein Sturm der unaufhörlich wüteten wollte, doch diese elenden Fäden ließen nicht. Ein letztes Mal bäumte ich mich auf und schoss alles was ich hatte an den Fäden entlang zurück zu Peter. Er schrie irgendwas zu Bucky, doch ich hörte ihn nicht. Ich hörte gar nichts.
Ich sah nur Bucky.
Er stand dicht vor mir und noch immer schien er keinerlei Angst zu empfinden. Er umgriff auch mein anders Handgelenk und schirmte Peter mit seinem eigenen Körper vor mir ab „Du musst damit aufhören. Ich kann dich das nicht tun lassen, Kleines" seine Stimme schlug gegen meine mentale Barriere doch sie hielt stand. Noch.
Ich würde mir meine Rache nicht nehmen lassen. Von niemanden.
Auch nicht von ihm.

Ein unmenschlicher Schrei drang aus meiner Kehle als ich erneut meine Kraft bündelte und gegen die Fesseln kämpfte. Dieses Mal hatte ich Erfolg. Doch mein Zorn traf nicht Peter, sondern Bucky. Dadurch das er immer noch meine Handgelenk umschlossen hielt bestand eine direkte Verbindung zwischen uns, an denen auch die getränkten Fesseln nichts ändern konnten. Er stöhnte auf, als ich ihn glauben ließ, dass ich ein Messer in seinen Bauch rammte. Kurz schloss er die Augen „Autsch" knurrte er zwischen zusammengebissen Zähne „Das war nicht nett, aber ich lasse es dir durch gehen. Ausnahmsweise. Aber nur weil du so verflucht heiß aussiehst wenn du wütend bist"
Flirtete er etwa mit mir? JETZT?
Ich ließ ihn erneut das Messer spüren. Immer und immer wieder zog ich es mental aus ihm heraus und stach erneut zu. Doch abgesehen von einigem Stöhnen blieb er standhaft. Durch die bestehenden Verbindung zwischen uns wusste ich das er höllische Schmerzen litt, doch er stand noch immer wie ein Fels vor mir und schirmte mich vor den andern ab.
„Du kannst mir antun was immer du willst, ich gehe nicht weg. Ich lasse dich nicht los. Nie wieder."

Ich schrie erneut auf und brach ihm den Arm. Ich hörte das Knacken und sah wie sich sein Gesicht schmerzverzerrt verzog. Aber er ließ nicht los. Er blieb bei mir. „Ich habe dich einmal gehen lassen. Das werde ich nicht nochmal tun. Ich bleiben bei dir, ganz egal wie grausam du bist. Ganz egal was du mir antust. Ganz egal wie sehr du mich dafür hasst, was ich tun muss um dich aufzuhalten. Ich werden nicht dabei zusehen, wie du deinen Vater tötest. Ich kann dich das nicht tun lassen, ganz egal wie sehr du gerade denkst, dass du genau das brauchst um deinen Frieden zu finden, es ist falsch und es würde dich zerstören. Ich werde nicht zulassen das du diese Grenze überschreiest. Ich bleibe hier, zwischen dir und den Anderen, egal was passiert. Ich habe dich nie aufgeben. Niemals. Ich weiß du das noch da drin bist, Kleines. Ich werde dich finden und zurückholen. Das verspreche ich dir. Du musst mir vertrauen, es wird alles gut. Ich lasse dich nicht allein. Nie wieder. Ich bleibe an deiner Seite, bis zum Ende. Ich liebe dich"
Die Worte hatten gerade seine Lippen verlassen als ich den Einstich spürte. Geschockt blickte ich auf die Spritze die noch in meinem Arm steckte. Ich konnte spüren wie schnell sich das Betäubungsmittel in meinem Körper verteilte und mich schwächte.
„Du elender Mistkerl. Ich hasse dich" sagte ich mit schwere Zunge.
Das letzte was ich sah waren seine eisblauen Augen. Das letzte was ich spürte war das kalte Metall seiner Hand als er mir zögerlich über die Wange strich.
Das letzte was ich hörte war seine raue Stimme als er sagte „Es ist mir lieber du hasst mich, als dich"

The RebellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt