Kapitel 86

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Bucky

Möglichst lautlos schlich durch den dichten Nadelwald, der die Rückseite des Anwesen der Bruderschaft umgab. Kendall hatte mir gesagt, das es an der Rückseite ein altes Fenster gab, dessen Scharniere locker waren. Ein bisschen Druck und es ließ sich öffnen. Sie war früher oft durch das Fenster gestiegen, wenn sie unentdeckt das Haus verlassen wollte. Auch wenn sie mir nicht gesagt hatte, was sie in diesen Nächten außerhalb des Anwesens getrieben hatte, hatte ich eine gewisse Vorahnung. Kendall war kein Kind von Traurigkeit.
Ganz und gar nicht.

Ich dachte unwillkürlich an die Geschichte die Darwin mir bei unserem ersten Treffen erzählt hatte. Sie hatte ihn damals betrogen. Mehrmals. Und zwar nicht nur mit einem Mann. Allein der Gedanke daran, wie sie es mit zwei Männer gleichzeitig trieb ließ die Eifersucht in mir aufkochen. Niemals könnte ich sie mit einem andern teilen. Niemals.
Sofort keimte Selbstzweifel in mir auf. Kendall war noch so jung und so neugierig. Würde ich ihr auf Dauer wirklich ausreichen?

Schnell schüttelte ich den Gedanken ab.
Reiß dich zusammen Buck
Das hier war jetzt nicht der Zeitpunkt sich darüber Gedanken zu machen. Ich war drauf und dran in den Wohnsitz eines Haufens Mutanten einzubrechen, ich brauchte einen kühlen Kopf. Mit einem letzten Blick über die Schulter lief ich lautlos über den Rasen zu dem Fenster, dass laut Kendall defekt war. Und sie hatte recht. Ein leichter Schlag und es schwang auf. Ich huschte hinein und befand mich in einer Art Vorratskammer. Nachdem ich mir sicher war, dass niemand hier war lief ich den langen Flur entlang. Kendall hatte mir den Weg zu ihrem Zimmer genau beschrieben und so fand ich mich hier erstaunlich gut zurecht, obwohl das Gebäude mindestens so verwinkelt wie es riesig war. Ohne ihre Beschreibung hätte ich es nie gefunden. Allein in dem Flur, in dem sich ihr Zimmer befand war noch 10 weitere Türen. Doch ich wusste genau zu welcher ich wollte.

Vor der 3 Tür auf der linken Seite blieb ich stehen. Ich konnte mein Glück kaum fassen, dass ich bis hier her von keinem der anderen Bewohner entdeckt wurde. Auch der Flur hier oben schien wie verwaist. Meine Schulter an die Tür gelehnt lauschte ich, doch im Inneren schien alles ruhig. Zu ruhig.
Kendall müsste eigentlich schon längst hier sein. Ich hatte einiges an Zeit verloren, als ich durch den dichten Nadelwald geschlichen bin. Sie hatte einen gewaltigen Vorsprung. Sie war definitiv vor mir hier gewesen. Sicher hatte sie Darwin längst getroffen. Vielleicht waren sie ja doch im Zimmer? Erneut drückte ich mein Ohr an die Tür, doch ich hörte nicht. Keine Streitgespräche, kein Geflüster, nichts. Möglicherweise waren sie anderweitig beschäftigt. Kurz schloss ich die Augen als eine erneute Welle der Eifersucht mich durchflutet. Nein. Sie würde es nicht tun. Sie würde sich nicht auf ihn einlassen.
So weit würde sie nicht gehen.
Oder doch?

Es gab nur eine Möglichkeit dem Kopfkino ein Ende zu setzten. Ein letztes Mal holte ich tief Luft, dann griff ich nach der Waffe an meinem Hosenbund und drückte die schwere Tür auf. Mein Blick flog binnen Sekunden durch das geräumige Zimmer und scannte jeden Winkel, ehe ich die angehalten Luft entweichen ließ.
Das Zimmer war leer.
Keine Spur von Kendall oder Darwin.
Und auch nicht von Tony.
Wo waren sie bloß?

Ich zog die Tür hinter mir ins Schloss und sah mich in aller Ruhe in dem Zimmer um. Es war recht geräumig, wenn es auch wenig Möbel enthielt. Eigentlich schien es fast nur aus dem gewaltigen Kingsizebett zu bestehen, dass ich bereits aus dem Erpresservideo von Darwin kannte. Der Anblick des Bettes und das Wissen darüber, mit wem meine geliebte Kendall es geteilt hat war ein weiterer Stich ins Herz. Ich hasse es so sehr, dass wir jetzt hier waren. Das sie jetzt hier war. In seiner Nähe.
Am liebsten hätte ich es verhindert. Sie hätte im Hauptquartier oder wenigstens draußen im Jet bleiben sollen und mich das Regeln lassen. Von mir aus gemeinsam mit dem Spinnenjungen. In den letzten Wochen war er mir fast ans Herz gewachsen. Nicht das ich das vor ihm je zugeben würde.
Wenn ich gewusst hätte, das auch nur der Hauch einer Chance besteht, dass sie sich raushält hätte ich mehr auf sie eingewirkt. Doch ich kannte meine Kleine inzwischen zu gut. Sie scheute keinen Kampf. Niemals. Und sie war stärker als wir alle zusammen. Wenn es nicht so friedlich verlaufen würde, wie sie es hoffte, dann würde sie sich zu wehren wissen. Trotz allem war ich nervös. Ach wem machte ich was vor. Ich war nicht nervös. Ich hatte eine scheiß Angst um sie. Es konnte so viel schief gehen. Und ich war nicht an ihrer Seite. Ich wusste ja gerade nicht mal wo sie war. Der Plan war schlichtweg scheiße. Ich hätte ihm nicht zustimmen dürfen. Verdammt ich hätte an ihrer Seite bleiben müssen. Egal wie sehr es den lieben Darwin angepisst hätte. Er glaubte doch nicht wirklich, dass sie zu ihm zurückkehren würde oder etwa doch? Mein Blick fiel ein letztes Mal auf das Bett das die Beiden einst geteilt hatten. Nur über meine Leiche würde sie je wieder mit ihm da drin liegen.

Leise verließ ich das Zimmer wieder und joggte den Flur entlang in die Richtung in der sich laut Kendalls Beschreibung die Empfangshalle befand. Vielleicht waren sie noch dort.
Als ich auf der Empore ankam, die den Blick auf die herrschaftliche Halle preisgab biss ich die Zähne zusammen. Also hier war Kendall aufjedenfall gewesen. Ohne Emotionen blickte ich hinab auf die beiden toten Mutanten. Die Art und Weise wie ihre Leichen zugerichtet waren, trug ganz klar Kendalls Handschrift. Das war definitiv nicht nach Plan verlaufen. Verdammt was hatte sie dazu veranlasst dermaßen die Kontrolle zu verlieren?
Was auch immer es gewesen war, es bedeute das die Zeit drängte. Wenn sie bereits beim Betreten des Anwesens mit Darwin aneinander geraten war, musste ich sie schnellstmöglich finden. Aber wo zur Hölle sollte ich anfangen zu suchen?

„Bucky?" ich schnellte herum und zog die Waffe, als ich in das amüsiert blickende Gesicht von Wanda Maximoff schaute, ließ ich sie allerdings sofort wieder sinken „Was machst du denn hier?"

The RebellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt