Kapitel 89

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Ich stämmte mich auf die Knie, meine Hände umschlossen die Gitterstäbe ihrer Zelle.

Reiß dich zusammen verdammt. Du kannst jetzt nicht daran zerbrechen. Nicht hier. Nicht jetzt. Sie braucht dich. Du musst stark sein. Für sie.

Meine schweren Militärstiefel schrammten über den Boden, als ich auf die Beine kam. Ich rüttelte an der Tür, doch natürlich war sie verschlossen. Nicht das das ein Problem für mich wäre. Endlich war der Metallarm mal zu was nützlich. Es brauchte nur wenige Schläge ehe das Schloss zersprang und die Tür aufschwang. Sofort rannte ich zu ihr und ließ mich neben sie auf den Boden sinken.
Großer Gott, sie war so blass und eiskalt. Mit zittrigen Fingern umschloss ich ihr viel zu schmales Handgelenk. Als ich ihren Puls unter meinem Finger spürte, erlaubte ich mir das erste Mal wieder selbst Luft zu holen.
Sie lebte.

„Wach auf, Kleines" ich strich ihr zärtlich eine blutverklebte Strähne aus dem Gesicht, doch ihre Augen bleiben verschlossen. Ihr Haut war feucht und kalt. Mein Kiefer mahlte schmerzhaft aufeinander als ich all die Verletzungen sah, die dieser Bastard und sein unheimlicher Begleiter ihr zugefügt hatten. Er würde für jede einzelne dieser Wunden bluten. Sie alle würde das.
Niemand der auch nur irgendwie an diesem kranken Scheiß beteiligt gewesen war, würde diesen Tag überleben. Dafür würde ich sorgen.

Erneut strich ich ihr übers Gesicht. Kalter Schweiß hatte sich auf ihrer Stirn gebildet. Ich wischte ihn weg und sammelte ihre Kleider ein, die achtlos auf dem dreckigen Boden lagen. Meine Hände verkrampft sich um den Stoff, als ich daran dachte, dass er sie ihr ausgezogen hatte. Ganz offensichtlich gegen ihren Willen, wenn man all die Verletzungen bedachte. War sie da noch bei Bewusstsein gewesen? Hatte sie das alles wach ertragen müssen?
Hatte sie sich von ihm betatschen lassen müssen in dem vollen Bewusstsein, dass ich es nicht rechtzeitig geschafft hatte sie zu retten?
Hasste sie mich für mein Versagen?
Ich könnte es ihr nicht verübeln, denn ich hasste mich selbst abgrundtief dafür. Wäre ich doch nur schneller gewesen. Ich hatte so viel Zeit vergeudet, als ich das Bett in Darwins und ihrem Zimmer betrachte hatte und mir ausmalte wie so dort mit ihm drin lag. Was musstest du in diesem Moment erleiden, als ich meiner alberne Eifersucht nachging, Kleines? Welchen Schmerz hast du erlitten während ich mit Wanda geplaudert hatte, als hätte ich alle Zeit der Welt?

Mein Selbsthass verschlang mich bei lebendigen Leib. Das hier war meine Schuld. Ich hätte dich nicht alleine gehen lassen dürfen. Die Gefahr war so greifbar gewesen, ich hatte gewusst das es ein Fehler war, dass du dich schutzlos zu ihm begibst. Und doch ließ ich dich gehen. Direkt hinein in die Hölle.

Vorsichtig versuchte ich ihr die Hose überziehen. Als ich sie ihre Oberschenkel hochzog und die blauen Flecken sah, die seine Hände hier hinterlassen hatten, war es zu viel. Ich ertrug es nicht länger. Mein Kopf sackte kraftlos nach unten auf ihren Bauch und ich spürte die heißen Tränen meine Wange hinunterlaufen. Meine Arme glitten unter ihren Körper und ich zog sie an mich. Wie ein Baby wiegte ich sie in meine Armen und weinte stumm. Seit meinen Tagen in Wakanda hatte ich nicht mehr geweint. Doch das hier war einfach zu viel für mich. Kendall so zu sehen brach mein Herz. Das Herz von dem die meisten glaubten, dass ich es gar nicht besaß zersprang in tausend Teile, während ich ihren geschundenen Körper an mich drückte, als würde das irgendwas wieder rückgängig machen können. Als könnte ich es ungeschehen machen. Doch das konnte ich nicht. Nichts und niemand konnte ihr diesen Schmerz je wieder nehmen. Er hatte etwas in ihr zerstört, dass nie heilen würde. Die Erlebnisse des heutigen Tages würden für immer ein Teil ihres Lebens sein. Es würde sie verändern. Es würde alles verändern.

„James?"
Ihre Stimme zu hören war wie ein Weckruf. Ich nahm den Blick von den Wunden auf ihren Oberarmen und sah sie an. „Willkommen zurück, Kleines" sagte ich mit einem deutlichen Kloß im Hals. Ihre Augenlider flatterten, doch dann schaffte sie es endlich sie aufzuschalten. Doch als ihr Blick meinen traf zuckte ich unbewusst zusammen, was sie natürlich sofort bemerkte. Eine Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen „Was ist?" krächzte sie. „Es sind deine Augen. Sie...sie sind...sie sind grün" flüsterte ich. Grün. Nicht schwarz.
Das war nicht gut. Das war gar nicht gut.
Die Erkenntnis, was das bedeutet traf sie mit voller Wucht. Sie legte panisch ihre Hand auf meinen nackten Unterarm, schloss die Augen und ich wusste was sie vor hatte. Sie wollte meine Gefühle spüren. Sie wollte wissen, ob sie es noch konnte. Doch als sie die Augen wieder aufschlug wusste ich es bereits. Ihre wunderschönen, aber leider menschlichen grünen Augen füllten sich mit Tränen „Ich kann nichts spüren. Gar nichts. Sie...sie ist weg" schluchzte sie auf und ich zog sie enger an mich. Das war ein weiter Sargnagel für ihre geschundene Seele. „Was hat er bloß mit dir gemacht, Kleines?" flüsterte ich und küsste ihren Scheitel. Mir war nicht bewusst woher sie die Kraft dazu nahm, aber sie setzte ich tatsächlich auf meinem Schoß auf und begann mir alles zu erzählen. Jeden einzelne Punkt ihres Martyriums. Sie ließ nichts aus und ich bewunderte sie einmal mehr für ihre Stärke.
Als sie zum Ende kam stellte ich ihr die Frage, die mich mehr quälte als alles anderer „Hat er...war er...hat er dich..." meine Stimme brach immer wieder, ich konnte es nicht mal laut aussprechen. Doch zum Glück musste ich das auch nicht, sie verstand was ich wissen wollte „Nein. Nein zum Glück nicht. Er wurde gestört, als er gerade..." jetzt war es ihre Stimme die brach und ich schlang meine Arme noch enger um sie.
„Er wird bezahlen für das alles hier. Das schwöre ich dir. Ich werde ihn töten." knurrte ich und meinte jedes Wort genauso. Kendall schüttelte den Kopf, der fest an meiner Brust lag „Nein das wirst du nicht James. Ich werde es tun. Ich werde ihn töten"

The RebellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt