Kapitel 85

151 17 6
                                    

Tot.

Weg.

Nicht mehr da.

Unwiederbringlich fort.

Sukas Worte rasten durch meine Venen, durch meinen Verstand, der sich vehement dagegen wehrte, die Bedeutung in Sukas Worten zu akzeptieren. „Nein, nein ... du ... du lügst." Würgte ich hervor und sah Suka über die Distanz zwischen uns hinweg ungläubig an. „Du lügst. Du hast schon immer gelogen, um zu bekommen, was du willst!" Suka vergrub zwei Hände in den Taschen seiner Hose, mit einer dritten Hand kratzte er sich nachdenklich am Kinn. „Da hast du recht." Er senkte den Blick, der Schotter auf der Straße begann, zu hüpfen, als eine mir unbekannte Macht die Luft füllte und die Umgebung zum Zittern brachte. Als Suka den Blick hob, lag in den rotglühenden Untiefen bedachter Wahnsinn und etwas Fremdes. „Wenn du eine kleine Glaubensstütze brauchst, helfe ich dir dabei gern auf die Sprünge." Suka packte sich selbst an der rechten Seite seines schwarzen Haares, direkt am Haarschopf knapp über der Stelle, an der seine rechte Gesichtshälfte entstellt worden war.

Und begann, zu ziehen.

Rotes Licht umgab seine Gestalt, als er zog und zerrte und sich langsam, Stück für Stück, ein zweiter Kopf aus seinem Kopf löste, dann ein zweiter Rumpf aus seinem eigenen, die Arme teilten sich auf die zwei sich trennenden Körper wieder auf. Mit aufgerissenen Augen sah ich dabei zu, wie Sukas entstelltes, schon fast gottgleiches Gesicht wieder einem normalen, menschlichen Gesicht wich, mit nur zwei Augen und ohne Entstellung. Suka sah mit einem Mal wieder so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Wie Sukuna.

Als die Trennung der Zwillinge an Sukas Hüfte angekommen war, hielt er inne, ein triumphierendes Grinsen auf den Lippen, als er meine Reaktion sah. Suka hielt Sukunas Kopf an den Haaren fest.

Oder zumindest an dem, was davon noch übrig war.

Heller Knochen schimmerte durch die verfaulte Haut an Sukunas Kopf, trockene Gewebefetzen schmückten sein Skelett noch an einigen Stellen und durch die freigelegten Rippen konnte ich die Häuser hinter Suka erkennen. „SUKUNA!" Izumis gequälter Schrei brach wie ein Tsunami über mir herein, als mein Freund an mir vorbestürmen wollte und ich ihn gerade noch so am Pullover zu packen bekam und zurückhielt. „SUKUNA!" ich sah Tränen in Izumis hellen Augen schimmern, sein Kiefer zitterte, als er neben mir auf die Knie sackte und sich seine freie Hand auf seine Wunde an der linken Schulter presste.

Tränen verschleierten meine Sicht, formten Suka und Sukunas Leiche zu einem unklaren, verwaschenen Punkt einige Meter vor mir. Ich war dem Tränenfluss dankbar. So musste ich Sukunas Überreste wenigstens für einige Momente nicht sehen. Schritte verrieten mir, dass sich auch Yuji und Kurose genähert hatten, ich konnte ihr Entsetzen und ihren Unglauben spüren und gerade, als ich mich der Trauer hingeben wollte, zog Kurose mich an sich heran, in eine warme Umarmung. Mir fielen mit einem Mal Sukunas Worte aus meinem ersten Traum wieder ein.

„Hier ist nichts, was du noch retten kannst."

Er ... er hatte mich irgendwie darauf vorbereitet, mich gewarnt und versucht, mir das Leid zu ersparen. Aber ich hatte nicht gehört, hatte es mit eigenen Augen sehen müssen, um es zu glauben. Musste sehen, was nicht mehr zu sehen war. Der Sukuna, den ich liebte. Die Trauer schlug ihre langen, schwarzen Klauen tief in mein Herz, in meine Seele, mein ganzes Sein. Immer mehr Tränen liefen mir über das verquollene und verdreckte Gesicht, bis sich die Trauer schließlich in unkontrolliertem Schluchzen äußerte, die der junge Zeitmanipulator alle auffing.

„Du hast ihn getötet!" Izumi hatte sich neben mir auf die Füße gekämpft und schwankte, als sei er betrunken. Dabei war es nicht Alkohol, der ihn wanken ließ, sondern rohe, ungezügelte Wut und rasende Trauer um seinen Kindheitsfreund, seinen Bruder. Suka zuckte bloß die Schultern und Stück für Stück wurden er und Sukunas Überreste wieder eins. Auch die entstellte Gesichtshälfte kehrte zurück, kaum, dass Sukunas knochenheller Schädel wieder eins mit Sukas Kopf geworden war. „Anfangs hat er sich noch ordentlich gewehrt, ich hatte ganz schön damit zu kämpfen, die Kontrolle zu behalten und habe sie einen Moment lang verloren. Er ist auf die Suche gegangen, ist dann aber ganz schnell eingeknickt als du," Suka deutete auf mich, „nirgends zu finden warst. Keiner wusste, wo du bist und als er realisiert hat, dass er dich nicht retten kann, hat sein Herz vor Trauer und Schmerz aufgehört, zu schlagen." Sagte Suka und fuhr im Plauderton fort, als er auf seine entstellte Gesichtshälfte zeigte. "Das hier ist lediglich die Folge seines Todes. Ein toter Körper hinterässt in der Verschmelzung nun Mal Spuren der Verwesung." Er schnalzte mit der Zunge. "Hat etwas gedauert, bis ich es bis zum minimum zurückdrängen konnte." Ein raues Lachen folgte. "Vorher sah das teilweise wirklich ... unappetittlich aus."

Ancient Love (Sukuna X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt