Die Schreie der Frau rissen nicht ab, wurden von Minute zu Minute gequälter, lauter und breiteten sich im gesamten Inneren der überdimensionalen Gefängniszelle aus. Jeder ihrer animalischen Schreie ging mir durch Mark und Bein und zerriss mir das Herz. Durch ihre Schmerzensschreie hindurch rief ich immer wieder nach Sukuna, doch aus der Schwärze erhielt ich keine Antwort, kein Lebenszeichen. Es war, als hätte ihn die Dunkelheit der Zelle vollständig verschluckt und nichts von ihm zurückgelassen. Oder besser, das, was hier drin lebte. Mit einem Mal wurde es vor uns hell, so hell, dass ich überrascht zurücktaumelte. Ich hatte in der Dunkelheit gar nicht mitbekommen, dass Izumi mich überholt hatte, sah nur noch, wie sich seine erstarrte Silhouette von dem gewaltigen grellen Licht abhob, bevor ich mein noch sehendes Auge vor dem Licht abschirmte.
Das Licht fraß sich durch mein geschlossenes Augenlid und schien näher zu kommen, bis der wachsende Lichtsturm mich schließlich von den Füßen fegte. Blind griff ich in die Luft, suchte verzweifelt nach etwas, an dem ich mich festhalten konnte und bekam schließlich eine Art Seil zu fassen. Mit aller Kraft klammerte ich mich daran fest und biss die Zähne zusammen, als die Hitze des Lichts immer heißer über meine blutverschmierte Haut strich. Gerade als ich dachte, die Hitze würde mir das Fleisch wie Wachs von den Knochen fließen lassen, verschwand sie, zusammen mit dem grellen Licht. Unsanft plumpste ich zu Boden und wagte es Herzschläge lang nicht, mich zu bewegen. Doch das Rauschen von Wasser in der Ferne brachte mich schließlich dazu, die Augen zu öffnen. Ich brauchte einige Momente, um mein trommelndes Herz wieder unter Kontrolle zu bekommen und festzustellen, dass ich bis auf ein paar Schürfwunden und wachsenden blauen Flecken unter dem vielen Ritualblut halbwegs unversehrt war. Das Seil in meiner Hand entpuppte sich als lange, überraschend dicke Wurzel, deren Ende Fuji wohl in letzter Sekunde zu packen bekommen hatte. Er lag mit dem Gesicht nach unten am Boden und rührte sich nicht, mit beiden Händen hielt er nach wie vor die Wurzel fest umklammert.
„Fuji! Alles gut bei dir?" auf wackeligen Füßen lief ich auf den Grauhaarigen zu, hielt aber inne, als er zitternd eine Hand von der Wurzel löste und mir einen Daumen nach oben zeigte. „Alles in Ordnung." Rote Sprenkel zierten den groben Stein unter ihm, als er sich hustend auf die Knie und schließlich auf die Füße kämpfte. Er musste sich den Kopf angeschlagen haben, dafür sprach neben der stark blutenden Platzwunde auf seiner Stirn auch der unfokussierte Blick in den orangen Augen und der wackelige Gang. In ein paar schnellen Schritten war ich bei ihm und stützte ihn, so gut ich konnte, als er sich erbrach. „Von wegen alles in Ordnung." Flüsterte ich und riss kurzerhand ein Stück meines Kimonos ab, mit dem ich ihm Blut und Erbrochenes aus dem Gesicht wischte. Sanft setzte ich ihn auf einem der größeren Steine ab und sah mich zum ersten Mal richtig um. Das Licht war verschwunden und hatte die alles erdrückende Dunkelheit mit sich genommen. Zurückgeblieben war die Höhle, in der wir saßen. Grobe Felsen lagen wahllos verteilt auf dem unebenen Untergrund, an einigen Stellen rannen Wasserrinnsale die kalten Wände hinunter und verzierten das Innere der Höhle mit Stalaktiten und Stalagmiten in allerlei Größen und Formen. Ich kannte diese Höhle, kannte den Wasserfall, der einige Meter in die entgegengesetzte Richtung in die Tiefe donnerte. Es war die Höhle hinter dem Wasserfall!
In meinem Rücken wurde das Klackern von Steinchen laut und sowohl ich als auch Fuji rissen alarmiert die Köpfe herum. Fuji stand wankend auf und baute sich mit erhobenen Fäusten neben mir auf. Gebannt starrten wir auf den Geröll- und Erdhaufen, von dem immer mehr Erde und Steinchen herunterrutschten. Zitternd hob auch ich die Fäuste, ließ sie aber gleich wieder sinken, als Izumi mit einem Mal sichtbar wurde und sich Erde aus der zerrissenen Kleidung klopfte. Er schien etwas zu sagen, seine Worte gingen aber in einem erneuten Schrei der Frau unter. Schnell legte er einen Finger an seine Lippen und kam auf uns zu. Er nahm mir Fuji ab und zu dritt liefen wir weiter in die Höhle hinein, doch allzu weit kamen wir nicht. Vor uns, hinter der ersten Kurve, erspähte ich einen mir nur allzu vertrauten weißen, blutigen Kimono. Erleichterung flutete meine Venen, als ich Sukuna in einem Stück mitten in der Höhle stehen sah und auf ihn zulief. Weniger Meter trennten uns noch, doch ich erreichte ihn nicht. Mit Schwung lief ich in die unsichtbare Barriere, die uns von ihm trennte. „Was zum ...?" ungläubig tastete ich die Barriere ab, von einer Höhlenwand zur anderen, aber es gab kein Schlupfloch. „Sukuna?" mit aller Kraft trommelte ich gegen die unsichtbare Wand, doch er schien mich nicht nur nicht zu sehen, sondern auch nicht zu hören.
„Was ist das?" fragte ich panisch und schlug immer wieder mit Fluchkraft auf die Wand ein, so lange, bis Izumi meine Hände in seine nahm und mit nachdenklichem Blick auf Sukuna den Kopf schüttelte. „Das bringt nichts, Elea. Wir ... wir müssen warten." Wütend riss ich meine Hände los und tastete zum x-ten Mal die Wand ab, in der Illusion gefangen, jetzt doch eine Lücke oder eine Schwachstelle zu finden. „Sukuna! Sukuna hörst du mich?" doch nach wie vor, keine Regung. Sukuna starrte wie gebannt auf etwas vor sich und erst jetzt wurde mir in meiner Panik der starke Blutgeruch bewusst. Fuji war an meine Seite getreten, mit ernster Miene packte er mich an den Schultern und justierte mich so, dass ich an Sukuna vorbeisehen konnte. Vor ihm, auf dem steinernen Boden, lag in einer wachsenden Blutlache eine junge Frau, die mir seltsam vertraut vorkam. Es war Mika.
Sukunas Mutter.
Und sie schien ihn nicht zu bemerken.
Ihr hübsches Gesicht war schmerzverzerrt, ihr helles Haar, das Sukunas so ähnlich war, klebte verschwitzt an ihrem schlanken Hals. Eine weitere Wehe ließ ihren Körper erzittern, ein gellender Schmerzschrei kam ihr über die Lippen, bevor sie wieder in sich zusammensackte. Panisch strich sie über ihren dicken Bauch, ihre blauen Augen erfassten das viele Blut, dass zwischen ihren Beinen hervorlief und ihren hellblauen Kimono langsam braun färbte. „Etwas ... etwas stimmt nicht!" ihre Stimme wurde panisch, immer mehr Tränen liefen über ihr sommersprossiges Gesicht, als sie es unter Schmerzen schaffte, sich auf die Füße zu kämpfen und in Richtung Ausgang zu laufen. Doch kaum, dass sie stand, lief schwallartig immer mehr Blut ihre Beine hinunter und fütterte die größer werdende Pfütze unter ihr. „Ma .. Matsuma, ich ... es tut mir leid ..." ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als sie erschöpft wieder zu Boden sackte. Mit letzter Kraft zog sie sich über den blutverschmierten Boden und lehnte sich atemlos an einem der größeren Steine an, als eine Wehe sie wieder aufschreien ließ. Mikas Atem ging stoßweise, sie biss die Zähne so fest zusammen, dass ich sehen konnte, wie sich ihr Kiefer verkrampfte. Ihre blasser werdende Haut glänzte vor Schweiß und Tränen, der Funke in ihren Augen wurde langsam aber sicher dunkler.
Wieder strich sie sich liebevoll über ihren Bauch und wischte sich mit der anderen Hand Rotz und Tränen von der Wange. Sie schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Unheilvolles schimmerte in ihren blauen Augen, als sie sie schließlich öffnete. Sie zuckte nicht mal mit der Wimper, als sie ihren Finger in das viele Blut tauchte und ein wirres Muster neben sich auf den Boden malte. Fuji neben mir schnappte überrascht nach Luft und wich zurück, die Augen schreckgeweitet und voller Furcht.
Kaum, dass das Zeichen beendet war, begann es, rot zu leuchten, dicke, rotpulsierende Adern zogen sich über die Höhlenwände, ein dunkles Flüstern erklang. Wind frischte auf, löste das schweißnasse Haar von Mikas Gesicht und ließ das Blut unter ihr wie Wasser Wellen schlagen. Ihr Mund verzog sich zu einem kraftlosen Lächeln, als sie dem verwaschenen, zitternden Schattenungetüm mit den vier Armen zitternd eine schlanke Hand entgegenstreckte. „Du ... du kannst haben, was auch immer du willst. Rette ... rette nur mein Kind." Ein Schmerzensschrei ließ die ausgestreckte Hand erzittern, doch Mika ließ sie nicht sinken. Mit zusammengebissenen Zähnen sah sie das Schattenwesen unverwand an. Es war aus dem Nichts aufgetaucht, seine vier rotglühenden Augen musterten die sterbende junge Frau ganz genau, als es sich ihr langsam näherte. Ein breites Grinsen öffnete sich in den wabernden Schatten, ein berechnender Ausdruck trat in die vier Augen, in denen jetzt Feuer loderten.
Es streckte seine Hand nach Mika aus und als seine Hand ihre berührte, schoss rotes Licht hervor und hüllte die junge Frau von Kopf bis Fuß ein. Der Schmerzensschrei, den sie jetzt von sich gab, hatte nichts Menschliches mehr an sich. Die Szenerie verschwamm immer mehr, mittlerweile waren nur noch Fetzen zu sehen. Mika, die mit zwei weinenden Kindern in den Armen schlussendlich ihren letzten Atemzug tat.
Und das Schattenwesen, dass sich langsam in schwarze Nebelschwaden auflöste und sich ungleichmäßig auf die beiden Neugeborenen aufteilte.
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Heute ist es mal wieder ein etwas längeres Kapitel geworden :D
In der FanFiction steckt ziemlich viel eigene Fantasie, ich denke, dass das niemandem entgangen ist xD
Das ist mir auch relativ wichtig, da ich Wattpad als Vorbereitung auf die Trilogie nutze, die ich schreiben werde sobald ich mit meinem Schreibstil und meinen Ideen zu 100% zufrieden bin ^^Ich hoffe, dass ihr Spaß beim Lesen hattet! Über Feedback in den Kommentaren würde ich mich wie immer freuen!
Eure Erin xx
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Ancient Love (Sukuna X MC)/FanFiction
Fanfiction18+ Holt die Vergangenheit dich ein? Oder kommst du ihr zuvor? Elea war schon immer eine Weltenbummlerin. Nie hatte sie etwas lange an einem Ort gehalten. Immer hatte es sie weitergezogen, von Land zu Land, von Stadt zu Stadt. Bis ihr Weg sie schli...