Kapitel 92

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Bedrückende Stille machte sich auf dem Hof breit, kaum, dass die Türe hinter Izumi zugefallen war. Gerade, als ich zu Sukuna laufen und ich fragen wollte, ob alles gut war, hob er eine Hand und brachte mich so dazu, stehenzubleiben. Ohne mich anzusehen, humpelte er an mir vorbei und verschwand ebenfalls im Haus. Ich hörte Schritte, kurz darauf legten sich warme Hände auf meine Schultern, Fujis Duft hüllte mich von Kopf bis Fuß ein. „Das musste früher oder später passieren, kleines Täubchen. Bei den beiden hat es schon lange gebrodelt und ich möchte ehrlich sein, ich bin froh, dass es endlich passiert ist. Jetzt können wir uns ganz darauf konzentrieren, dass es wieder besser wird." Schniefend wischte ich mir eine Träne von der Wange und zuckte mit den Schultern. „Ich bin daran schuld." Wie unterbewusst wanderte meine Hand zu meinem Bauch. „Wegen mir und dem Kind haben sie sich gegenseitig zu Mus geschlagen." Fuji kam um mich herum und schüttelte den Kopf. „Das bist du nicht. Keiner von euch ist daran schuld und das ungeborene Kind am aller Wenigsten. Schuld ist letztendlich der Umstand, dass Izumi und du in Sukunas Augen von einem Tag auf den anderen so enge Vertraute geworden seid, wie er es nicht für möglich gehalten hatte. Wie es nicht war. Das hat ihn schlichtweg überfordert und wohl auch verunsichert."

Fujis Worte trafen mich wie ein Schlag in die Magengrube. Er hatte vollkommen recht. Für mich und Izumi war es ein zeitlich ganz normaler Prozess gewesen, der uns in den letzten Wochen von Tag zu Tag immer mehr zusammengeschweißt hatte. Aber für Sukuna ... für Sukuna war das eine Drehung um 360 Grad innerhalb von 20 Minuten gewesen, denn nur so lange war an jenem Tag an der Akademie gewesen. Als er gegangen war, hatten Izumi und ich uns gegenseitig akzeptiert, waren Freunde gewesen. Aber danach ... dass unsere, für Sukuna urplötzliche, enge Bindung zueinander einen falschen Eindruck und zudem noch unschöne Vermutungen über die zwei Monate und das Kind verursacht hatte, konnte ich nachvollziehen. Sehr sogar.

„Wenn es dir hilft, kleines Täubchen; die beiden hatten nie vor, einander ernstlich in die Gefahr des Todes zu bringen. Wenn, dann war das eine Rauferei. Wenn sich die Beiden wirklich schaden wollten, würde das Haus nicht mehr stehen und wir im Übrigen auch nicht." Durchbrach der Grauhaarige das Gedankenkarussell in meinem Kopf und schenkte mir ein kleines Lächeln. Doch ich schüttelte den Kopf, deutete auf das viele Blut am Boden, das Loch in der Wand und allgemein den ramponierten Innenhof. „Das sieht alles andere als harmlos aus, geschweige denn nach einer Rauferei, Fuji." Fujis Lächeln wurde etwas heller, als er begann, aus dem kleinen Brunnen Wasser zu holen und das viele Blut wegzuspülen. „Izumi hatte jederzeit die Möglichkeit, seine Verschleierung zu nutzen und so Sukunas Schlägen zu entgehen. Aber er hat es nicht. Vermutlich, weil er wusste, dass Sukuna das brauchte. Dampf abzulassen." Nachdenklich schnappte ich mir den Besen und kehrte so gut es ging, die von Fuji befeuchteten Blutflecken aus dem Sand. „Und Sukuna hätte Izumi jederzeit mit einem Hieb seiner Sezierung zerteilen können, ohne dass dieser es überhaupt hätte kommen sehen." Fuhr er dann fort und holte wieder Wasser.

In einvernehmlicher Stille arbeiteten wir uns durch den Hof, bis auch der letzte Fleck Blut nur noch schwer zu erkennen war und ich war froh, dass Yarana das ganze Ausmaß nicht mehr sehen musste. Das hätte ihr schwer zugesetzt. Jetzt konnte man das Ganze wenigstens in einer etwas abgeschwächten Version erzählen.

„Ich glaube, dass das Problem ist, dass Sukuna nicht wirklich weiß, was vorgefallen ist. Natürlich, wir haben es ihm erzählt. Aber Worte sind bei Weitem nicht so einprägend wie Bilder, Geräusche. Gerüche, Gefühle. Eben alles, was zu einem einschneidenden Erlebnis dazugehört." Ich hielt inne, um mich auf die kleine Bank zu setzen und atmete einmal durch. „Worte sind zu schwach, um auch nur annähernd zu beschreiben, was vorgefallen ist. Was letzten Endes zu all dem geführt hat. Dazu, dass Sukuna ein falsches Bild hat." Der junge Kaiser stellte den Wassereimer ab und ließ sich neben mir auf der Bank nieder. Seine Augen funkelten, als er mich ansah. „Das stimmt. Etwas durch Worte zu beschreiben, nimmt dem Vergangenen immer und ohne Ausnahme einen Teil des erlebten Leids. Man kann es sich vorstellen, ja. Aber nachempfinden? Das bezweifle ich." „Wie schaffst du es, das alles so leicht hinzunehmen, Fuji? Womöglich kann das bei Sukuna helfen, wenn du mit ihm redest. Du bist außerhalb dieses Hauses der Einzige, der von der Zeitreise weiß." Fuji legte lachend den Kopf in den Nacken und schüttelte den Kopf, als er den Kimono an seiner Brust lockerte. „Mir hilft es ungemein, kein Teil dieses kleinen Familiendramas zu sein, kleines Täubchen. Und nachdem Sukuna da ja doch mittendrin steckt bezweifle ich, dass er die nötige Distanz hat, so wie ich." Fuji hielt inne, sein Gesicht verzog sich für den Bruchteil einer Sekunde. Sein graues Haar wippte, als er das Gesicht in seinen Händen vergrub, sich seufzend über das Gesicht fuhr und aufstand.

„Sprich mit ihm, Elea. Und ich werde nach Izumi sehen und ... dann sehen wir weiter, ob ich dahingehend nicht vielleicht helfen kann." Der düstere Schimmer in Fujis Augen ließ meine Neugier aufflammen, aber noch bevor ich ihn fragen konnte, was ihm durch den Kopf ging, war er schon verschwunden und ließ mich allein unter dem Kirschbaum zurück.

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Kapitel 92 ist online und wir gehen langsam aber sicher wieder los in Richtung Aufregung!

Eure Erin xx

Ancient Love (Sukuna X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt