Unangenehmes Kribbeln überzog meine Haut, als ich den Schleier passierte und kaum, dass ich auf der anderen Seite war, spürte ich, dass es kein Zurück gab. Es war wie eine Art ungetrübte Gewissheit, die mich im Nacken kitzelte und ihre Spuren auf meiner Haut hinterließ. Mir blieb der nächste Atemzug im Hals stecken, als ich langsam die Augen öffnete und mich umsah. Gerade eben noch war ich im Herzen einer vor Leben pulsierenden Stadt gestanden. Doch jetzt? Die wenigen Hochhäuser, die noch standen und als solche erkennbar waren, hatten einiges an Höhe verloren, die abgestürzten Stockwerke lagen verteilt auf den durchlöcherten Straßen. Die herabgefallenen Trümmer hatten gewaltige Löcher in den Boden gerissen und steckten tief im brüchigen Asphalt. Hier und da erstreckten sich noch tiefere Krater in der apokalyptischen Landschaft, die nur von Kämpfen herrühren konnten. Der Wind wehte mir das schwarze Haar ins Gesicht, als ich an einen der Kraterränder trat und in die schwindelerregende Tiefe blickte. Getrocknetes Blut klebte in der zerrissenen Asphaltkuhle, der Geruch von Verwesung drang an meine Nase, als ich den zerstückelten Körper in der Kuhle ausmachte. Allzu lange konnte der Mann noch nicht tot sein, dafür war die Verwesung noch nicht weit genug fortgeschritten. Dafür war der Bauch bereits aufgebläht von all den Verwesungsgasen, die im Inneren der Leiche arbeiteten.
Ich konnte die vielen Residuen spüren, die hier zurückgeblieben waren. Aber sie waren mir alle fremd, nicht eine mir Bekannte war darunter. Was mir als nächstes auffiel, war die Stille. Nichts außer mir und meinen Freunden verursachte hier Geräusche und so kamen mir Kuroses Schritte unglaublich laut vor, als er zu mir an den Abgrund trat und ebenfalls einen Blick in die Tiefe warf. „Sieht aus, als wäre hier mächtig gewütet worden." Stellte er überflüssigerweise fest und erntete dafür von Izumi ein ebenfalls überflüssiges Nicken. „Ich habe ja schon gegen viele Flüche gekämpft in meinem Leben." Sagte dieser und landete lautlos auf einem der größeren Trümmerteile, um sich von dort oben aus umzusehen. „Aber das hier, das hier ist anders. Ich war noch nie an einem Ort, dessen einziger Zweck es ist, zu töten." Izumi schüttelte den Kopf, der Dolch tanzte elegant zwischen seinen schlanken Fingern umher und kam erst zur Ruhe, als Yuji neben ihm landete und sich ebenfalls umsah. „In welche Richtung wollen wir gehen?" fragte der Junge und ließ den Blick über die zertrümmerten Häuser schweifen. „Erinnert mich an Shibuya." Yujis Stimme war erschreckend steif geworden, genau wie seine Körperhaltung. Kurose und ich tauschten einen besorgten Blick aus, auch der Zeitmanipulator schien zu wissen, dass das nur ein Schutzmechanismus des Jungen war, um emotionalen Abstand zum Geschehenen zu halten. Izumi legte dem Yuji eine Hand auf die Schulter.
„Lass uns weitergehen, Yuji. Da lang." Izumi deutete nach vorn. "Das ist deine Chance, den Tod deiner Freunde zu vergelten. Meiner Erfahrung nach ist Rache viel tröstender für die Seele, als es alles andere ist." Yujis Hände ballten sich zu zitternden Fäusten, als er stumm nickte und auf der anderen Seite von dem Trümmerteil wieder heruntersprang. Kurose und ich folgten den Beiden schließlich und so liefen wir eine lange Straße entlang, die wohl früher Teil der Einkaufsmeile gewesen war, die nicht mal 300m entfernt auf der anderen Seite des Schleiers nur so vor Leuten überquoll. Die Läden hier waren kaum noch als solche erkennbar. Zerstörte Schaufenster säumten die Straße, einige waren zerstört worden, anderer unter brachialer Hitze zerplatzt oder gar zu grotesken Glaspfützen zusammengeschmolzen. Einige Neonschilder schienen noch am Stromnetz zu hängen, immer wieder flackerte irgendwo eine schwache Neonreklame auf. Die Wände ausnahmslos aller Geschäfte waren zerstört, die Plakate eines Kinos hingen in Fetzen von der nackten Backsteinwand. Türen waren entweder aus den Angeln gerissen oder derart zerbeult, dass man viel Fantasie brauchte um sie als solche zu erkennen. Ich hielt auch nach Anzeichen von Sukuna Ausschau, die Brandspuren waren ein gutes Indiz. Aber ich sah und hörte sonst nichts von ihm.
Immer wieder kreuzten Flüche unseren Weg, doch keiner von ihnen stellte ein großes Problem dar und so kamen wir zügig voran. Getrocknete und teils noch feuchte Blutpfützen begegneten uns alle 100m und irgendwann machten wir uns die Mühe nicht mehr, sie zu umrunden, sondern liefen mittendurch. Anfangs hatte ich Sorge, dass man uns wegen der blutigen Fußspuren schneller finden würde. Aber machten wir uns nichts vor. Selbst wenn wir gewollt hätten, der Schleier machte eine Flucht unmöglich. Früher oder später wäre es aus mit Weglaufen.
Über uns begann es mit einem Mal, zu knacken und als ich den Blick hob, wankte das Hochhaus neben uns bereits bedrohlich. „Lauft!" Das es statt mehr als zehn jetzt nur noch vier Stockwerke hatte machte die Gefahr des Todes nicht weniger real, also machte ich am Absatz kehrt und rannte, dicht gefolgt von Kurose in die andere Richtung. Im Rennen sah ich hektisch über die Schulter, sah, wie Yuji uns immer näherkam. Und das Izumi wie ein verängstigter Hase den herabfallenden Trümmern entgegensah. Ich konnte selbst aus dieser Entfernung sehen, dass er am ganzen Körper vor Angst zitterte, wie festgefroren stand er da, schaffte es nicht, sich zu bewegen.
Und da fiel es mir ein.
Die Mine.
Sie war damals ebenfalls über Izumi eingestürzt.
Und dass er in einem Traumaflashback feststeckte.
„IZUMI!" blanke Verzweiflung lag in meiner Stimme, Kurose und Yuji hielten mich beide an den Ärmeln fest. „IZUMI!" Tränen liefen mir heiß über das Gesicht, der Boden erzitterte, als die Trümmer Izumi unter sich begruben. „Du hättest es nicht mehr geschafft ..." Kuroses geschockte Stimme drang nur schwammig an meine Ohren, blind riss ich mich von den beiden jungen Jujuzisten los und rannte in die große Staubwolke, die der Einsturz aufgewirbelt hatte. „IZUMI!" meine Schreie gingen aufgrund des Staubes schon bald in raues Husten über, blind rannte ich durch die Staubwolke auf die Trümmer zu.
„IZUMI!"
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Und es geht spannend weiter bei uns!
Eure Erin xx
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Ancient Love (Sukuna X MC)/FanFiction
Fanfiction18+ Holt die Vergangenheit dich ein? Oder kommst du ihr zuvor? Elea war schon immer eine Weltenbummlerin. Nie hatte sie etwas lange an einem Ort gehalten. Immer hatte es sie weitergezogen, von Land zu Land, von Stadt zu Stadt. Bis ihr Weg sie schli...