Kapitel 129

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Mit Kolki in den Händen machte ich am Absatz kehrt und verließ Fujis Arbeitszimmer. Wenn unsere Vermutung und zudem noch unsere Interpretation von Cadis' Worten richtig war, dann spiegelte Kolki eins zu eins Cadis' Wohlbefinden wider. Wie auch immer Cadis das angestellt hatte. Aber das war im Moment auch nicht von Belang. Fakt war, dass Kolki sich mit jeder Minute, die verstrich, mehr und mehr in meinen Händen krümmte und verzweifelt krähte. Das er und damit wohl auch Cadis starke Schmerzen hatten war nicht mehr von der Hand zu weisen. Meine Schritte echoten in dem langen Gang, vermischten sich nach einigen Augenblicken mit denen meiner Freunde, die mir folgten. Mit jedem Schritt beschlich mich ein ungutes Gefühl, dicht begleitet von tiefsitzender Angst, die mich auf Knien anflehte, den Palast nicht zu verlassen. Doch ich verbannte sie in die hinterste Ecke meines Verstandes und nickte den beiden Wachen dankbar zu, die mir von innen das schwere Tor öffneten und mich auf die gewaltige Treppe entließen, zu deren Füßen der große Vorplatz samt Vorgarten lag.

Warm schien die helle Herbstsonne von einem klaren, blauen Himmel und wärmte mir das Gesicht. In der Ferne sah ich das rege Treiben auf Kyotos Straßen. Es war Mittags- und damit Hauptgeschäftszeit. Zumindest außerhalb der Bordelle. Zwischen einigen hohen Bäumen konnte ich den Wasserfall glitzern sehen und noch weit weit dahinter die Züge der gewaltigen Palisaden erahnen. Kühler Wind zauste mir das Haar und ließ die Kleidung der vielen Leichen sanft wackeln. Lange, grob beschliffene Holzpfähle waren tief in die Erde des Palastvorgartens getrieben worden, rund herum um den großen Vorplatz, auf dem sich das viele Blut langsam sammelte und die Fugen zwischen den Pflastersteinen füllte. Sie waren auf den Palast gerichtet und erinnerten mich im ersten Moment an blutige Klauen einer blutdürstigen Bestie die kurz davor war, ihre Klauen in ihre Beute zu schlagen. Mein Blick schweifte unweigerlich über jede einzelne, verstümmelte Leiche. Das gesamte Palastpersonal, dass sich bis eben noch außerhalb der Mauern befunden hatte, war gepfählt worden. Die Pfähle waren durch Bäuche getrieben worden, durch Brustkörbe oder auch gleich durch Köpfe. Nur einer der Pfähle war noch leer. Rohes Fleisch glitzerte im Sonnenlicht, ich hörte ein lautes Schmatzen, als ein Magen aus einer aufgerissenen Bauchhöhle auf das Gras fiel. Teils waren die Gesichter der Toten nicht mehr zu erkennen, hier und da röchelte noch jemand seine letzten Atemzüge. Ein junger Mann, der Pfahl ragte hässlich aus seiner rechten Brust, kämpfte mit allem, was er hatte gegen die Schwerkraft, die ihn immer weiter den Pfahl hinunterzwang.

Geschockt versuchte ich, alles zu verarbeiten. Die vielen toten Menschen, der starke Blutgeruch. Ich hatte nichts von dem Massaker mitbekommen, dass sich knapp zwischen Hitas Rückkehr und dem Moment jetzt gerade abgespielt haben musste. Rote Blutstropfen flogen durch die Luft und sprenkelten das Pflaster unter seinen Füßen rot, als Sukas Körper sich grinsend das Blut von der Hand schüttelte und mich ansah. „Gefällt es dir, kleine Elea?" der Fluchkönig legte den Kopf schief, trat über das blutige Etwas zu seinen Füßen hinweg und deutete einmal reihum auf den grotesken Kreis, den er geschaffen hatte. „Ich dachte mir, dass wir hier doch sicher keine ungebetenen Zuschauer wollen." Er verbeugte sich tief und sah mich durch seine Wimpern hindurch an. „Wo es doch eine so private Angelegenheit ist." Kolki in meinen Händen begann, wieder laut zu husten, genau wie das blutige Etwas hinter dem Fluchkönig, dass sich jetzt auf die Knie kämpfte. „Cadis!" der Nekromant hob das zerschlagene Gesicht und spuckte als Antwort mehr Blut auf den ohnehin schon roten Boden. Man hatte ihn nicht nur verprügelt und einige Knochen gebrochen, nein. Man hatte ihm auch den Schädel rasiert, von seinen langen dunklen Haaren, auf die er so stolz gewesen war, waren nur noch einzelne Büschel übrig. An seinem Hals schimmerte einer der Eisenringe, von denen er uns erzählt hatte. Sukuna hatten den kaputten Ring, den Kenjaku mir mitgegeben hatte noch am selben Tag zu einem kleinen Klumpen Eisen zusammengeschmolzen und in einem tiefen See versenkt. Das konnte nur heißen, dass das ein anderer Ring war, den Kenjaku entweder beschafft oder über Jahre aufbewahrt hatte, sollte der noch so treu wirkende Cadis nicht doch irgendwann aus der Reihe tanzen. Eine Sache musste man Kenjaku wirklich lassen.

Ancient Love (Sukuna X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt