Kapitel 21

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Sukuna und ich hatten den Rest des Tages damit verbracht, in dem Zimmer Ordnung zu machen und nach einer Stunde war auch Izumi dazugestoßen, der kommentarlos die Türe offenließ, damit es lüften konnte. Aber ich sah ein wissendes Glitzern in seinen braunen Augen, jedes Mal, wenn er das selige Lächeln auf Sukunas Gesicht sah. „Ich will auch helfen!" Muri stand in der Tür und ging zur Seite, als die beiden Männer die Überreste des ramponierten Schreibtisches aus dem Zimmer trugen. Kaum, dass sie vorbei waren, musterte er mich mit dem Besen. „Ich sammel die großen Sachen auf und du fegst, ja? Weil ich bin ja stärker." Grinsend stellte der Achtjährige seine Muskeln zur Schau und wuselte anschließend emsig durch das Zimmer, um die größeren Holzstücke aufzuheben. „Danke, dass du uns hilfst, Muri. Ohne dich würden wir das sicher nicht schaffen." Der Junge grinste. „Das weiß ich. Darum helf ich ja."

Einige Tage später, nach dem Abendessen entschied ich mich, Akara nach Hause zu begleiten. So konnte ich mir die Füße vertreten und kam an die frische Luft. In angenehmer Stille liefen wir nebeneinander den Kaiserberg hinunter und passierten das Tor. Die Wachen nickten uns zu und ließen uns ohne Einwände zu erheben vorbei. Einige von ihnen erkannte ich wieder. Sie waren in der Nacht ebenfalls am Tor gestanden, als Sukuna mich nach dem Bordell mit zu sich genommen hatte. Doch der Mann, der mich damals beleidigt hatte, fehlte. Wo er wohl war? Meine Frage beantwortete sich, als wir die Marktstraße weiter entlangschritten und sich mit einem Mal ein Obdachloser vor meine Füße warf. Seine Kleidung war rissig und fleckig. Es war eben jener Mann, an den ich gerade gedacht hatte. Die Wache von damals. Und als ich jetzt die Hand des Mannes sah, erinnerte ich mich wieder, dass Sukuna damals nochmal zurückgegangen war, auch der Schrei fiel mir ein. Die Finger des Mannes an seiner rechten Hand waren jetzt krumm, fast so, als wären sie gebrochen und dann nicht fachgemäß versorgt worden und darum schief zusammengewachsen. Was mich nicht wunderte, ich bezweifelte, dass es im Jahr 991 einen Handchirurgen in Kyoto gab. „Es tut mir so leid, gnädige Dame. Ich hätte euch damals nicht als Hure titulieren dürfen. Ich entschuldige mich demütigst dafür und akzeptiere jede Strafe, die Ihr für mich ersinnt." In der Abendsonne konnte ich erkennen, dass er vor Angst zitterte. Wieder zuckte mein Blick zu seiner verunstalteten Hand und reichte ihm dann schließlich meine. „Strafe scheint es ja schon genug gegeben haben, hmm? Ist schon okay. Ich verzeihe dir."

Als der Mann den Kopf hob, sah ich Tränen in seinen Augen schimmern, schniefend sah er unsicher meine ausgestreckte Hand an. Ich schenkte ihm ein Lächeln, in der Hoffnung, dass er sich dann besser fühlen würde. Und tatsächlich, zitternd legte er seine Hand in meine und stand wieder auf. Ich merkte, dass es um uns herum totenstill geworden war. Alle Menschen hatten ihre Tätigkeiten niedergelegt und starrten uns an, alles, was man hören konnte, war der Wind. Auch Akara wurde das gewiss, sie trat an meine Seite und reckte das Kinn. „Wollt ihr alle wirklich weiterhin starren?" schon fast überstürzt nahmen alle wieder ihr Tagewerk auf, der Mann vor mir verbeugte sich unzählige Male vor mir. „Danke, danke. Eure Güte habe ich nicht verdient, gnädige Dame." Schnell zog Akara mich weiter, raus aus dem Getümmel des schließenden Marktes. „Was war das?" fragte ich meine Freundin irritiert, als sie mich in einen Hauseingang zog. „Du bist jetzt eine Respektsperson hier in Kyoto. Dafür hat Sukuna gesorgt. Der Mann hatte Glück, dass Sukuna ihn nicht hat hinrichten lassen für das, was er zu dir gesagt hat. Sondern er nur seine Arbeit und mehr oder weniger seine Hand verloren hat."

Ungläubig zog ich die Augenbrauen hoch. „Wie bitte?" Akara strich sich die roten Locken aus dem Gesicht und seufzte. „Du lebst bei ihm, er hat dich aus einem Bordell geholt. Da reimen sich die Leute schnell zusammen, was passiert ist, Elea." Ihre violetten Augen funkelten im Abendlicht. „Du bist seine Mätresse. Und solche Frauen werden hier hoch respektiert." Mätresse. Das Wort traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. „Toll, was?" Akara lächelte. „So wird es keine Probleme geben." Da hatte ich ja richtig Glück. Gott, sogar meine Gedanken sprudelten über vor Sarkasmus. Sie nahm meine Hände in ihre, als sie die Tränen in meinen Augen sah. „Ich weiß, dass ihr euch liebt, Elea. Aber mehr als seine Mätresse wirst du nie sein können. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Du ... du bist nur eine Bürgerliche." Mein Magen tanzte nach dem verbalen Schlag jetzt Stepptanz, mir wurde schlecht. „Aber erstmal ist das doch nichts Schlimmes, hmm? Es ändert nichts und du kannst bei ihm bleiben. Das ist doch etwas Gutes." In dem Moment hätte ich sie am liebsten angeschrien. Was daran bitte gut sein sollte. Aber als ich den warmen Blick in ihren Augen sah, fiel es mir wieder ein. Akara kannte es nicht anders. Sie hatte keine Ahnung von den Dingen, mit denen ich groß geworden war, auch nicht von der Moral gegenüber Beziehungen und Frauen, die in meiner Zeitlinie herrschten. Und das Gleiche galt für Sukuna. Er hielt das sicher für den besten Weg, mich beschützt zu wissen. Zudem ging er sicher davon aus, dass ich wusste, was ich jetzt war. Immerhin war ich ja offiziell auch aus dieser Zeitlinie und musste es darum wissen. Aber das war und hatte ich nicht und ich erwischte mich bei dem Gedanken, dass es, hätte ich es früher gewusst, nichts an meinen Gefühlen ihm gegenüber geändert hätte.

Ancient Love (Sukuna X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt