Kapitel 96

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Zu viert hechteten wir durch die dunkle Nacht in den intensiver werdenden Sturm hinein. Mittlerweile war der Wind so stark, dass sich selbst die größten Bäume seiner Macht beugten und unter seiner Wucht ächzten und knarzten. Instinktiv hielten wir uns so weit wie möglich in der Mitte der Straße, weit weg von den gewaltigen Bäumen, die in so einer Nacht nicht mehr waren als gigantische Blitzmagneten. Immer öfter krachte es bedrohlich am Himmel, das Grollen des Donners wechselte sich schneller und schneller mit den hellen Blitzen ab, verrieten mir so, dass das Gewitter direkt über uns tobte und wir eigentlich überall sein sollten, nur nicht außerhalb des Hauses. Die Blitze fraßen sich in ungleichmäßigen Mustern durch die Gewitterwolken, ihr helles Licht spiegelte sich in den großen Regenpfützen wider, die den ganzen Weg den Kaiserberg hinauf in eine Schlammpiste verwandelt hatten. Zwar war der Weg gepflastert, allerdings hatte der kräftige Regen bereits so viel Erdwerk gelöst und den Berg hinuntergespült, dass jeder Schritt wohlüberlegt platziert werden musste.

Sowohl Sukuna als auch Izumi kämpften sich trotz ihrer Verletzungen klaglos durch die verregnete Nacht und hielten erstaunlich gut Schritt den ganzen Weg den kleinen Berg hinauf. Der Palast auf der Spitze des Kaiserberges wurde mit jedem Schritt größer und eindrucksvoller, allerdings verliehen die Schrecken der Nacht ihm auch einen gespenstischen Touch. Bisher hatte ich mich hier immer wohlgefühlt, aber es lag etwas in der Luft, dass meine Nackenhärchen dazu brachte, sich aufzurichten. Fuji hatte sich nicht einmal zu uns umgedreht, sondern war ungebremst immer weiter gestapft. Ich hatte fast den Eindruck, dass er vor etwas davonlief, dabei konnte das gar nicht sein. Mein Verstand sagte mir nämlich, dass wir uns geradewegs auf etwas zubewegten.

Und das wir umdrehen sollten.

Statt den Palast zu betreten, führte uns Fuji tiefer und tiefer in den kaiserlichen Garten, vorbei an Statuen und Gewächshäusern auf eine dicke, unscheinbare Ziermauer zu. Der Efeu hatte sich tief in das Gemäuer gefressen und derartige Ausmaße erreicht, dass mir die kleine unscheinbare Treppe dahinter erst auffiel, als der starke Wind den dicken Efeu zur Seite blies. „Hier runter." Fujis Stimme wurde von dem Sturm davongetragen, als er als Erster keuchend die kleine Treppe hinunterstieg. Ein gewaltiger Ruck erschütterte mein Innerstes, als ich ihm auf die rutschige Steintreppe folgte, ich musste mich schon fast mit Gewalt gegen die unsichtbare Barriere drücken, bis ich taumelnd hindurch war und mich rechts an dem kleinen Geländer festhielt. Mehr Sicherheitsvorkehrungen gab es auf der zudem rutschigen Treppe nicht, dafür aber einen gähnenden Abgrund zu unserer Linken, der durch den peitschenden Regen erst auf den zweiten Blick sichtbar wurde und wohl Teil einer gewaltigen Schlucht war. Zitternd beugte ich mich ein Stück vor, um einen Blick in die Tiefe zu werfen. Doch als ich in die leere Schwärze blickte, stockte mir der Atem. Nicht, weil ich Höhenangst hatte.

Sondern das Gefühl, dass etwas zurückstarrte.

Am Himmel über uns krachte es, der Donner echote durch die gewaltige Schlucht und brachte meine Ohren zum Klingeln. „Halt dich gut fest!" Brüllte Fuji mir durch den Regen zu, sein Blick folgte meinem in die Tiefe. „Und schau nicht zu lange hinunter, kleines Täubchen." Der Kaiser hob den Kopf, sein düsterer Blick streifte mich nur kurz, bevor er weiter die Treppe hinunterstieg. „Das mag es nicht." Eilig riss ich meinen Blick von der Schwärze los und lief Fuji so gut es ging durch den Regen hinterher. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich hatte keine Ahnung, wie ich es wieder in den Griff bekommen sollte. Dafür war die Angst, die mir den Rücken herunterkroch, zu dickflüssig, zu zäh. Zu unbekannt. Noch nie in meinem Leben hatte ich eine solche Angst verspürt. Sukuna und Izumi waren dicht hinter mir und auch sie rissen ihre Blicke schnell wieder vom Abgrund los, als sie spürten, dass dort unten etwas war.

Wie lange wir die kleine Treppe hinunterstiegen, konnte ich nicht sagen. Mit einem Mal verlor ich jedes Zeitgefühl und fokussierte mich ganz auf das Licht von Fujis Laterne, dass dank dem starken Wind grauenhafte Schatten an die nackte Steinwand warf. Nach einer Weile wurden in der Tiefe schließlich Lichter sichtbar, zusammen mit einer kleinen Plattform, auf der zwei in schwarz gehüllte Gestalten standen. Die Augen des Linken waren mit einer Augenbinde verdeckt, die des Rechten dagegen lediglich durch die schwere Kapuze, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Als Fuji vor ihnen stehen blieb und die Laterne hob sah ich, dass ihre Münder zudem zugenäht waren. Ihre Haut war grau und fahl, die Wangen eingefallen und für einen Moment dachte ich, sie wären versteinert. Aber dann bewegte der Linke langsam seinen Kopf und schien uns all der Reihe nach anzusehen. Sein vernähter Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln.

„Haltet euren Seelen fest. Nirgendwo sonst können sie einem so leicht entrissen werden wie hier unten."

Die Stimme der linken Gestalt schien aus allen Richtungen zu kommen und doch hörte ich sie nicht mit meinen Ohren, sondern in meinem Kopf. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass jemand in meinen Geist eingedrungen war. Dafür hatte es derjenige zu geschickt angestellt, zu gefühlvoll. Zu bedacht. Das Lächeln auf den vernähten Lippen wurde, kaum das ich den Gedanken zu Ende geführt hatte so breit, dass ich Angst hatte, die Nähte würden jeden Moment aufplatzen, ein Kichern ertönte in meinem Kopf. Da große schwarze Tor öffnete sich geräuschlos. Als es offen war, löste sich der Rechte aus seiner Starre und bedeutete uns, hindurchzugehen. Langsamen Schrittes betrat Fuji als erstes den langen Gang, dicht gefolgt von mir und schließlich Sukuna und Izumi, die mich sofort in ihre Mitte nahmen. Das Tor fiel lautlos hinter uns zu und ließ uns allein in der Dunkelheit zurück, bis ich die Stimme erneut in meinem Kopf hörte, diesmal aber leiser.

„Blut, Blut. So viel rotes Blut. Aber das sollte es wert sein."

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Ich hoffe, dass ich morgen das nächste Kapitel schaffe!

Bis dato überlasse ich euch gerne dem mystischen Flair diesen Kapitels!

Eure Erin xx

Ancient Love (Sukuna X MC)/FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt