Die Vögel zwitscherten vor dem Fenster, als ich die Augen aufschlug. „Elea! Den Ahnen sei Dank!" Akara saß an meinem Bett, dicke Tränen kullerten ihre Wangen hinunter. „Wir hatten so Angst, dass du es nicht packst trotz Sukunas Versuchen." Einige Räume weiter krachte es, Akara zuckte zusammen und auch Yarana verzog das Gesicht, als sie mir eine Schale mit Tee reichte. Izumi stand mit verschränkten Armen in einer Ecke und schüttelte den Kopf, erneut krachte es, ich hörte Glas splittern. „Gut, dass Muri in der Stadt ist. Das würde ihn verstören." Yarana schenkte mir nach und rückte dann meine Decke zurecht. Ungläubig tastete ich meinen Körper ab. All meine Wunden, auch die Schlimme im Nacken, waren verschwunden. „Wie ...?" „Das war Sukunas Umkehrtechnik. Dank ihr sprechen wir jetzt überhaupt miteinander." Izumi löste sich von der Wand. Er sah schrecklich aus, dunkle Augenringe zierten sein Gesicht, sein hellbraunes Haar war zerzaust und wirr. „Was ... was ist mit ihm passiert?" ich spürte, wie mir Tränen in den Augen brannten. „Ich hab ihn überhaupt nicht mehr wiedererkannt ... und diese schwarzen Zeichen überall. Ich hatte schreckliche Angst." Erneut krachte etwas, diesmal lauter. Izumi wollte gehen, aber Yarana hob die Hand. „Du kannst da gerade nichts ausrichten, mein Junge. Lass ihn. Gehen solltest du trotzdem. Und nimm Akara mit." Die junge Frau stand auf und schloss sich Izumi an, der erschöpft auf die Türe zutapste. „Was wirst du ihr erzählen?"
„Die Wahrheit."
Akara bekam große Augen, nickte dann aber schließlich. „Das wäre früher oder später sowieso fällig gewesen." Izumi drehte sich nickend um. „Ja. Aber es hätte nicht gleich so eskalieren müssen. Bei den Ahnen, er hätte sie fast umgebracht." „Geht jetzt. Und lasst ihn wüten, mischt euch da nicht ein. Das muss er mit sich selbst klären." Akara und Izumi nickten auf Yaranas Anweisung hin und verließen mein Zimmer. Yarana wartete, bis ihre Schritte auf dem Gang verstummt waren. „Muss ich Angst haben vor dem, was du mir gleich erzählst?" Yarana schüttelte den Kopf und nahm meine Hände in ihre. „Du hast das Schlimmste, das passieren kann, schon erlebt, Herzchen. Mach dir da mal keine Gedanken." Die alte Frau seufzte und begann dann, zu erzählen.
„Ich habe hier angefangen zu arbeiten, lange bevor Sukuna auf die Welt gekommen ist. Sein Vater war, wie es andere hochrangige Familienoberhäupter, die dem Kaiserhaus nahestehen, auch waren. Unnachgiebig, stur. Brutal, wenn es sein musste. Aber er hatte einen Schwachpunkt. Seine Frau." Yarana lächelte. „Mika war das liebevollste Wesen, dass ich je kennenlernen durfte. Sie hatte ein großes Herz. Sie hat sich um uns Bürgerliche gekümmert, dafür gesorgt, dass ich angemessen bezahlt werde, als sie mich aus dem Bordell geholt hat." Yarana war in einem Bordell gewesen? „Schau mich nicht so entsetzt an, Herzchen." Die alte Dame lächelte und drückte meine Hände. „Wir alle haben hier unsere Geschichte, weißt du? Wir alle teilen ein schlimmes Schicksal in diesem Haus, jeder von uns ist durch die dunkelsten Stürme gegangen, auch, wenn sie für jeden von uns anders ausgesehen haben." Sie seufzte, ihr Blick wurde nostalgisch. „Als Mika schwanger wurde, blühte Matsuma, Sukunas Vater, richtig auf. Immerhin würde bald sein Stammhalter in diese Welt kommen. Mika nannte das Kind, dass sie unter ihrem Herzen trug, immer liebevoll kleiner Stern. Matsuma hatte nicht viel Liebe in seinem Herzen, aber für Mika, für Mika hätte er die Sterne vom Himmel geholt, wenn sie sich das bloß gewünscht hätte." Tränen schimmerten in Yaranas Augen. „Doch am Tag der Geburt hatten Mika und Matsuma einen schlimmen Streit, also ist sie geflohen und hat sich versteckt, um allein zu sein." Yarana hielt kurz inne, um sich die Tränen aus dem Gesicht zu tupfen, bevor sie wieder meine Hände in ihre nahm. „Sukuna ist in eben jener Höhle auf die Welt gekommen, in der ihr zwei gestern Nacht wart. Mika war dort ganz allein und sie ist dort auch gestorben. Komplikationen bei der Geburt. Als Matsuma sie endlich fand, war ihr Körper bereits hart, die ganze Höhle war voller Blut. Doch in den Armen hielt sie ein weinendes Kind, einen kleinen Jungen, über und über mit Blut bedeckt. Er hat den Jungen in ein Tuch gehüllt, ihn mir in die Arme gedrückt und mich angewiesen, zu gehen." Jetzt liefen ihr ungebremst die Tränen über das Gesicht, auch mir tropften immer mehr vom Kinn auf das Bett.
„Ich habe den Jungen mehr oder weniger allein großgezogen und war überglücklich als sich mit den Jahren herausstellte, dass er dasselbe gute Herz hatte wie seine Mutter. Sukuna ist allem und jedem stets offen begegnet. Nie war er bösartig oder hat auf andere herabgeschaut." Yarana schniefte und wischte sich erneut mit dem Taschentuch über das Gesicht. „Immer wollte er helfen und er hat es, so gut er konnte. Nur die Ahnen wissen, wie viele verletzte Tiere er angeschleppt hat, um sie wieder gesundzupflegen." Ein kleines Lachen entwich ihr. „Matsuma ... er liebte seinen Sohn, dass weiß ich. Doch nachdem Mika tot war, hat er sich in seiner Arbeit vergraben, lebte nur noch für die Akademie und das Kaiserhaus, hat es dem kleinen Izumi ermöglicht, ebenfalls ausgebildet zu werden und hat ihn hier aufgenommen. Er und Sukuna sind wie Brüder großgeworden. Und Matsuma ... er ist nie über den Tod seiner Frau hinweggekommen. Jahrelang hat ihn das gequält, dass konnte ich sehen. Und als Sukuna 15 Jahre alt war, hat er sich in sein Schwert gestürzt." Die Stimme der alten Frau zitterte immer mehr, teils war es schwer, sie zu verstehen. Aber ich sah den Schmerz in ihren Augen glitzern.
„In all den Jahren hatte Sukuna immer wieder diese Art von Ausbrüchen wie du sie gestern kennenlernen musstest und mit der Zeit, je älter er wurde, wurden sie schlimmer. Der Punkt, an dem Matsuma den Schlussstrich zog war, als Sukuna ein Kind aus dem Armenviertel im Rahmen eines solchen Ausbruches schwer verstümmelt hatte. Matsuma ging mit seinem Nachwuchs daraufhin zu einem Priester. Dort stellte sich dann heraus, dass Mika ihr Kind verflucht hatte. Sie musste gewusst haben, dass sie und ihr Sohn die Geburt nicht überleben würden, also tat sie alles, um vor ihrem unausweichlichen Tod zumindest ihren kleinen Stern zu retten. Und das Ergebnis davon hast du gestern erleben müssen." Yarana reichte mir ein weiteres Stofftaschentuch und zog mich in ihre Arme, als ich ungehemmt anfing, zu schluchzen. Immer wieder während ihrer Erzählung hatte es gekracht oder der Boden gewackelt. Unter dem nächsten Krachen zuckte ich in den Armen der alten Frau zusammen, beruhigend strich sie mir durch das Haar. „Ist schon in Ordnung, Herzchen. Lass es raus." Lange hielt sie mich einfach nur in dem Armen und wir lauschten Sukunas Wut, ehe sie fortfuhr.
„Sukuna spürt, wenn diese Kraft aus ihm herauswill, also flüchtet er in diesen Momenten immer in die Höhle, in der seine Mutter bei seiner Geburt gestorben ist. Keiner weiß, warum, aber dort kommt die Kraft nicht zum Vorschein oder verschwindet und er kann abwarten, bis der wachsende Sturm in ihm wieder abgeflaut ist. Er hasst diesen Ort, diese Höhle bis aufs Blut und doch muss er immer wieder dorthin zurück, wenn er nicht großes Unheil bringen will." Sie seufzte laut, ihre Augen sprachen von Schmerz und Verzweiflung. „Ich kenn ihn jetzt länger als sonst jemand hier, sein ganzes Leben schon. Und jeden Tag muss ich dabei zusehen, wie sich mein Junge selbst dafür geißelt, dass er ist, wie er ist. Und das Schlimmste ist, dass ich nichts tun kann, Elea. Ich kann nur zusehen. Er hält sich für ein Monster. Er ist viel, aber sicher kein Monster oder ein schlechter Mensch. Er hat Akara gerettet, Muri und jetzt dich." Ihre Hand ruhte an meiner tränennassen Wange. „Er hat das alles nicht verdient." Jetzt schluchzte sie, immer wieder wurde ihr Körper geschüttelt, als sie ihr nasses Gesicht in ihren Händen vergrub. Sanft schlang ich meine Arme um Yarana. Sie liebte Sukuna als wäre er ihr eigener Sohn, dass konnte ich sehen und spüren. Und sie litt sehr unter den Umständen, wenn nicht noch mehr, als er es tat. „Ich werde mit ihm reden." Yarana hob den Kopf, ein warmes, wissendes Lächeln auf den Lippen.
„Wenn er jemandem zuhört, dann dir, Herzchen."
------------------
Uff, ich hab selbst etwas geweint beim Schreiben, da will ich ehrlich mit euch sein :D
Eure Erin xx
DU LIEST GERADE
Ancient Love (Sukuna X MC)/FanFiction
Fanfiction18+ Holt die Vergangenheit dich ein? Oder kommst du ihr zuvor? Elea war schon immer eine Weltenbummlerin. Nie hatte sie etwas lange an einem Ort gehalten. Immer hatte es sie weitergezogen, von Land zu Land, von Stadt zu Stadt. Bis ihr Weg sie schli...