#81*Zum Nachdenken

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"Und? Wie lange musst du noch im Krankenflügel bleiben?", fragte Mira und wechselte in eine gemütlichere Sitzposition.
"Eine weitere Woche oder zumindest fünf Tage. Es ist so langweilig und das Einzige, was ich machen kann, ist zu lesen und zu lernen. Und dabei war heute doch so ein schöner Tag", erwiderte Amy mürrisch.
"Du lernst?", fragte Lucy ungläubig und durchsuchte Amys Nachttisch nach etwas Essbarem.
"Ja, im Gegensatz zu anderen tu ich das. Immerhin haben wir Ende April." Sie warf der Ravenclaw einen scharfen Blick zu, "Sag mal, hattest du kein Nachtessen?"
"Doch, 's gab Kartoffelsuppe, dickflüssige Kartoffelsuppe." Ihre Suche wurde belohnt. Triumphierend hielt sie einen Schokofrosch in der Hand.
"Mehr ein flüssiger Kartoffelstock", murmelte Mira und streckte sich, "Und sonst? Wie geht es deiner Schulter?"
Amy schnaubte. "Mittlerweile wieder ganz gut. Aber ich musste diesen Skelettwachstumstrank Dingsda trinken. Anscheinend war mein gesamtes Schultergelenk zersplittert."
"Es sah auch brutal aus", bestätigte Mira.
"Es gibt soga Leute die behaupten das Knacken deiner Knochen gehört zu hab'n", meinte Lucy und steckte sich das Bein des Schokofrosches in den Mund.
"Ich bin nur froh das James den Schnatz so schnell gefangen hat. Ich glaube, sonst wäre ich irgendwann vom Besen gerutscht", murrte Amy und sah zu wie Lucy sich das zweite Bein in den Mund stopfte.

"Lucy, es ist kurz vor neun, wir sollten langsam gehen. Ärger wegen Nichteinhaltung der Schulregeln ist das Letzte, was ich jetzt brauche", sagte Mira nach einem kurzen Blick auf die Uhr.
"Ein Satz, den man aus James Potters Maul nie hören würde", scherzte Amy und warf Lucy eine wütenden Blick zu, als diese sich wieder durch Amys Nachttisch wühlte, "Wenn wir schon über besagte Person sprechen. Was meinst du?"
Mira zuckte etwas hilflos mit den Schultern.
"Schon aber... irgendwie weiss ich nicht."
"Weisst du nicht oder getraust du dich nicht? Verdammt Lucy! Du hast schon sämtliche meiner Schokolade gefuttert. Da gibt es nichts mehr zu holen!"
"Ich muss es mir einfach überlegen." Mira verschränkte die Arme vor der Brust.
Was is eigentlich mit ihm?", wollte Lucy wissen, jetzt da nichts anderes mehr ihre Aufmerksamkeit beanspruchte.
"Nichts! So nebenbei, kennst du einen Alexander Hill?", kam es Mira wieder in Sinn.
"Alexander Hill? Welches Haus und welcher Jahrgang?", fragte Lucy stirnrunzelnd.
"Gryffindor und 4. Klasse, so viel ich weiss."
"Ne, kenn ich nich! Wieso wa is mit ihm?" Die Ravenclaw sah sie interessiert an.
"Nichts, er ist nett... und er mag dich", rückte Mira mit der Sprache raus.
"4. Klasse hast de gesagt? Nein danke, das is doch praktisch noch nen Kind", meinte Lucy gerade kopfschüttelnd, als Madam Pomfrey den Kopf aus ihrem Büro streckte und kurz auf ihr Handgelenk tippte.
"Wir wissen es ist spät, wir gehen gleich", beteuerte Mira und sprang vom Bett, "Ich komme morgen wieder", richtete sie an Amy und wollte sich gerade abwenden als diese sie am Arm festhielt.

"Warte, ich habe da was gefunden das dich vielleicht interessieren dürfte." Sie drehte sich zu der Kommode um, "Wo zum Teufel ist es jetzt! Verdammt, Lucy!" Sie wühlte kurz durch eine weitere Schublade, bevor sie dann zufrieden ein zusammengefaltetes Blatt raus zog.
"Ich habe meine Recherchen etwas weiter geführt, da ich hier ja nichts zu tun habe. Ich habe mir ein paar Sachen aus der Bibliothek ausgeliehen und das habe ich gefunden." Sie überreichte es Mira.
"De hast eines der Bücher demoliert?! Madam Pince bringt dich um!", flüsterte Lucy und sah neugierig auf das offensichtlich rausgerissene Stück Papier.
"Es stammt nicht aus einem Buch, nicht direkt. Ist aus einem Tagespropheten. Eine gebundene Fassung von allen Tagespropheten der letzten zehn Jahre oder so, bis die merkt das da eine Seite fehlt, sitze ich bereits im Altersheim." Sie grinste selbstzufrieden.
"Und Sie sitzen noch mindestens zwei Wochen im Krankenflügel wenn Sie sich nicht ausruhen, Ms Addams!"
Alle drei zuckten zusammen, keiner hatte bemerkt, dass Madam Pomfrey ihr Büro verlassen und zu ihnen gekommen war.
"Verzeihung, wir war'n gerad auf dem Weg raus", meinte Lucy und schulterte hastig ihre Tasche.
"Ich habe den Artikel angestrichen!", rief Amy noch hinterher, bevor sich die Tür hinter den beiden Mädchen schloss.

Einen Moment standen Mira und Lucy still und unbewegt im Korridor, dann schlug Lucy ihrer Freundin leicht gegen den Oberarm.
"Na los, ich will wiss'n was für'n Zeitungsartikel das is", zischte sie neugierig. Mira nickte und faltete das Stück Papier auf, während sie zu der nächsten Lichtquelle liefen.
"Der da ist angestrichen!" Mira zeigte auf einen kleinen Abschnitt und begann zu lesen, "Gestern Nacht ereignete sich eine Tragödie, die dem Ministerium mehr als ein Rätsel aufgibt. Am frühen Morgen wurde das Ministerium über einen Notfall in einem kleinen Zaubererdorf informiert. Anwohner hatten über einen Kampf oder einen Streit gesprochen. Als die Auroren eintrafen konnten sie nur noch die Leiche von Capella Drakken (geb. Black) identifizieren. Es gab Spuren eines Kampfes. Die Gründe dafür sind noch unklar. Capella Drakken hatte für das Ministerium gearbeitet, an der Erfindung neuer Zaubersprüche. Bei einer Überprüfung des Arbeitsplatzes wurden keinerlei Informationen oder Aufzeichnungen zu Capella Drakkens letztem Projekt gefunden. Selbst das obligatorische Protokoll Buch wird vermisst und befindet sich nicht in Obhut des Ministeriums, wie Quellen uns berichten. So wohl Adrian Randell, der Leiter der Zentrale als auch Luke Cussler, der einzige andere Mitwirkende dieses Projektes wollten weder etwas zum vermutlichen Mord noch zum Inhalt des Projekts sagen.
Eine weitere Kuriosität ist das Verschwinden von Capellas Mann, Aaron Drakken (37) und der gemeinsamen Tochter Mira (5)."

Mira und Lucy starrten den Artikel an. Amy hatte den Namen Adrian Randell unterstrichen und bei Luke Cussler ein »Tot« hingesetzt.
"Randell war also der Boss deiner Mutter", stellte Lucy leise fest. "Da Projekt, da Protokoll Buch das hast du doch, oder?"
"Nein, das wurde mir gestohlen aber die wichtigsten Seiten sind draussen", meinte Mira tonlos. Schmerzhafte Erinnerungen kamen in ihr hoch.
"Mira? Was war da für nen Zauberspruch?!", fragte Lucy eindringlich.
"Es... ich... es ist kompliziert", stotterte sie. "Sorry, Lucy... ich muss jetzt gehen!" Sorgfältig faltete Mira die Seite wieder zusammen  und warf Lucy einen entschuldigenden Blick zu, bevor sie die Ravenclaw alleine im Korridor stehen liess.


"Ms Drakken, würden Sie bitte aufpassen. Ihre Abschlussprüfungen kommen immer näher, jetzt können Sie sich keine Tagträumereien nicht mehr leisten!", wies Professor Flitwick Mira zurecht. Mira murmelte eine kurze Entschuldigung und setzte sich aufrecht hin.
Der kleine Zauberer schnaubte kurz und wandte sich wieder seinem Unterricht zu.
"Wir werden die besonders schweren Zauber und die wichtigsten nochmals in der Theorie wie in der Praxis wiederholen. Es gibt ein paar Sprüche bei denen ich Ihnen jetzt schon sagen kann, dass sie dran kommen werden. So wie Diffino, Episkey oder einer der schweren Piertotum Locomotor." Er ging vor der Klasse auf und ab. "Bilden Sie bitte kleine Gruppen um die heutigen Sprüche zu üben." Er schwenkte sein Zauberstab und drei Zauber erschienen auf der Tafel.
Noch bevor Mira aufgestanden war, war James neben ihr.

"Alles klar? Du wirkst nicht gesund", meinte er stirnrunzelnd.
"Ich habe kaum geschlafen, hatte viel zum Nachdenken", erwiderte Mira leise und fuhr sich durchs Haar.
"Gut, dann machen wir heute eine nicht anstrengende Stunde", sagte er und sah zur Tafel, "Geminio der Verdoppelungszauber ist nicht so schwer."
"Ja, gute Idee, danke", sagte Mira und zwang sich ein Lächeln auf, als sie aufstand, so dass die anderen die Tische auf die Seite rücken konnten.
"Und? Hat das Grübeln denn etwas gebracht? Bist du zu einer Lösung oder Entscheidung gekommen?", wollte James weiter wissen, als sie sich einen Platz im Schulzimmer suchten.
"Nur für das nicht so wichtige", murmelte Mira und zückte den Zauberstab. "Geminio!" Sie richtete den Zauberstab auf das Tintenfass auf dem Boden. Sofort bildete sich ein zweites. Mira seufzte und legte den Kopf schief. Irgendwie sah es nicht ganz, ganz identisch aus.
"James?", fragte sie leise. "Können wir es nochmals versuchen?"
James hatte sich neben das originale Tintenfass hingekauert um den Fehler zu finden.
"Den Zauberspruch?", fragte er und schaute hoch.
"Ja, das auch", murmelte Mira gerade so laut, dass er es verstehen konnte.

Die Insassin von AskabanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt