Mari öffnete leise die Tür zu Katsuros Zimmer. Jayden saß bei ihm. Eins seiner Beine war über das andere gelegt und sein Kopf war abwesend an die Wand gelehnt. Er döste scheinbar. Mari betrachtete Katsuro. Er war blass wie ein Gespenst. "Oh... Ehm... Jayden?" Sie tippte ihn leicht an. "Nh...?" Er öffnete ein Auge und seufzte leise, bevor er es wieder schloss. "Hey. Ihm geht's gut... Sagt Schwester Joy jedenfalls.", "Ich weiß." Sie zog sich einen Stuhl heran. "Du bist wohl sehr müde... Dann lasse ich dich mal in Frieden.", "Schon okay... Eine Minute länger, und ich wäre eingeschlafen." Er legte den Unterarm an seine Stirn und drehte dann den Kopf zu Katsuro. "Ich hab mich angeboten, ein Auge auf ihn zu halten. Falls er aufwacht.", "Tatsächlich? Du solltest dir Ruhe gönnen.", "Sagt die Richtige." Mari zog die Augenbrauen hoch. "Du solltest wirklich aufhören, dir so viele Sorgen um nichts zu machen. Wie geht's dir? Du hast einen derben Schlag in die Magengegend bekommen.", "Nicht der Rede wert." Er schüttelte den Kopf und fuhr kurz mit dem Finger über die dünne Schnittwunde an seiner Wange. "... So kitschig wie das vielleicht klingt... Aber ich hab den Schmerz nicht einmal wirklich gespürt. Meine Gedanken waren bei dir, und nur bei dir.", "Äh, Jayden...", "Hahah..." Sein Lachen klang erschöpft, aber ehrlich. "Es ist noch alles an mir dran. Warum das Gesicht?", "Was für ein Gesicht?" Sie schüttelte den Kopf. "...Du sagst immer, du bist Pazifist. Aber... wenn du... wütend bist, vergisst du das auch mal, stimmt's?" Er war still geworden. Das Thema schien ihn sehr mitzunehmen. "...Es tut mir Leid. Ich wollte nicht..." Sie senkte den Blick. "Nein. Nein..." Auch er senkte den Blick und ließ die Schultern hängen. Niedergeschlagen sprach er weiter: "Du hast ja recht. ...Ich schätze, jeder hat eine Seite an sich, die man selbst hasst. Ich hab mich schon immer für einen Pazifisten gehalten. ...Im Kloster war mir noch nie wirklich Streit oder Gewalt entgegnet. Erst, seitdem ich aufgebrochen bin...", "... hat sich das geändert", beendete Mari seinen Satz flüsternd. "Ich war naiv." Er lächelte bitter, trotzdem klang er überraschenderweise nicht mehr reuevoll. "Ich will mir nicht vorstellen, was aus mir geworden wäre, wenn ich nicht im Kloster aufgewachsen wäre. Wenn ich wütend bin, ergibt nichts mehr einen Sinn für mich... Es muss keinen Sinn ergeben. Egal, was ich tue, es passiert einfach. Die Gedanken verschwinden aus dem Kopf und die Wut übernimmt die Kontrolle. Es ist kein schönes Gefühl. Aber ich schätze mal... Das heißt es unter Anderem auch, menschlich zu sein..." Er winkte ab. "Also was soll's.", "Willst du die ganze Nacht bei Katsuro bleiben? Bist du nicht müde?" fragte Mari. "Ich bin ziemlich müde..." gab er offen zu. "Aber ich bleibe wach, bis mich Schwester Joy ablöst. Du solltest schlafen gehen.", "War das ein Befehl?", "Diesmal nicht." Er zwinkerte trotz seiner Müdigkeit. "Und ich dachte schon..." Mari streckte sich. "Ich sehe nochmal bei Kaoru vorbei, bevor ich mich hinlege. Der Junge hat echt viel abbekommen, der Arme...", "Schlaf gut." Er fuhr sich über die Augen und lehnte sich dann wieder zurück. "Wir sehen uns morgen.", "Jap. Hoffentlich fitter als jetzt." Sie stellte ihren Stuhl beiseite. "Ähm... ich wollte mich noch bei dir bedanken. Echnatoll hätte mich fast erdrosselt." Er nickte nur zu ihr und brachte ein schläfriges Grinsen auf. "Immer wieder gerne.", "Gute Nacht." Sie zögerte noch kurz, bevor ich sich zu ihm runterbeugte und ihn küsste. "Bis dann... Schlaf gut.", "Du auch." Er wirkte erstaunt und blinzelte sie an, doch dass hinderte ihn nicht daran, zu lächeln. "...Bis morgen." Mari drehte sich um, lief aus dem Zimmer und in das von Kaoru.
Er war noch immer bewusstlos, aber sein Atem kräftig und regelmäßig. Melody war neben ihm schon eingeschlafen, dabei hatte sie sich am seinen Arm geklammert. "Aww...", "So fühlt es sich wohl an, einen Bruder zu haben." Kichernd betrat Jacky den Raum und hielt zwei heiße Tassen Kakao in den Händen. "Ja..." Mari lachte. "Wobei... Melody in letzter Zeit sehr viel Zeit mit einem bewusstlosen Kaoru verbringt. Ob Soleil überhaupt davon gehört hat, dass er... naja... verletzt worden ist?", "Er hat viel durchgemacht..." murmelte Jacky und hielt ihr eine Tasse hin. "Ich denke nicht. Die Arme wäre außer sich...", "... ist vermutlich auch besser so. Schätze ich." Mari rieb ihren Nacken und legte den Kopf dabei schräg. "Kaoru hätte sich dabei das Rückgrat brechen können. Er hatte wohl viel Glück, wenn er mit geprellten Rippen davon gekommen ist.", "Glück..." Jacky sah nachdenklich nach oben. "...Das hatten wir alle." Mari nippte schweigend an ihrer Kakaotasse und stand dann auf. "Heh... ich bin müde. Ich lege mich hin. Kommst du mit?", "Ich komme gleich nach. Geh schonmal vor, ja?", "Alles klar." Mari brachte ihre leere Tasse weg und holte sich einen Zimmerschlüssel von der Krankenschwester, bevor sie verschwand.
"Kann ich noch etwas tun?" Jacky lief Schwester Joy in einem der Gänge des Centers entgegen. Sie war gerade damit beschäftigt, Notizen auf ihrem Klemmbrett nieder zu schreiben. Sie hob den Blick. "Oh... ja. Wenn du willst, kannst du Laslow einen Kraftwurzel-Tee geben... Er muss wieder zu Kräften kommen. Die Schmerzen haben ihn ziemlich fertig gemacht, auch, wenn seine Wunden so weit erst mal gebannt sind...", "Das stimmt..." seufzte die Blondhaarige und ersetzte dann ihre Sorge durch ein Lächeln. "Ich kümmere mich um den Tee.", "Ich danke dir." Die Krankenschwester nickte ihr zu. Sorgfältig goss Jacky das heiße Wasser mit dem Kraut gemischt in eine Tasse und trug sie zu Laslows Zimmer. "Hey. Bist du wach?", "...Ja", kam eine kraftlose Antwort von drinnen. "Tut mir leid, dass ich dich störe..." Jacky räusperte sich leise, als sie den Raum betrat. "Aber der Tee sollte dich bald wieder auf die Beine bringen.", "Was ist da drin?" fragte er misstrauisch. "In den Tee, meine ich?", "Kraftwurzel. Schwester Joy sagt, das es das ist, was du brauchst.", ".... Bäh." Er verzieht das Gesicht. "Ich hab schon Massen an Vitalkraut-Saft verabreicht bekommen... Ich kann dieses bittere Zeug nicht mehr sehen. Meine Geschmackssinneszellen sind schon abgestorben..." Er seufzte und setzte sich mühevoll auf. Seine Stirn war immer noch vom Schweiß gezeichnet. "Dann gib das mal her...", "Sei nicht so." Lächelnd streckte sie die Hand aus und tastete vorsichtig seine Stirn ab, bevor sie ihm die Tasse in die Hand legte. "Ein Tee hält dich bestimmt nicht auf, oder?", "Nein, das nicht." Mürrisch würgte er den Tee runter und schüttelte sich. "Hrm. Ich hoffe, ich bin bald fit genug, um aus diesem grässlichen Bett zu entfliehen. Ich hab's satt, hier zu liegen und mich selbst zu bemitleiden und dabei drei Mal am Tag dieses... Zeug runter zu würgen. Wie... verlief eigentlich eure Operation?", "Allen geht es gut. Kaoru hat es schwer erwischt, aber er erholt sich." Sie setzte sich zu ihm und winkelte die Beine an. "Der Junge, der dich und die anderen angegriffen hatte, heißt in Wahrheit Katsuro... Ein Echnatoll hatte ihn unter Kontrolle, aber wir konnten ihn befreien.", "Ein Echnatoll?" Er stellte die leere Tasse beiseite. "Hm... das erklärt dann wohl einiges... Wie geht es diesem Katsuro jetzt?", "Er liegt im Koma. Jayden sieht nach ihm. Jedenfalls hat mir das die Krankenschwester gesagt... Ich hoffe, er ist wach, wenn Katsuro wieder zu sich kommt...", "Im Koma..." Laslow nickte langsam. "Hm... Der Typ... das war dieser Mantel-Freak, den ich bei unserem Kampf auf der Tribüne gesehen habe, nicht wahr?", "Genau. Das Echnatoll hat die Kontrolle über ihn an sich gerissen, um sich für seinen eigenen Tod durch ein Mega-Pokémon, als es noch ein Mensch war, zu rächen.", "Hmm.... Dann war das Echnatoll aber ganz schön lange in ihm... Ich weiß nicht, ob er gleich morgen wieder aufwacht...", "Ich hoffe es..." Bedrückt legte Jacky die Arme um ihre Beine und lehnte sich vor. "Ich hoffe... dass alles bald wieder so ist, wie es war. Dass niemand mehr leiden muss." Er musterte sie und sah dann auf seine Hand, die er auf der Decke krümmte. "Hmmh... Das hoffe ich auch. Und wie..." Er starrte weiterhin seine Hand an. "Mein Vater war, seit dem ich wieder mal zuhause bin... bis her nur sehr selten da. Ich frage mich, was er treibt...", "Habt ihr miteinander gesprochen?", "Mm... ja." Er nickte. "Aber wenn ich ihn frage, sagt er so was wie "Erklär ich dir irgendwann später". Ich frage mich, ob er überhaupt gemerkt hat, dass ich seit drei Tagen nicht mehr zuhause war. Wir leben zwar im selben Haus, aber... irgendwie komme ich mir so vor, als würde ich mit einem Fremden zusammenleben. Es ist fast so, als würde ich diese Person nicht mehr kennen. Wir reden kaum und wenn doch beläuft es sich meistens auf ein simples 'Hallo'. Nicht mal ein nettes 'Wie war dein Tag so?'. Es ist so, als wäre er weiter weg als vorher. Ich fühle mich einsam, wenn ich zuhause bin und ich glaube nicht, dass es so sein sollte. Ich weiß nicht, was ihn bedrückt, aber er redet nicht mit mir." Jackys Herz zog sich zusammen und sie musste schwer schlucken. "Dein Vater hat dich lieb, Laslow. Jeder Vater würde sein Kind über alles stellen." Sie versuchte, zuversichtlich zu klingen und zwang ein Lächeln auf ihr Gesicht, als sie ihn ansehe. "Egal, was er tut oder was er sagt... Du musst für ihn da sein. Selbst, wenn er dir nicht die Antworten geben kann, die du willst...", "Ich geb ja mein bestes..." murmelte er. "Ich weiß nicht, wie es ist, einen Vater zu haben." Jackys Stimme klang rau vor Trauer, als sie den Blick senkte. "Ich weiß nicht, warum er gegangen ist. Er muss einen Grund gehabt haben... Ob Mama etwas falsch gemacht hat, oder... Oder wegen mir... I-ich will nur sagen, dass ich dir helfen will, wie auch immer ich es kann... Auch, wenn ich es vielleicht gar nicht erst kann." Er legte den Kopf schief. "Das musst du nicht. Und kannst du mir bitte erklären, warum dein Vater euch wegen DIR verlassen haben sollte? Das ergibt keinen Sinn.", "Ich weiß es nicht... Wenn man kaum etwas über ihn weiß, sich nicht einmal erinnert, wie er aussieht oder wie er klingt... Er muss einen Grund gehabt haben und... nach einer Zeit stellt man sich selbst infrage.", "..." Er hob die Hand und legte sie auf ihre Schulter. "Ja, er wird einen Grund gehabt haben, aber dieser Grund bist unter Garantie nicht du. Jeder Vater sollte stolz darauf sein, eine Heldin als Tochter zu haben.", "Ich bin keine..." Erschöpft wollte sie widersprechen, doch er schüttelte nur den Kopf. "Spar dir Mühe, es abzustreiten. Du bist eine, und damit Schluss. Du siehst müde aus... Du solltest dich hinlegen.", "Hmm... Du hast recht..." Sie gähnte leise. "Morgen können wir weiterreden, okay?", meinte er mit einem müden Lächeln. "Ruh dich aus, in Ordnung, Prinzessin?", "Versprich mir, dass du dich auch erholst..." murmelte sie zurück und klang fast schon verträumt. "Ich geb mein bestes, um morgen wieder fit wie ein Wiesenior zu sein." Er zwinkerte, aber ohne seinen üblichen Charme. "Im Moment mache ich sowieso... nichts anderes..." Jacky sah ihn an und wurde trotz ihrer Müdigkeit rot. Mit einem leisen Lachen legte sie kurz die Stirn an seine. "Ich nehme das als ein Versprechen.", "Worauf hab ich mich da eingelassen..." Er lachte leise, so leise, dass man es kaum hören konnte. Jacky löste sich von ihm und stand dann auf. "Bis morgen! Bis dahin hat der Tee bestimmt gewirkt.", "Ich hoffe es. Gute Nacht, Prinzessin!", "Ruh dich aus! Gute Nacht!" Sie lächelte ihm kurz zu und machte sich dann auf den Weg.
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Saviors of Tomorrow 4 (Eine Pokémon-FF)
Fanfiction"Wenn Kalani etwas weiß, was auch immer es ist... Ich frage mich, was es sein könnte. Als Lehrer muss er doch auch als Hilfsperson für die Schüler herhalten, wenn sie persönliche Probleme haben. Das hat Cheren bei uns in der Schule doch auch immer g...