Post-League-Kapitel: Das Geschehen von damals...

23 2 1
                                    

Die morsche Tür ächzte und knackte, als sie von außen aufgemacht wurde. Von Kopf bis Fuß von Schneeflocken überzogen betrat Jayden das Kloster. Sein brauner Schal war bis zu seiner Nase hochgezogen und seine Haut vor Kälte bleich geworden. Still warf er seinen Beutel auf die andere Seite des Ganges und bemerkte die restlichen Nonnen nicht, die an ihm vorbei huschen wollten. Erst, als er sich zu ihnen drehte und überstürzt zur Seite wich, bevor sie ihn anrempeln konnten, wurde er aufmerksam. "Hey." Er begrüßte die Nonnen kurz angebunden und mit einer Spur Hoffnung in seiner Stimme, wurde aber sofort von den starr nach vorne gerichteten Blicken und den eiskalten Mienen der Frauen bitter enttäuscht. Ohne ein weiteres Wort senkte er leicht den Kopf und ließ sie gehen, dabei schnaubte er frustriert in seinen Schal. "..." Mari drückte sich von der Wand ab und stand plötzlich mitten im Gang. Wortlos streifte er seinen Schal ab und wollte sich abwenden, aber als er sie entdeckte, haftete sein Blick sofort an ihr. Erstaunt starrte er sie an und brachte erst kein Wort hervor. "...Du bist wirklich gekommen." Seine Stimme klang trocken, aber das ungewollte Lächeln, das sich über seine Mundwinkel zog, verriet ihn. "Dachtest du ernsthaft, ich würde mein Versprechen diesmal brechen?" Sie zwinkerte ihm zu. Lachend lief er zu ihr und hatte die Hände in seinen Manteltaschen vergraben. "Natürlich nicht. Du bist wahnsinnig, bei dem Sturm hierherzukommen.", "So sehr wie gestern stürmt es gar nicht. Zumal "wahnsinnig" auf der Liste der Wörter, die man mir zuordnen könnte, ganz weit oben steht, mh?", "Neben „mutig" und „ungeduldig", klar.", "Du hast "stur" vergessen", wies sie ihn drauf hin. "Die Höflichkeit in diesem Haus hat des Letzteren etwas nachgelassen.", "Was du nicht sagst." Als er schmunzelte, hoben sich kurz seine Schultern an. "Anscheinend können alle hier den Winter so sehr nicht leiden, dass sich jeder aus dem Weg geht. ...Oder in diesem Fall nur mir.", "Die Stimmung hier ist ihnen wahrscheinlich schon frostig genug.", "Hahaha..." Er lachte in sich hinein und deutete dann mit dem Kopf zu dem Gang. "Scheint so. Alle Gästezimmer sind frei, du hast freie Wahl.", "Darum kümmern wir uns später. Ich hab schon komplett vergessen, wie's hier drin aussieht... Wärst du so nett, mir erstmal alles zu zeigen, damit ich mich nicht verlaufe?", "Wäre wohl besser so." Er musterte sie kurz und griff dann nickend nach seinem Beutel, bevor er mit ihr losging. Als sie am Hauptsaal vorbei kamen, drehte er den Kopf zur Seite und beobachtete die Betenden, während Mari sie keines Blickes würdigte. Sie lief weiter den Gang runter, bis sie bemerkte, dass er ihr nicht mehr folgte. "Hm..." Er rieb sich den Nacken und seufzte tief. "Kommst du?" Sie blieb stehen und blickte sich zu ihm um. "Uh..." Er schüttelte den Kopf und ging dann wieder voraus. "Ich war in Gedanken woanders... Tut mir leid. Hier sind die Schlafräume von den Klosterleuten." Er versuchte, sich in seine Erklärungen zu vertiefen und deutete in eines von ihnen. "Die haben da drin nur das Nötigste. Man könnte jedem nur Brot und Wasser vorsetzen und keinem würde es was ausmachen.", "Hm..." Sie nickte leicht. "Den Luxus von davor gibt es wohl nicht mehr... Falls der je existiert hat. Ziemlich staubig hier.", "Ich war noch nicht damit fertig, jedes Zimmer aufzuräumen... Wird noch eine Weile dauern.", "Hm... Sonderlich spaßige Arbeit ist das ja nicht gerade." Sie lief weiter mit ihm durch die Flure, bis sie plötzlich stehen blieb. "...", "Hm?" Er drehte sich zu ihr und hob leicht das Kinn. "Was ist?", "Hm? Oh... Nichts. Ich dachte mir gerade..." Dann winkte sie ab und schüttelte den Kopf. "Ist egal. Geh weiter.", "Wenn du meinst." Er zuckte mit den Schultern und führte sie dann weiter. "Den Hauptsaal hast du schon gesehen. Alle drei Tagesgebete werden dort durchgeführt, genauso wie die Trauerreden, wenn jemand gestorben ist. Das war Nates Zimmer. Jetzt hat es Irina für sich beansprucht." Er blieb vor einem deutlich größeren Raum stehen. In dessen Mitte stand ein antik wirkender Holztisch. Bücherschränke und Porzellanvasen waren an den Wänden der Reihe nach aufgestellt. "Das ist ein ziemlich großes Zimmer", fand Mari, wurde aber von einem unwohlen Gefühl beschlichen. 'Ich kenne diesen Gang...' dachte die bei sich und sofort war die Unruhe da. Als Jayden sie weiter durch den Flur führte, erkannte sie plötzlich einen dieser Räume, sogar mit einer geschlossenen Tür. Sie blieb stehen und öffnete sie mit einer zitternden Hand. „Das... das ist...!"

Der Raum hatte graue Wände und kein Fenster. Er war klein und kalt und Ketten waren an der Wand eingelassen.  Schweigend blieb Jayden neben ihr stehen. "..." Mari griff sofort nach ihrem Handgelenk, als wären die Ketten wieder um es gewickelt, als würde das kalte Metall sie wieder festhalten, ihr keine Möglichkeit zur Flucht gewährleisten. Sie davon anhalten, den schmerzhaften Stromstößen und den messerscharfen Klingen ihrer damaligen Peiniger zu entkommen. Sie strich über ihre Arme und wich mit geweiteten Augen zurück. Jayden starrte nur auf die Ketten. Bewegungslos. Nichts regte sich in seinem Gesicht. Erst ihre Reaktion bewegte ihn dazu, etwas zu tun. Er ging in die Kammer und nahm eine der Eisenketten in seine Hand. Seine Knöchel wurden weiß, als er seinen Griff um das harte Eisen festigte. Seine Faust zitterte kurz. Er wusste genau, was hier stattgefunden hatte, auch, wenn er nicht dabei gewesen war. Mari starrte die Ketten einfach weiter an, als ob sie zu Stein geworden wäre. Die Erinnerungen kamen wie eine riesige Flutwelle zurück und entfachten den Schmerz von Neuem. Ihre eigenen Schreie und die hämische Stimme der Nonne, die sie gefoltert hatte, hallten in ihrem Kopf wider und hängten sich an sie wie ein lang vergessenes Lied. Sie hätte am liebsten geschrien, um die Stimmen in ihrem Kopf verstummen zu lassen. "... Wir sollten weiter gehen", sagte Jayden. Seine Stimme war ruhig, fast schon zu ruhig, als er den Raum verließ. Mari nickte nur. Jayden wandte sich ab und ließ die Tür laut zuknallen. Er ging mit ihr weiter, aber bevor er ihr einen neuen Ort innerhalb des Gebäudes zeigte, blieb er in einer abgelegenen Ecke stehen. Ohne ein Wort zu sagen, zog er sie in seine Arme und umarmte sie fest. Mari versteckte ihr Gesicht in seinem Oberteil. „... Ich... konnte es wieder fühlen... den Schmerz... Es war als wäre... ich meine..." Ihre Stimme war rau. „Geh zurück. Bitte...", sagte er mit einem bitteren, fast flehenden Ton in seiner Stimme und hielt seine Arme fest um sie geschlungen. „Ich hätte nie darüber reden sollen... Das ist alles meine Schuld." Mari grub ihre Finger in sein T-Shirt. "Jayden...Nein...", "Warum?" Verständnislos und verzweifelt drückte er seine Stirn gegen ihre. „Du gehörst nicht hierher.. Du hast nichts davon verdient! Du solltest nicht hier sein!", "Ich habe das alles von Irina gehört... Du hast hier niemanden hier. Niemand spricht mehr mit dir... Du bist einsam. Ich... lasse nicht zu...", "Was mich betrifft... Ich wäre für immer einsam", sagte er und suchte mit einem von Bitterkeit geprägten Blick nach ihrem. "Aber als wir in dieser Kammer waren hat der Schmerz in deinen Augen mich fast umgebracht." Sie atmete tief durch. "Entschuldige...", "Wehe, du entschuldigst dich nochmal." Er versuchte, ein schmales Lächeln aufzubringen, scheiterte aber kläglich. "Okay... Ich... ich wollte nicht, dass du dich schlecht fühlst. Du hast nichts damit zu tun gehabt..." Er neigte sich vor und drückte ihr einen leichten Kuss auf die Stirn, bevor er die Arme zurückzog. "...Und du bist dir sicher, dass du nicht gehen willst?", "Hundert prozentig. Ich schaffe das schon...", "Du bist wirklich wahnsinnig.", "Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis." Sie sammelte sich innerlich und erlangte ihre Fassung zurück. "Okay, weiter geht's. Ich will so schnell wie möglich so viel wie möglich Distanz zwischen mir und diesem Raum bringen.", "Worauf wartest du dann noch?" Er ging voraus und sah über die Schulter zu ihr. Sie holte schnell zu ihm auf.

Saviors of Tomorrow 4 (Eine Pokémon-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt