Post-League-Kapitel: Tränen von verlassener Trauer

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"Mm...?" Aufmerksam suchte Jayden den Himmel ab, als er einen Schatten über dem Boden bemerkte. "Kyaaaaa!" Panzaeron kreischte und blieb flügelschlagend in der Luft stehen. "Kya! Kyaaaa!", "Hey, Panzaeron." Er legte leicht den Kopf zur Seite und verstand, was der Vogel sagen wollte. "Ich dachte mir schon, dass sie mich gesehen hat. Und du bringst mich zu ihr?", "Kyaa!" Panzaeron nickte, wendete und flog durch die Straßen. Jayden folgte dem Pokémon schnellen Schrittes und verlor es dabei nicht aus den Augen. Panzaeron landete in ihrem Garten. "Kyaaaa!", "Danke fürs Hierherführen." Aus seinem Beutel zog er eine Handvoll kleiner Kekse hervor und hielt sie dem Vogel hin. "Und das bleibt unter uns, okay?", "Raa!" Panzaeron schnappte gierig nach den Keksen. Er lachte leise und legte kurz die Hand auf den stählernen Kopf der Pokémon, bevor er sich zu dem Haus drehte, wo Mari gerade in dem Moment die Tür öffnete. "Hallo!", "Du hast mich schon erwartet, hm?" Er lief zu ihr und lächelte. "Gastfreundlichkeit wird hier echt großgeschrieben.", "Willkommen in Eventura." Mari zwinkerte und umarmte ihn. "Lange nicht gesehen.", "Ich bin froh, dass ich es noch rechtzeitig hierher geschafft hab..." murmelte er und erwiderte ihre Umarmung. "Wer weiß, ob du nicht schon wieder zu einem Abenteuer aufgebrochen wärst.", "Naaah... ich hatte vor, erstmal die Beine hochzulegen. Komm rein." Mari ließ ihn los. "Hier ist es fast so ruhig wie Tessera." Er betrat vor ihr das Haus und sah sich um. "Ihr habt es schön hier.", "Es freut mich, dass es dir gefällt." Mari lachte, als die Stimme ihrer Mutter aus dem Wohnzimmer drang. "Mit wem redest du, Mari?", "Oh." Die Schwarzhaarige sah zu ihm. "Ich stelle dir meine Eltern vor. Meinen Vater kennst du ja schon. Komm mit." Er nickte ihr etwas zurückhaltend zu und folgte ihr in das nächste Zimmer. Maris Eltern sahen auf. "Oh. Wen haben wir denn da?" fragte Akari. "Ah! Hallo, Jayden." Kazuo winkte ihm zu. "Hallo." Er nickte dem Vater zu und wandte sich dann Maris Mutter zu. Er schmunzelte leicht unsicher. "Wahrscheinlich wissen Sie mehr über mich als ich über Sie. Freut mich.", "Oh, du brauchst nicht förmlich zu sein", meinte sie. Ihre braunen Augen musterten den Rothaarigen. "Okay." Er entspannte sich ein bisschen und rieb sich den Nacken, bevor er den Blick der Mutter erwiderte und kein einziges Mal zurückwich. "Ich bin Akari Sentaku", sagte ihre Mutter lächelnd und kam zu ihm. Sie streckte ihm freundlich die Hand entgegen. "Freut mich, dich kennen zu lernen.", "Jayden Yagami." Erst unsicher sah er auf ihre Hand hinab und gab ihr dann nickend seine eigene. "Ich kenne Mari schon lange. Es wurde Zeit, dass ich auch ihre Eltern kennenlerne.", "Du kannst mich gerne mit Vornamen ansprechen.", "Dasselbe gilt für mich", sagte Kazuo. "Es freut mich, dass du tatsächlich zu Besuch gekommen bist.", "Ist das nicht selbstverständlich?" Jayden lachte leise und etwas fragend. "Kommt auf den Betrachter an", meinte Kazuo schulterzuckend und lächelte. "Fühl dich wie zuhause.", "Komm." Mari sah zu ihm.  "Wir gehen hoch in mein Zimmer, okay?", "Es sind noch ein paar Lebkuchen von gestern im Kühlschrank", sagte Akari. "Du kannst sie mit hoch nehmen.", "Danke. Komm, Jayden." Sie lief in die Küche und stellte zwei Gläser heißen Kakao und die Lebkuchen auf ein Tablett. Dieses hob sie hoch und balancierte es die Treppe nach oben. Jayden folgte ihr. 

Später saß er auf ihrem Bett und wendete einen der Lebkuchen in seinen Fingern. "Hätte ich gewusst, dass es hier so gute Lebkuchen gibt...", "Die sind selbst gemacht", sagte Mari. "Und? Wie läuft's so bei dir? Alles okay soweit?", "Nach der Liga hat sich nicht viel bei mir geändert." Er griff nach seiner Kakaotasse und hob die Schultern an. "Ich war im Kloster und bei meinen Eltern. Mal sehen, wohin es mich als Nächstes verschlägt...", "Im Kloster, hm?" Mari trank einen Schluck Kakao. " Und... wie geht's da so von Statten? Was ist mit ihm passiert?", "Irina hat die Leitung übernommen. Viele von den Schwestern und Brüdern sind nicht mehr da... Nur noch wenige leben im Kloster." Er knirschte mit den Zähnen und hielt seinen Blick gesenkt. "Es ist, als wären die Hallen leergefegt. Die meisten Pokémon in unserer Obhut mussten weggegeben werden, weil es nicht genug Klosterleute gibt, die sich um sie kümmern. Die Gärten sind überwuchert und fast alles ist voller Staub. Jetzt liegt es wohl an mir, alles wieder hinzurichten. Nates Erbe... Inzwischen sehe ich das Ganze so.", "Nates Tod scheint dich sehr mitzunehmen... Nicht wahr?" vermutete Mari und musterte ihn. "Er war es immerhin, der dich großgezogen hat...", "Er war mein Großvater. Egal, was er getan hat, er war für mich da..." Mari verabscheute Nate, aber sie wollte das wenigstens jetzt für einen Moment zurück stellen. Stattdessen griff sie nach seiner Hand. "Ich werde niemals vergessen, was er mir angetan hat. Aber du siehst ihn in einem anderen Licht..." murmelte sie und stand auf. "Komm. Schließ die Augen und folge mir.", "Was...?" Er blinzelte zu ihr hoch. "Tu, was ich sage.", "...Okay." Er stellte seine Tasse auf das Tablett zurück, stand ebenfalls auf und machte die Augen zu. Mari führte ihn an der Hand aus dem Zimmer den Flur entlang. Dann blieb sie stehen und man hörte eine Tür leise knarren. "Lass die Augen zu und hör einfach zu..." flüsterte sie in sein Ohr. "Du solltest nicht leise vor dich hin trauern. Das zerbricht dich nur." Er konnte hören, dass sich ihre Schritte entfernten. Dann erklang plötzlich der klare, sanfte und nostalgische Klang eines Klaviers. Still spielte Mari eine traurige Melodie, die schwer durch den Raum schwebte und die Emotionen anstatt der Worte sprechen ließ. Als die letzten Töne leise verklangen, legte Mari eine Hand aufs Herz und schloss ebenfalls die Augen. "Ruhe in Frieden, Nate."

Jayden schwieg das ganze Lied über. Seine Fäuste zitterten leicht. Mari stand auf und drehte sich zu ihm um. "Okay ... du kannst deine Augen wieder öffnen." Nur für einen kurzen Moment, schneller als ein Atemzug, war es sichtbar. Bevor Jayden den Kopf wegdrehte, schimmerte etwas in seinen Augen. "Ich habe es nicht für ihn getan", sagte Mari. "Ich habe es für dich getan, Jayden.", "... warum?" Er versuchte, sich unter Kontrolle zu halten, damit seine Stimme nicht zu zittern begann. Wieder schloss er die Augen. "Ich komm klar ... ich ...", "Nein." Mari ging auf den rothaarigen Jungen zu und blieb direkt vor ihm stehen. "Du hast genug innerlich gelitten. Du solltest es rauslassen...", "Mari..." Zögernd blickte er sie an. Seine Augen waren dunkel vor Trauer. "Shhht ..." Mari schüttelte den Kopf und legte eine Hand auf seine Schulter. Er spannte sich merklich an. Dann machte er plötzlich einen Schritt auf sie zu und umarmte sie fest. Mari erwiderte die Umarmung und legte ihre Hand auf seinen Kopf. "Ist schon okay... Ist schon gut." Er sagte nichts und hielt sie fest an sich gedrückt. Sein Atem kam stoßweise und gepresst, als kämpfte er damit, etwas zurückhalten. Aber er konnte es nicht mehr lange unter Verschluss halten und nach einem Moment absoluter Stille brach der Damm. Ein kurzes Zittern fuhr durch seinen Körper und seine Arme um sie drückten sie noch fester, als ihm ein leises Schluchzen entkam. Mari hielt ihn schweigend in der Umarmung und tätschelte sanft seinen Kopf. Sie hasste Nate. Natürlich tat sie das. Aber sie konnte Jayden verstehen. Und sie wollte ihren Hass auf die Person, die Jayden von klein auf gekannt hatte, wenigstens für einen Moment, für diesen Moment, vergessen.
Jayden brauchte eine Weile, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Er zwang sich dazu, ruhig zu atmen und nahm seine Arme mit gesenktem Kopf von ihr weg. Er trat mit einem unterdrückten Keuchen zurück, als er seine Fäuste lockerte. "Geht's?" fragte Mari vorsichtig. "Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal weinen musste...", Er versuchte, zu lächeln, aber es war deutlich zu sehen, dass es ein gezwungenes, aufgesetztes Lächeln war und Jayden wischte sich über die Augen. "... aber ich denke es ist okay soweit ... es tut nicht mehr so ​​weh ...", "Weinen ist keine Schande", sagte Mari mit einem schmalen Lächeln auf ihrem Gesicht. "Wenn du nicht hier wärst, würde ich mich definitiv noch schlechter fühlen...", gab er zu und schüttelte den Kopf. "Ach, wirklich?", "Ich weiß nicht...", sagte er mit leiser Stimme. "Du kennst mich besser als alle anderen... manchmal sogar besser als ich mich selbst. Ich fühle mich gut, wenn ich bei dir bin... wie als hätte ich ein zweites Zuhause gefunden.", "Ein zweites Zuhause?" Mari hob überrascht die Augenbrauen. "Ich wusste nicht, dass du so von mir denkst.", "Heh..." Er tastet nach ihrer Hand und nahm sie in seine. "Überrascht dich das?", "Ein bisschen schon", gab sie zu. "Tut mir leid, wenn ich dich mit dem Ganzen überfordere...", "Unsinn. Du überforderst mich mit gar nichts." Sie schüttelte den Kopf. "Komm. Wir gehen zurück in mein Zimmer und trinken den Kakao aus. Danach können wir im Wald spazieren gehen, was meinst du?" Sein Daumen fuhr federleicht über ihren Handrücken und er nickte einverstanden, bevor er seine Hand zurückzog.  "Klingt nach einem Plan." Mari drehte sich um und ging durch den Flur ins Zimmer zurück.

Saviors of Tomorrow 4 (Eine Pokémon-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt