Post-League-Kapitel: Alter Kamerad

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Am nächsten Morgen war Mari früh wach, um die Sachen fürs Picknick vorzubereiten und in einen Korb zu legen. Dann ging sie raus, um ihre Pokemon zu füttern. Anschließend lief sie zum Pokémon-Center, um Zoroark abzuholen. Die Haupthalle war noch leer, einzig die Schritte der Krankenschwester hallten von den blank geputzten Gängen wider. „Schwester Joy?" rief sie vorsichtig. „Ich bin sofort da!" Man hörte, wie etwas eilig verstaut wurde, bevor sie vor die Theke trat und Mari mit einem herzlichen Lächeln begrüßte. „Guten Morgen! Du bist bestimmt wegen deinem Zoroark hier, richtig?", „Richtig. Ich würde es gerne abholen.", „Es ist wieder ganz auf den Beinen", berichtete sie kichernd. „Hier in Eventura ist nur selten viel los, deswegen konnte ich mich ohne Umschweife um Zoroark und Jaydens Lanturn kümmern. Mein vorheriger Patient war davor schon versorgt. Sein Trainer sollte jeden Moment kommen.", „Das ist super! Vielen Dank." Mari nickte ihr zu und ging dann in das Behandlungszimmer ihres Pokémon. Als Zoroark sie sah, sprang es von der Trage und stupste sie an. „Hey, hey! Langsam!" Sie streichelte es lachend und gab ihm ein paar Wutkekse, die es genüsslich knabberte. „Alles okay, alles okay. Ja." Sie kraulte es hinterm Ohr und Zoroark genoss es sichtlich. Auf der Trage neben Zoroark saß geduldig ein Chillabell. Mit großen, glänzenden Augen betrachtete es die beiden. Mari rief Zoroark zurück und heftete den Ball an ihren Gürtel. „So..."

Hinter ihr öffnete sich die Tür erneut. „Wie fühlst du dich, Chillabell?" fragte der Junge, der sich erleichtert an Mari vorbei drängte und die Hand ausstreckte. Erfreut tätschelten die Pfoten des Pokémon den Trainer, der Chillabells Reaktion als gutes Zeichen sah und es auf die Arme hob. „Genug gefaulenzt! Oma braucht uns, damit wir wieder Sinelbeeren für sie sammeln und... Huh?" Er hielt verdattert inne, als er Mari bemerkte und ansah. „Woah! Mari? Bist du das wirklich?" Der Junge öffnete perplex den Mund, der sich in der selben Sekunde zu einem Lächeln verzog. „Ich wusste gar nicht, dass du wieder in der Stadt bist! Willkommen zuhause!", „Eh... ja, ich bin wirklich mal wieder zuhause", antwortete sie. „...Aber eigentlich schon seit ein paar Wochen.", „Erinnerst du dich noch an mich? In der Trainerschule? Der, der immer von den Mädchen gepiesackt wurde?" Er zog die Schultern hoch und kniff ein Auge zusammen, als er daran dachte. „Du warst nicht viel besser dran als ich... Trotzdem hab ich dich damals bewundert.", „Ah! Inigo, stimmt's? Es hat eine Weile gedauert, bis es 'Klick' gemacht hat. Ich habe lange niemanden mehr aus der Trainer-Schule gesehen. Abgesehen von Selena und Joël. Schön, dich mal wieder zu sehen." Dann zog sie die Schultern hoch. „Bewundert? Ähem... Wofür denn?", „Du warst immer so schlau!" schwärmte er, dabei sah das Chillabell in seinen Armen mit schiefgelegtem Kopf zu seinem Trainer auf. „Bell?", „Egal, wie oft du geärgert wurdest, du hast weitergemacht. Viele waren neidisch auf dich.", „Äh..." Sie war einen Moment lang perplex. „Klar hab ich weiter gemacht. Es ging darum, den Abschluss zu schaffen.", „Du wirst nicht glauben, wie oft ich an mir gezweifelt hatte", gab Inigo kleinlaut zu. „Ich war nicht annähernd so clever oder stark wie die anderen. Ich war der Durchschnitt der Klasse, nichts Besonderes.", „Ich kann's mir vorstellen... Aber ich war nicht stark. Kein bisschen. Jeder war auf seine Art besonders. Es gibt nur jene, die das wissen und jene, die es nicht wahrhaben wollen. Du wurdest oft wegen deinem Namen geärgert, richtig? Indigo haben sie dich genannt, wenn ich mich recht entsinne...", „Mhm." Er nickte etwas zerknirscht. „Ich wollte nur mit Selena und Joël befreundet sein, aber sobald sie wussten, dass ich nichts Besonderes kann, wurde ich zur Seite geworfen.", „Das ist ja mal wieder typisch für die beiden", murmelte Mari. „'Du kannst nichts? Dann verzieh dich." So sind die eben... Selena hat ja in der Liga immer noch auf mir rum gehackt. Ich glaube, der Spaß daran ist ihr aber vergangen, als ich sie aus dem Turnier geworfen hab in der ersten Runde. So viel Genugtuung habe ich noch nie empfunden.", „Ich kann's mir vorstellen!" Er lachte auf. „Was ist mit den anderen, die dich damals nicht beschützt haben? Die meisten waren nur still und haben zugesehen, wie du und ich fertig gemacht wurden. War Jacky auch nicht unter denen?", „Nein. Ich meine... doch, am Anfang schon. Sie fand es nicht in Ordnung und so... aber getan hat sie anfangs nichts. Irgendwann aber hat sie denen mal ordentlich die Meinung gegeigt, nachdem wir uns angefreundet hatten. Jacky und ich sind zusammen in Einall unterwegs gewesen.", „Freut mich, dass ihr euch gut versteht. Was mich angeht, ich weiß nicht..." Er schüttelte den Kopf. „Einmal Feigling, immer Feigling, denke ich. Ich wette, sie hat nicht immer den Mut, sich vor dich zu stellen." Mari warf ihm einen finsteren Blick zu. „Wehe, du sagst das noch mal. Jacky hat mir schon wer weiß wie oft aus der Patsche geholfen. Und außerdem muss sie das gar nicht. Genaugenommen musste sie mich eher davon anhalten, gewissen Leuten eine rein zu donnern. Sagen wir es so... Wir gleichen einander aus. Egal, was passiert, wir sind für den jeweils anderen da. ... und wir beschützen einander. Ich war damals auch ein Feigling, Inigo.", „Wenn du das sagst. Ich glaube dir." Er nickte leicht, schien aber trotzdem nicht überzeugt zu sein. „Wie auch immer... Es freut mich, dass du wieder da bist.", „Ach, echt? Ich hätte nicht gedacht, dass mich hier irgendeiner vermisst." Mari lachte leicht und ihre finstere Miene verflog wieder. „Das wundert mich." Er lachte leise und winkte ab. „Du hattest bestimmt viel zu tun, deswegen hast du selten an Eventura gedacht.", „Kann man so sagen..." Sie dehnte ihreArme ein bisschen, wodurch der Ärmel ihres Shirts etwas nach oben rutschte und ein paar der Narben auf ihrem Arm sichtbar wurden. „Viel ist passiert in der Zeit, in der wir unterwegs waren. Aber ein paar Tage Ruhe ist auch nicht schlecht.", „Du hast echt viele Narben..." bemerkte er betrübt und trat näher zu ihr. „Tun sie noch weh? Man sieht sie kaum noch, aber...", „Hm?" Sie sah auf ihren Arm. „Ach das... das ist nichts Schlimmes.", „Das sind nicht die einzigen Verletzungen, die du davongetragen hast, oder?", „Nein. Sind es nicht." Sie schüttelte den Kopf. „Dann ist es wohl gut, dass die Reise vorbei ist und du wieder hier sein kannst.", „Oh, sie ist nicht vorbei"m widersprach Mari. „...Nicht?" Seine anfängliche Erleichterung schlug in Entsetzen um. „Ich hab gehört, dass du viel mit dieser Jacky zu tun hast, aber dass sie dich noch weiter mit sich zerrt...!", „Das war meine Idee. Ich habe sie dazu überredet, weiterzureisen.", „Du hast sie...?" Inigos Mund stand offen, bis sein Chillabell tadelnd die Pfote hob und das Kinn des Jungen nach oben drückte. Erst danach blinzelte er und rieb sich über die Stelle. „Du bist ganz anders, als ich dich in Erinnerung hatte.", „Weißt du, es kümmert mich nicht, dass ich diese Narben habe. Ich trage sie wie Flügel, weißt du? Denn jede von ihnen erzählt eine Geschichte. Eine Geschichte, an deren Ende ich sagen kann: Ich habe es überlebt. Die meisten von ihnen habe ich, weil ich jemanden beschützen wollte.", „Du bist wirklich anders als damals." Er fühlte sich bestätigt und seufzte, bevor er sich am Hinterkopf kratzte. „Die Reise hat dir dann wohl nicht nur Schlechtes getan, hm?", „Natürlich nicht. Ich bin stärker geworden, und das allein zählt schon für mich. Ich habe viele Menschen kennengelernt. Die verschiedensten. Und sie alle sind meine Freunde.", „Freunde", wiederholte er. „...Na gut. Ich hoffe, du weißt, was das Beste für dich ist." Er schenkte ihr ein zögerliches, aber ehrliches Lächeln. „Egal, was passiert ist, ich bin froh, dass du hier bist. Genieß deine Zeit hier, okay?", „Klar." Sie legte den Kopf schief. „Wie genau hast du mich überhaupt in Erinnerung?", „Ich weiß es noch genau." Er schloss sein Pokémon etwas fester in die Arme und machte die Augen zu. „Du warst schüchtern und zurückhaltend und warst oft in der Bücherei. „Das Mädchen, das nur an Bücher denkt", so haben viele dich genannt. Aber trotzdem hattest du eine verborgene Stärke in dir, die man immer wieder gesehen hat. Alle waren neidisch auf dich.", „Hmmm... Also, ich wäre mir selber peinlich gewesen zu der Zeit. Ärgern die anderen dich immer noch?", „Manchmal, aber ich lasse es über mich ergehen, bis sie merken, dass ich nicht reagiere.", „Pfft... so hört das ja nie auf...", „Ich will keinen Streit, weißt du..." seufzte er niedergeschlagen. „Wenn ich so weitermache, hören sie bestimmt von selbst auf.", Naaah... Darauf würde ich nicht vertrauen." Mari legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Sie sehen dich als nichts Besonderes, hast du gesagt... Warum beweist du ihnen nicht das Gegenteil?", „ Aber... Ich bin nichts Besonderes. Ich bin nicht stark, oder schlau oder schnell wie andere.", „Erzähl keinen Unsinn. Jeder ist auf seine Weise besonders. Wie willst du da rauskommen, wenn du dich nicht wehrst? Du bist einzigartig, Inigo. Es gibt niemanden auf dieser Welt, der die gleicht. Das allein macht dich schon zu etwas Besonderem. Mein Vater hat mal was Schlaues gesagt. ‚Wenn jemand versucht, dich niederzumachen, heißt es nur, dass du über ihm stehst'.", „Es ist wohl eine Überlegung wert." Inigo gab bedrückt nach. „Danke...", „Kein Thema, ehrlich. Eins noch... vielleicht gibt es dir Mut, wenn ich dir etwas zeige. Ich war anfangs auch nicht viel stärker als du.", „Was meinst du?" Mari nahm einen Pokéball von ihrem Gürtel. „Ich zeige es dir. Knakrack!" Ihr Knakrack erschien neben ihr. Sanft streichelte sie seine Schuppen. „Du weißt, wie schwer sie zu bändigen sind, nicht wahr?", „Whoa!!" Überstürzt stolperte der Junge zurück und ließ dabei fast sein Chillabell fallen. „Wie hast du...?" Knakrack fauchte, doch Mari streichelte es beruhigend. „Shhht. Alles okay. Es war nicht leicht, das zu schaffen. Drachen sind sehr eigensinnig. Mit ein wenig Durchsetzungsvermögen habe ich es unter Kontrolle bekommen.", „Also heißt das... dass ich alles in den Griff bekommen kann, wenn ich mich durchsetze?", „Ja. Wenn du etwas wirklich willst... egal was es ist... dann musst du dafür kämpfen, dass du es erreichst. Es läuft nicht immer alles so, wie man es gerne hätte. Aber man selbst entscheidet, wie man am besten damit umgeht. Also. Fühlst du dich jetzt besser?", „Auf jeden Fall!" Er konnte wieder lächeln. „Danke, Mari... Jetzt weiß ich, was zu tun ist.", „Gut so. Na dann. Man sieht sich. Komm, Knakrack." Es nickte und Mari winkte Inigo zu, bevor sie aus dem Behandlungsraum und dem Gebäude ging.  

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Saviors of Tomorrow 4 (Eine Pokémon-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt