Alola-Kapitel: Der Diebstahl

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Im Pokemon-Center setzte Mari sich aufs Bett, draußen setzte die Dämmerung bereits ein. "...Wusstest du, dass man Alola nachsagt, den schönsten Sternenhimmel zu haben?", "Wirklich?" Jacky wandte sich dem Fenster zu und stand von ihrem eigenen Bett auf. "Ja. Man kann viele Sterne von hier aus sehen. Sie sind wie... Sternenwolken." Sie zog die Beine an und sah aus dem Fenster. "Ich frage mich, wie diese andere Welt aussieht..." Grübelnd blieb Jacky vor dem Fensterglas stehen und betrachtete das Meer aus Lichtern am Himmel. "Ob sie auch so einen Nachthimmel hat?", ".... Weiß man nicht", antwortete Mari, als sich der Sternenhimmel über Alola spannte. "Was wäre, wenn es in dieser anderen Welt andere Versionen von uns gäbe?" Jacky lachte leise in sich hinein. "Stell dir das vor.", "Pfffft.... Das stelle ich mir so seltsam vor..." Etwas verloren sah Mari zum Himmel hinauf. "...Wow...." Für eine Weile starrten die Mädchen schweigend zum Himmel hinauf, bis Mari leicht gähnte. "Huh... ich bin müde.", "Der Tag war ziemlich lang", gab Jacky schläfrig geworden zu und rieb sich über die Augen. "Wir sollten schlafengehen.", "Ich hab vorher noch etwas zu erledigen", sagte Mari und schrieb Jayden an, der ihr diesmal nicht antwortete. Sie fasste trotzdem kurz das Tagesgeschehen zusammen, bevor sie schlafen ging.

Im Kloster schlief Jayden noch, während die Sonne langsam in den Himmel kletterte. Fast schon reglos ruhte er unter der Decke. Sein Gesicht war in seinen Armen vergraben. Nichts deutete auf die Alpträume hin, in denen er sich wand. In seinem Traum stand Jayden am Strand. Vor ihm ertrank die Sonne wie an jedem Abend in den Fluten vor dem Kloster, alles wirkte unnatürlich still. Als würde alles Leben um ihn herum mit der Sonne verschwinden. "Hier ist dein Zuhause..." Die Stimme des alten Abts drang zu ihm vor. Das Rauschen der Wellen erklang immer leiser. "Hierher gehörst du. Nur hierher. Verstehst du mich?" Jaydens Herz raste. Starr blickte er den Wellen entgegen. Innerlich schrie er und sträubte sich wild gegen Nates Worte, doch er konnte keinen Ton von sich geben. Stattdessen war seine einzige Antwort das Zusammenkrampfen seiner Hände. "Wir sind deine Familie. Nur wir. Dreh dich zu mir." Schritte näherten sich ihm, aber Jayden konnte sich nicht rühren. Wie fest gefroren schloss er die Augen. Ein kaum hörbares „Geh" war das Einzige, was er von sich geben konnte. Aber seine Forderung verwehte ungehört. Das Knirschen von Sohlen auf Sand näherte sich immer mehr. Er konnte sich nicht bewegen und sah hilflos zu, wie die Dunkelheit den Rest des Lichts vor ihm verschlang. Er sah nichts mehr. Kein Meer, kein Himmel, kein Licht. "Dreh dich zu mir, Jayden. Wir sind Familie." Die Schritte verstummten abrupt. Der Puls dröhnte in seinen Ohren, seine Fäuste schmerzten und brennten vor Anspannung. Seine Augen waren fest geschlossen, aber sein Versuch, sich von allem um ihm herum abzuschirmen, war vergebens. Nates Stimme verdrängte seine eigenen, verzweifelten Gedanken und folterte ihn so lange, bis er nachgab. Nach einem Moment, oder einer Ewigkeit, öffnete er die Augen. Ein trübes Augenpaar. Ein Blitz aus Weiß. Rot. Flüssigkeit, die den Sand unter ihm färbte. Ein Schrei... Sein eigener Schrei.

"...!!!" Nach Luft schnappend riss er die Augen auf und starrte wie vom Blitz gerührt an die Wand vor ihm. Als er begriff, dass er wieder in der Realität angekommen war, stand er auf und schlug die Hände vors Gesicht, um sich wie auch bei den Malen zuvor wieder zu beruhigen. Ein paar schwere Atemzüge später konnte er sicher auf beiden Beinen stehen und verließ den Raum. Der Morgen schickte schwache Sonnenstrahlen durch die Fenster.

Laslow war bereits wach und starrte den Dusselgurr außerhalb seines Fensters hinterher, die sich in weite Fernen aufmachten. "Wie geht's dir?" fragte Jayden, als er den Raum seines Freundes betrat. "Du siehst nicht mehr so blass aus wie gestern.", "Huh... mir geht's besser. Aber mein Schädel brummt..." Er strich sich einzelne Strähnen aus dem Gesicht und sah zu ihm. "Hey, du bist blass im Gesicht.", "Vielleicht hab ich mich bei dir angesteckt. Wer weiß", scherzte Jayden trocken. "Ich hoffe nicht." Laslow stand auf und dehnte sich. "Ich hole uns was zu essen. Ich verhungere..." murrte Jayden verschlafen. Laslows Blick zuckte zu ihm, als er Jaydens Magen knurren hörte. "Ich glaube, du wirst Bauchredner.", "Pfft..." Jayden konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen. "Sehr witzig, wirklich.", "Immer wieder gerne. Na dann mach mal, bevor dein Magen Kannibalismus betreibt. Das kann nicht mehr lange dauern, so wie's sich angehört hat.", "Seit wann bist du so frech geworden?", "Frech?" Laslow sah ihn perplex an. "Wieso frech?", "Du hast dich verändert, das ist alles." Kopfschüttelnd verschränkte er die Arme. "Hä?" Laslow legte den Kopf schief. "Ist das so?", "Du hattest damals kaum Selbstvertrauen. Deine Gegenwart war deine Vergangenheit. Ich bilde mir vielleicht nur zu viel ein... Aber ich glaube, du siehst jetzt nach vorne. Nicht mehr zurück.", "..." Laslow schwieg, bevor er zum Fenster ging und nach draußen blickte. "Hat Mari dir heute wieder geschrieben?", "Ich hab noch nicht auf meinen Viso-Caster geschaut." Erst jetzt fiel Jayden ein, dass er ihn gar nicht am Handgelenk trug, sondern er noch in seinem Zimmer lag. "Hast du eine Nachricht bekommen?", "Nein." Laslow schüttelte den Kopf. "Hab ich nicht.", "Hoffentlich ist nichts passiert..." seufzte der Rothaarige. "Ist das normal bei euch?", "Ja. Jacky schreibt nicht so oft.", "Macht dir das keine Sorgen?", ".... Normalerweise nicht, aber... wenn sie etwas bedrückt, will sie oft alleine sein und mit niemandem reden. Darum habe ich dich ja gefragt.", "Vielleicht will sie nur niemandem zur Last fallen.", "Das sieht ihr ähnlich..." Der Silberhaarige seufzte. "Jeez... Genau deswegen habe ich ja dich gefragt. Ich will sie nicht mit Fragen löchern und Mari schreibt dir jeden Tag. Ist doch so. Deswegen habe ich gefragt, ob du eine Nachricht bekommen hast.", "Bestimmt. Mit der üblichen Tageszusammenfassung." Jayden lächelte etwas und zuckte mit den Schultern. "Ich schaue später nach.", "Okay. Du bist am Verhungern. Stimmt's?", "Ziemlich. Mein Magen frisst mich wirklich gleich von innen auf.", "Oh je." Laslow drehte sich um und lachte. "Dann sollten wir uns beeilen. Sonst kommst du nur noch zur Hälfte in Alola an." Jayden musste mitlachen und winkte ab. "Ich schau zuerst bei den Pokémon vorbei.", "Tu das." Laslow nickte. "Ich komme mit."

Jayden machte auf dem Weg einen Bogen um den Hauptsaal und war still, während die Morgengebete durch die Wände drangen. Er ignorierte sie nach Kräften. Laslow folgte ihm schweigend, mit den Händen in den Hosentaschen. Ihre Schritte hallten von den stillen Wänden wider. "...Hey." Verdutzt blieb Jayden plötzlich stehen. "Hast du die Tür von dem Raum mit den Pokémon gestern zugeschlossen?", "Hab ich, ja. Stimmt etwas nicht?", "...Nein, alles okay. Nur..." Jayden wurde die Unruhe in sich nicht los und schüttelte den Kopf. "Manchmal brechen Pokémon aus, oder Diebe brechen ein und stehlen sie.", "Ist das so?" Laslow zog die Augenbrauen hoch. "Das ist nicht gut..." Jaydens Schritte wurden schneller, bis er fast schon zu dem Zimmer rannte und die Tür öffnete. Sie war nicht verschlossen. Wie eingefroren blieb Jer stehen. Sein Blick war an die wenigen Pokémon geheftet, die sich noch in dem Zimmer befanden. "...Wo sind die anderen?" Laslow blieb hinter ihm stehen. "... Nur so wenige sind noch da? Gestern waren es doch noch viel mehr.... Ich bin mir sicher, dass ich abgeschlossen habe. Nachdem du mich ausdrücklich drum gebeten hast, hab ich's auch gemacht.", "Aber wie..." Starr blickte er zu Laslow und drückte sich dann an ihm vorbei. "Seh ich aus wie ein Professor von der Polizeiakademie? Ich hab keine Ahnung." Laslow trat zur Seite. "Brecheisen oder Dietrich, wahrscheinlich." Jayden beugte sich vor und nahm das Türschloss in Augenschein. Er musste nicht lange überlegen, sein Blick verdüsterte sich.
"Definitiv Dietrich... Es sind ein paar Kratzer am Türschloss. Wenn auch nicht viele und man sieht sie kaum...", "Hmh.... Das muss dann wohl heute Nacht passiert sein... Niemand würde auf die Idee kommen, in ein Kloster einzubrechen, an dem am hellichten Tage alle unterwegs sind.", "Der Dieb kann noch nicht weit sein. Die Sonne ist erst vor kurzer Zeit aufgegangen, wenn wir Glück haben...." Seine Bemühungen, sich zurückzuhalten, waren umsonst. Die Wut loderte ungehindert in seinen Augen.
"Ich sehe mich in Tessera um, du bleibst hier bei den Pokémon!" Ihm zu widersprechen wäre Energieverschwendung gewesen, also nickte Laslow. "Na schön. Okay.", "Sieh zu, dass alle Türen und Fenster fest verschlossen sind und behalte die Pokémon im Auge. Ich zähle auf dich." Jayden eilte los und schappte sich im Rennen seinen Mantel und seinen Schal, bevor er aus dem Kloster stürzte. Laslow blieb im Zimmer zurück.

Saviors of Tomorrow 4 (Eine Pokémon-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt