Die zwei Schwarzhaarigen verbrachten eine unruhige Nacht. Obwohl Kuroo schwieg und nicht darauf beharrte zu erfahren, was geschehen war, hatte er das Gefühl, als würde sich Tobio gar nicht mehr beruhigen. Viele Stunden am Stück hatte der Junge fürchterlich gezittert. Vereinzelt waren gequälte Schluchzer nach draußen gedrungen, die Kuroos Herz förmlich zerrissen. Er konnte nichts weiter tun, als Tobio, der sich wie ein Ertrinkender verzweifelt an ihn klammerte, mit den Armen fest an sich zu drücken. Erst in den frühen Morgenstunden war das Zittern abgeklungen und die Schluchzer verhallt. Doch geschlafen hatte der Junge dennoch nicht. Woher er das wusste? Es war die unregelmäßige Atmung des Setters, die teilweise sogar auszusetzen schien, die ihm verriet, dass Tobio kein Auge zu tat.
Die digitale Zeitanzeige des Weckers schritt unaufhaltsam der neunten Stunde entgegen. Vorsichtig hob Kuroo seine Hand und legte sie auf das schwarze Haar des Setters, begann es zärtlich zu streicheln. „Tobio, wir sollten so langsam aufstehen. Schaffst du das?", fragte er mit sanfter Stimme. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als Tobio sich noch enger an ihn drückte und mit dem Kopf schüttelte. Der Puls des Setters nahm erneut Fahrt auf. „Hey, schhhh, alles gut, wir bleiben liegen, solange du willst", flüsterte er und streichelte beruhigend über Tobios Haar. Zumindest hoffte er, dass seine Berührung einen tröstenden Effekt hatte. Und obwohl es zunächst lange Zeit nicht danach aussah, wurde das Herzklopfen des Jungen nach langem Warten stetig immer langsamer, bis es wieder einen Normalzustand erreicht hatte.
Shit, Kuroos Gedanken rasten, jagten sich, wirbelten wild durcheinander, surrten im Kreis. Er fand einfach keine logische Erklärung für das Verhalten des Jungen. Was zur Hölle war geschehen? Und vor allem, wann war es geschehen? Noch bei ihm im Zimmer? Oder erst im Flur, dort, wo er ihn gefunden hatte? Es blieb ein Rätsel, dass er nicht lösen konnte. Denn wenn es kein Alptraum war – und Tobio sah in dem Moment, als er ihn danach gefragt hatte, nicht so aus, als würde er lügen – was hatte ihn dann in solch Angst und Schrecken versetzt? Das Einzige Mal, als er Tobio so gesehen hatte, war, als – nein, er musste sich korrigieren: zwei Mal hatte er Tobio nun schon so erlebt.
Das erste Mal war damals, als der Setter geträumt hatte, dass er ihn mit einem Mädchen hinter der Turnhalle betrügen würde. Dieser verflixte Traum. Das zweite Mal war erst ein paar wenige Tage her, als Tobio völlig aufgelöst vor seiner Tür gestanden hatte. Es musste also etwas sein, dass von ähnlichem Horror war. Er schnappte aus seinen dunklen Gedanken, als Tobio sich regte, sich aufrappelte. Bei dem Anblick des Jungen biss er sich auf die Lippe. Die Haut war blass, die Augen stumpf und von dunklen Schatten umrandet.
„Von mir aus können wir jetzt aufstehen", krächzte Tobio.
Kuroo hatte sich von dem furchtbaren Zustand noch nicht ganz erholt, deshalb schaffte er es gerade so zu nicken.
Müde krabbelte Tobio über Tetsurou hinweg und zog sich an. Ohne auf den Kapitän zu warten, tapste er ins Badezimmer und warf sich einen Schwall kaltes Wasser ins Gesicht. Und dann noch einen. Und noch einen. Und noch einen. Doch egal wie oft er es noch wiederholt hätte, eine Verbesserung seines Befindens würde sich wohl nicht einstellen. Er wandte sich um und wollte zur Tür schlurfen, blieb jedoch abrupt stehen.
„Hier", sagte Kuroo und hielt dem Schwarzhaarigen ein Handtuch entgegen. „Du willst doch nicht mit nassem Gesicht nach unten gehen?"
Tobio langte nach dem dargebotenen Stück Stoff und trocknete sich damit grob das Gesicht ab. Für mehr hatte er keine Kraft. Er gab es Kuroo zurück.
„Warte bitte eine Sekunde, ja?", bat Tetsurou und trat an das Waschbecken, um sich ebenfalls kurz das Gesicht zu waschen. Nachdem er das Handtuch zum Trocknen aufgehängt hatte, ging er zu Tobio hinüber, legte einen Arm um dessen Schulter und dirigierte ihn zur Treppe.
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Rivalität mit Folgen [Teil 1]
FanfictionAls Kuroo das erste Mal bei einem Trainingsspiel zwischen Nekoma und Karasuno auf Kageyama trifft, ist er nicht nur von Tobios blauen Augen fasziniert, sondern auch von seinem spielerischen Können. Nach dem Ende des Trainingsspiels verspricht Kuroo...