Kapitel 187

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Herzhaft gähnend tappte Kuroo die Treppe in die untere Etage hinab. Die ganze Nacht über hatte er sich unruhig im Bett gewälzt. Erst in den frühen Morgenstunden war er dann wohl doch vor lauter Erschöpfung eingenickt. Insgesamt hatte er wohl etwa zwei Stunden Schlaf ergattert. Wie es Tobio wohl ergangen war? Er blinzelte verschlafen, als er die Küche betrat, und stoppte in der nächsten Sekunde. „Ist Tobio noch nicht munter?", fragte er an seine Oma gerichtet, die seine Anwesenheit erst jetzt bemerkte und erschrocken herumfuhr.

„Meine Güte, Tetsu! Erschreck mich doch nicht so!", rief Atsuka mit weit aufgerissenen Augen, die Hand auf ihr pochendes Herz gedrückt. „Nein, Tobio scheint noch nicht wach zu sein. Ich habe ihn heute noch nicht gesehen", beantwortete sie schließlich die Frage ihres Enkels.

„Oh, okay. Dann werde ich ihn mal wecken gehen", sagte Kuroo und wandte sich zum Gehen. Vermutlich hatte die Müdigkeit letzte Nacht auch Tobio überwältigt und nun schlief er so tief und fest, dass er das Klingeln des Weckers einfach überhörte. Vorfreude packte ihn mit festem Griff. Gleich würde er Tobio sehen, eingekuschelt in weiche Bettdecken. Er sah sich bereits durch das seidige, schwarze Haar, das sich von dem hellen Stoff der Bettwäsche stark abhob, streichen. Mit vor Aufregung zittrigen Händen drücke er die Türklinke des Gästezimmers nach unten und trat ein.

Ehrfürchtig hielt er die Luft an, als er den in die Bettdecke gehüllten Setter sah. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Auf Zehenspitzen ging er zu ihm hinüber und ließ sich langsam auf das Bett sinken. „Hey, Sweetheart. Es ist Zeit zum Aufstehen", wisperte er zärtlich und griff nach der Bettdecke, um diese ein Stück weit herunterzuziehen. Er wollte Tobios süßes, verschlafenes Gesicht sehen.

Doch was er zu sehen bekam, übertraf seine kühnsten Vorstellungen.

Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht.

Das Bett war leer.

Kriechend langsam, wie eine hinterlistige, heimtückische Schlange, stieg Panik in Tetsurou auf. Wie vom Blitz getroffen, sprang er auf, stürmte in den Flur zurück und stieß ruppig die Tür zum Badezimmer auf. Es war leer. Instinktiv drehte er sich um und rannte in sein Zimmer. Ein gequälter Seufzer entfloh seiner verängstigten Seele. Auch hier konnte er keinen Tobio vorfinden. Wie paralysiert stand er in der Mitte des Raumes, nicht in der Lage, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. Es glich daher einem Wunder, dass er aus dem Augenwinkel heraus das Blinken seines Handys wahrnahm. Er stürzte regelrecht darauf zu und hätte aufgrund seiner Hast das Telefon fast zu Boden geworfen. Mit zittrigen Händen entsperrte er das Display. Eine Nachricht von Tobio! Er öffnete sie.

Tobio:

Bin Joggen.

Zwei Worte. Zwei Worte, die Kuroo rasend vor Wut machten. Er drückte auf den grünen Hörer und hielt sich das Handy ans Ohr. Es klingelte... und klingelte... und klingelte... Horrorszenarien fluteten sein Hirn. Er drückte auf den roten Hörer und begann wild auf die Tastatur zu hauen.

Tetsurou:

TOBIO! KOMM SOFORT ZURÜCK!

Wie gebannt starrte er auf das Display. Doch egal wie eindringlich er auch auf die Nachricht hinabsah, es änderte sich nichts an ihrem Status: sie blieb ungelesen.

„FUCK!", schrie er laut. Dennoch drang aus der Ferne das vertraute Klicken der Wohnungstür an sein Ohr. Er vergaß das Handy in seiner Hand und es fiel in dem Moment, in dem er aus seinem Zimmer stürmte, mit einem dumpfen Klackern zu Boden. So schnell seine Füße ihn trugen, hastete er die Treppe hinunter und preschte in den Flur, wo er auf einen überrascht aussehenden Setter traf, der gerade seine Schuhe ausgezogen hatte.

„Tetsu...", hauchte Tobio, entsetzt von der Wut, die in den Augen des Kapitäns loderte.

Kuroo war kein Mensch mehr. Der Zorn quoll aus jeder einzelnen Pore und er wusste nicht wohin damit. Er schien den Verstand zu verlieren. Die Liebe, die er für den Jungen empfand und die Angst, ihn zu verlieren – eine Angst, die er mittlerweile gefühlt jeden Tag ertragen musste –, machten ihn zu einem regelrechten Wrack. Langsam ging er auf den eingeschüchterten Jungen zu.

Rivalität mit Folgen [Teil 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt