Kapitel 183

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Tobio fühlte sich wie gerädert, als er aus dem Bett kroch. Nicht eine einzige Sekunde lang hatte er in dieser Nacht geschlafen. Was für eine Ironie! Dabei hatten sie das Training am Vortag doch extra früher verlassen, damit er sich ausschlafen konnte. Und jetzt war alles nur noch schlimmer. Müde öffnete er die Tür und trat in den Flur. Er erstarrte, als er sich plötzlich einem halbnackten, lediglich in Boxershorts gekleideten Tetsurou gegenübersah. Unwillkürlich glitt sein Blick über die durchtrainierte Brust seines Freundes und in seinen Wangen stieg Hitze auf.

„Morgen", sagte Kuroo mit rauer Stimme.

„Morgen", antwortete Tobio hastig und sah angestrengt zu Seite. „B-Bist du fertig im Bad?"

„Ja", sagte Kuroo und trat zur Seite, um den Jungen durchzulassen. Es war eine Qual, als Tobio an ihm vorbeiging. Der Junge war so nah und doch so fern. Als die Tür des Badezimmers hinter Tobio ins Schloss fiel, schloss er die Augen und atmete Tobios Duft, der noch in der Luft lag, tief ein. Wie gerne hätte er seine Nase in Tobios Nacken vergraben. Wie gerne wäre er mit seiner Nase durch Tobios weiches, schwarzes Haar gefahren. Es kostete ihn alle Kraft, sich aus seiner Starre zu lösen. Doch schließlich öffnete er die Augen, schüttelte sich und ging in sein Zimmer, um sich anzuziehen. Er wartete nicht auf Tobio, sondern schnappte sich seine Tasche und ging nach unten. „Guten Morgen", sagte er, als er in die Küche trat.

„Guten Morgen", begrüßte Atsuka ihren Enkel und bedachte ihn mit einem liebevollen, gleichzeitig jedoch besorgten Blick. „Wie hast du geschlafen?"

„Nicht gut", antwortete Tetsurou knapp, schob das Frühstück beiseite und griff nach der Tasse Tee. Er sah nicht auf, als Tobio wenig später in die Küche kam.

„Morgen", krächzte Tobio.

„Guten Morgen", sagte Atsuka und verzichtete dieses Mal auf weitere Fragen.

Mit ungelenken Bewegungen setzte sich Tobio an den Tisch und griff nach dem Glas Milch. Dabei streiften seine Augen die reichlich gefüllten Frühstücksteller und er musste einen Würgereflex unterdrücken.

Tetsurou hörte dies uns sah kurz auf. Doch er senke den Kopf sofort wieder, als sein Blick auf Tobios weichen, zartroten Lippen landete. Sein Herz zog sich zusammen. Der Junge, dessen Nähe und Berührungen fehlten ihm bereits so sehr, als hätten sie sich seit Wochen nicht gesehen. Ach was! Seit Monaten! „Wir sollten los", sagte er und stand auf. „Bis später, Oma."

„Bis später, ihr zwei." Mit diesen Worten verabschiedete Atsuka die Jungs und sah ihnen besorgt hinterher. Das würde heute mit Sicherheit kein leichter Tag werden. Schweren Herzens machte sie sich daran, die vollen Frühstücksteller und die halbvollen Gläser abzuräumen.

Atsuka sollte mit ihrer Vermutung recht behalten: es wurde ein furchtbarer Tag für die zwei Schwarzhaarigen.

Bereits der Weg zur Schule war eine Qual. Niemand sagte ein Wort. Weder im Fahrstuhl, auf dem Weg zur Haltestelle oder im Bus. Stattdessen hingen beide ihren verletzten Gefühlen und dem Wunsch nach, sich bei dem anderen zu entschuldigen. Doch da keiner von ihnen wusste, wie er sich entschuldigen sollte, schwiegen sie. Zu schwer wogen die Worte und Taten der letzten Tage.

Wortlos stiegen sie aus dem Bus. Sie bahnten sich ihren Weg durch die munter plappernde Schülermeute, die ihnen die Schwere ihres Schweigens so deutlich vor Augen fühlte, dass sich Tobio fest auf die Lippen biss, um aufsteigende Tränen zu unterdrücken. Verdammt! Hatte er gestern nicht genug geheult? Würde er jetzt jedes Mal wie ein kleines Kind weinen, wenn er sich mit Tetsurou stritt? Diese Aussicht war wenig verlockend. Er fühlte sich bereits unsäglich erschöpft, als sie das Hauptgebäude erreichten.

Gequält wandte Tetsurou den Blick ab, als Tobio vor ihm die Treppe hinauflief. Wenn er nicht aufpasste, dann würde er dem Jungen hier und jetzt an den Hintern fassen. Verflucht noch mal! Hatte er denn überhaupt keine Kontrolle mehr über sich selbst? War es noch normal, dass ihm in Tobios Anwesenheit seine Fähigkeit zum klaren Denken so vollumfänglich abhandenkam und stattdessen seine primitiven sexuellen Triebe die Oberhand gewannen? Er war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht merkte, dass sie bereits an Tobios Klassenzimmer angekommen waren.

Rivalität mit Folgen [Teil 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt